Willkommen im Forum, Bitte Anmelden oder Registrieren

Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg
05-26-2024, 11:21 AM,
Beitrag #41
RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg
Es war selten, dass Fintan etwas nicht wusste. Auch, wenn keiner ihm berichtete, schien er immer Informationen zu haben. Er behauptete als Kind immer steif und fest, die Vögel und den Wind zu verstehen - wie Cathbad. Doch von dem, was Alun getan hatte, wusste er nichts. Hätte er es, hätte dies etwas geändert? Auch ohne diese Erfahrung blieb seinem Bruder noch genügend Schmerz - wie ihnen allen.
"Glaubst du, dass wir wieder zusammen sind?", wollte er wissen. "Manchmal frage ich mich, ob Cal Recht hatte... Cathbad will nicht, dass wir leben... Warum sollten die Götter wollen, dass wir in die jenseitige Welt kommen?" Es hatte für Fintan stets festgestanden, dass ihre Lebenszeit auf Erden dadurch bemessen war, wie lange sie für ihre Aufgabe brauchten. Oder wie lang es dauerte, bis sie dabei draufgingen. Wenn es nach Cathbad ging, würde es für sie kein Nachleben geben, ganz gleich welchen Glaubens. Kein Wandeln in den Hainen der Anderswelt, den Weiten der Unterwelt oder in den Gefilden der Binsen - oder was dort draußen noch so existieren mochte. Der Druide hatte es geschafft, all seinen Hass für die Römer auf die sieben Jungen unter seinem Fittich zu übertragen. Fintan fand den Gedanken nicht abwegig, dass der Alte für ihren Fall in das ewige Vergessen betete. Sie würden ihre Mütter selbst im Tod nicht wiedersehen. Aber wenn dem so war... dann ja vielleicht Dunduvan? Auf dass sie zu siebt gemeinsam durch die Leere fallen konnten.
Vielleicht war es falsch, so zu denken. Doch bei Calum war er sich nicht sicher. Dessen Mutter wollte ihn selbst im Tod vermutlich nicht mehr sehen. Ob Alun das wusste?

"Entschuldige", murmelte er. "Ich sollte sowas nicht sagen... Mann... Dabei sollte ich doch euch trösten... Tut mir leid."
Beschämt wandte er den Blick ab und sah hinaus in die Nacht. Diese war inzwischen undurchdringlich. Zu regnen hatte es auch wieder begonnen, wenn auch nicht so stark wie zuvor.
"Willst du zurück? Ich... Ich mache dir auch gern Platz. Heu haben wir genug", sagte er und rutschte ein Stück, damit sie, wenn Alun wollte, beide bequem liegen konnte. "Müssen wirklich langsam schlafen. Lou peitscht uns morgen sicher wieder den ganzen Tag... So viel zum Badehaus. Wenn wir die Römer vertrieben haben... also, das warme Wasser werde ich schon vermissen."
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
05-26-2024, 02:31 PM,
Beitrag #42
RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg
Unser Zwischenstopp in der römischen Siedlung war einerseits bequem und es tat vor allem meiner Kehrseite gut, aber gern hielt ich mich dort nicht auf. Einerseits ging mir das Einsiedlerleben im Wald auf den Geist, aber bei den Römern wollte ich auch nicht herumgammeln. Auch wenn Ciaran und ich eher römisches als keltisches Aussehen geerbt hatten, konnte man bei unserem Aufzug und wie wir unser Haar trugen ganz klar sehen, dass wir uns als Kelten sahen. 

Als der neue Tag anbrach, beschloss ich nicht auf den kleinen Markt mit seinen drei oder vier Ständen zu gehen, sondern runter zum Fluss. Es war ein angenehmer Sommertag und ich nahm meinen Ledereimer mit um ein paar Flusskrebse aufzulesen bevor ich mich in den Fluss werfen konnte. Ich summte gemütlich vor mich hin, während ich die kleinen Krebse auflas und sie in den Eimer warf und diesen zwischen den Steinen am Ufer abstellte und mich dann auch aus meinen Klamotten schälte. 

Ich löste noch die Lederbänder, die mein mittlerweile fast schulterlanges Haar zusammenhielten und schnürte damit das Kleiderbündel zusammen und legte es hinter ein paar Steine neben meinen Eimer mit den Krebsen. Nicht dass hier irgendwo Bälger rumstreiften, die dachten, dass sie sich bei Reisenden einen Spaß erlauben konnten, die bald weiterzogen. Nicht dass ich mich meiner Nacktheit schämte - aber nachts war es dann doch schon ein wenig kühl, vor allem draußen. 

Kurz blickte ich links und rechts und dachte, dass noch jemand am Baden war ein Stück weiter oberhalb am Fluss, aber wirklich jucken tat es mich nicht. Ich ließ mich in das kühle Nass sinken und sah entspannt den Fischen dabei zu, wie diese auseinanderstoben und sich hastig davonmachten. Ich ließ mich ein wenig im Wasser treiben, wo es flach war und so gut wie keine Strömung herrschte. Was gab es Besseres als kühles Wasser und warme Sonne, die sich mittlerweile breit machte.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
05-26-2024, 05:40 PM,
Beitrag #43
RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg
Alle stieben sie auseinander wie Kühe auf einer Weide. So wirklich verdenken konnte und wollte ich es ihnen nicht, denn das hier war das erste Mal ein klein wenig Zivilisation und Pause seit zwei Wochen, und vermutlich würde es auch der einzige solche Halt für zwei Wochen bleiben. Wir hatten die Pferde im Stall unterstellen dürfen, unsere Habseligkeiten in einem Lager unterstellen und Stroh in der Herberge bekommen, also konnte jetzt quasi jeder tun, was er wollte, und das war offensichtlich weit weg von mir.
“Falls irgendwer Hilfe braucht, weckt mich“, sagte ich nur und ging zu der Herberge. Es war gerade einmal früher Nachmittag, also viel zu früh, um zu schlafen, und eigentlich sollte ich besser auch baden, essen und ein paar Annehmlichkeiten genießen, aber ich war zu müde. Zu müde von der vielen Verantwortung auf meinen Schultern, von der Wachsamkeit, zu müde von den vorwurfsvollen Blicken und dem Gejammere und Gestöhne, und definitiv viel zu müde von Fintans ständigen Störungen und Versuchen, mir meine Aufgabe noch so viel schwerer zu machen, als sie sowieso schon war. Als ob ich mir ausgesucht hätte, das hier zu machen. Als ob ich mir ausgesucht hätte, sie alle nach Norden zu geleiten und für ihre Sicherheit zu sorgen. Als ob ich nicht auch gerade mal nicht ganz 19 Jahre alt war. Aber natürlich nahm niemand darauf Rücksicht. Natürlich behandelten mich alle, als wär ich ihr Feind und würde nur den ganzen Spaß verderben. Natürlich wollten daher jetzt alle weg von mir.

Ich ging in die Herberge und ließ mich an einer Wand hinunter und lehnte mit dem Rücken einfach dagegen und schloss die Augen. Ich sollte etwas essen, das war mir klar. Ich hatte ganz sicher schon abgenommen, meine Hose saß lockerer als sonst und die Muskeln an meinem Arm traten ein winziges bisschen zu deutlich unter der haut hervor. Und irgendwo hier in der Nähe kochte auch jemand etwas, das Fleisch und Zwiebeln enthielt und sicher weit besser schmeckte als alles, was wir in den letzten zwei Wochen gegessen hatten. Aber trotzdem konnte ich mich nicht aufraffen, jetzt aufzustehen und danach zu suchen.
Ich schaffte es gerade so, den Mantel auszuziehen und mir über die Beine zu legen, damit er ein wenig trocknete, auch wenn mir darunter dann kälter wäre, als wenn ich das Ding einfach weglegen würde. Aber Diebe waren hier genauso schnell wie überall anders auch. Also blieb er bei mir, so dass ich seinen Verlust gleich merken würde.

Und lehnte da an der Wand, mit geschlossenen Augen und auf der Suche nach Ruhe vor all den Gedanken in meinem Kopf. Vor der weiteren Reiseplanung, und vor der Frage, ob wir Vorräte bekommen würden, die ausreichend wären. Ich wollte mir keine Gedanken machen müssen über die weiteren Gefahren. Über Römer, über Räuber, über die Stämme hier. Über Hochwasser an den Flüssen, weil es doch recht ausgiebig regnete und wo wir die Flüsse vor uns überqueren könnten. Über Gebirge und Felsrutsche und Wolfsrudel und Bären. Über die Gesundheit der anderen, ihren Schlaf, Verletzungen, Erschöpfung. Ihre verdammten Hintern und deren Belastbarkeitsgrenze. Darüber, wie Fintan mir das alles am nächsten Tag noch so viel schwerer machen würde, als es ohne ihn sowieso schon wäre. Ich wollte einfach nur einmal wieder Ruhe in meinem Kopf.

Und ich wollte nicht über die anderen Dinge nachdenken. Beltane war vorbei, und nicht, dass ich daran hätte teilnehmen wollen, hatte ich doch an das letzte Jahr denken müssen. An Dunduvan und Niamh, wie sie das Lager geteilt hatten. Jetzt waren beide weg. Dunduvan war tot, und Niamh… nun, sie war die Art Mädchen, die wohl nicht lange allein blieben. Bestimmt hatte sie dieses Beltane schon bei einem anderen gelegen und mich vergessen. Weil sie mich angelogen hatte, das war mir inzwischen klar. Oh, nicht absichtlich oder böswillig, aber doch hatte sie gelogen.
Sie hatte behauptet, dass einfach nur ich ihr genug wäre. Einfach nur bei mir zu sein. Dass sie mich liebte. Aber das stimmte nicht. Es stimmte bei ihr so wenig wie bei allen anderen. Sie hatte nie mich geliebt, nie mich gewollt. Sie hatte das Bild geliebt, das sie von unserer Zukunft hatte, und sie hatte mich gebraucht, aber das war etwas vollkommen anderes, als jemanden wirklich zu lieben. Sie wollte ein einfaches, glückliches, fröhliches Leben voller feste, Gesang und einer Familie. Keine Sorgen. Keine Geheimnisse. Verdenken konnte ich ihr das nicht, das wollten viele Leute. Aber das war einfach nicht ich, das war nicht das, was es gab, wenn man mit mir zusammen war. Und daher hatte sie immer weiter gesucht nach dem, was sie brauchte und wollte, so lange, bis sie das, was wir hatten, zerrissen und zerstört hatte und sie mir die Schuld daran dann geben konnte. Ich verstand das jetzt, ich hatte es eigentlich immer gewusst, hatte es besser gewusst. Und trotzdem hatte ich mich darauf eingelassen und darauf, dass es mir wieder weh tun würde. Wie immer.
Doch obwohl ich das alles wusste, hieß das nicht, dass es weniger weh tat. Obwohl ich wusste, dass es nie anders hätte sein können, hieß das nicht, dass ich nicht die Momente vermissen konnte, in denen auch ich beinahe geglaubt hatte, dass ich glücklich sein könnte. Dass ich gut genug wäre. Dass sie wirklich mich sehen würde, und nicht nur einfach einen Retter suchte.
Und scheiße, ja, ich vermisste auch den Sex. Ich war ein nicht ganz 19 Jahre alter Kerl, und es half ganz sicher nicht, tagelang von Fintan zu hören, wen er wie und wo gevögelt hatte oder noch vögeln wollte, so wie er jetzt auch wieder genau deshalb losgezogen war, für bedeutungslosen Sex, für den er keinerlei Verantwortung übernehmen würde wie eben bei allem anderen auch.

Nein, Verantwortung hatte immer nur ich, mein ganzes Leben lang und jetzt noch viel mehr. Ob es mich erdrückte, ob ich es kaum mehr ertragen konnte, ob ich einfach nur einmal auch ausruhen wollte. Alles egal.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
05-27-2024, 09:44 AM,
Beitrag #44
RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg
(05-26-2024, 11:21 AM)Fintan schrieb: Es war selten, dass Fintan etwas nicht wusste. Auch, wenn keiner ihm berichtete, schien er immer Informationen zu haben. Er behauptete als Kind immer steif und fest, die Vögel und den Wind zu verstehen - wie Cathbad. Doch von dem, was Alun getan hatte, wusste er nichts. Hätte er es, hätte dies etwas geändert? Auch ohne diese Erfahrung blieb seinem Bruder noch genügend Schmerz - wie ihnen allen.
"Glaubst du, dass wir wieder zusammen sind?", wollte er wissen. "Manchmal frage ich mich, ob Cal Recht hatte... Cathbad will nicht, dass wir leben... Warum sollten die Götter wollen, dass wir in die jenseitige Welt kommen?" Es hatte für Fintan stets festgestanden, dass ihre Lebenszeit auf Erden dadurch bemessen war, wie lange sie für ihre Aufgabe brauchten. Oder wie lang es dauerte, bis sie dabei draufgingen. Wenn es nach Cathbad ging, würde es für sie kein Nachleben geben, ganz gleich welchen Glaubens. Kein Wandeln in den Hainen der Anderswelt, den Weiten der Unterwelt oder in den Gefilden der Binsen - oder was dort draußen noch so existieren mochte. Der Druide hatte es geschafft, all seinen Hass für die Römer auf die sieben Jungen unter seinem Fittich zu übertragen. Fintan fand den Gedanken nicht abwegig, dass der Alte für ihren Fall in das ewige Vergessen betete. Sie würden ihre Mütter selbst im Tod nicht wiedersehen. Aber wenn dem so war... dann ja vielleicht Dunduvan? Auf dass sie zu siebt gemeinsam durch die Leere fallen konnten.
Vielleicht war es falsch, so zu denken. Doch bei Calum war er sich nicht sicher. Dessen Mutter wollte ihn selbst im Tod vermutlich nicht mehr sehen. Ob Alun das wusste?

"Entschuldige", murmelte er. "Ich sollte sowas nicht sagen... Mann... Dabei sollte ich doch euch trösten... Tut mir leid."
Beschämt wandte er den Blick ab und sah hinaus in die Nacht. Diese war inzwischen undurchdringlich. Zu regnen hatte es auch wieder begonnen, wenn auch nicht so stark wie zuvor.
"Willst du zurück? Ich... Ich mache dir auch gern Platz. Heu haben wir genug", sagte er und rutschte ein Stück, damit sie, wenn Alun wollte, beide bequem liegen konnte. "Müssen wirklich langsam schlafen. Lou peitscht uns morgen sicher wieder den ganzen Tag... So viel zum Badehaus. Wenn wir die Römer vertrieben haben... also, das warme Wasser werde ich schon vermissen."
Ich hielt Fintan nun noch etwas fester und nickte. "Ja, das glaube ich!" Zumindest hatte das mir meine Mutter immer erzählt, wenn ich traurig war, denn ich hatte schon immer gewusst, dass unser gemeinsamer Weg nicht von langer Dauer sein würde. Ich hatte meine Mutter nur als kränkliche und melancholische Frau gekannt, die oft aus unerfindlichen Gründen weinte. Sie hatte nicht die Kraft mit mir zu spielen, so wie die meisten anderen Mütter. Doch die wenigen Momente, in denen sie gelächelt hatte, waren für mich das Zeichen, dass sie mich liebte. Ob sie es wirklich tat, hatte sie mir nie direkt gesagt.

Jeder von uns hatte sich so seine Gedanken über die eigene Existenz gemacht. Das war ganz normal. Durch den frühen Tod unserer Mütter und das Wissen um unsere Herkunft, fielen diese Gedanken meist negativ aus. Keiner von uns rechnete mit einem langen glücklichen Leben. Das hatte uns Cathbad immer wieder suggeriert. Doch ich sah für mich darin kein Hindernis, weshalb nicht auch die Anderswelt für uns offen stehen sollte. "Die Götter messen uns an unseren Taten, nicht daran, dass wir durch Gewalt und Schande entstanden sind, Fin," antwortete ich ihm geradeaus, weil es meiner Überzeugung entsprach. Doch dann musste ich wieder an Prisca denken. Ich hatte mich mit einer Römerin eingelassen und schlimmer noch! Ich hatte meinen Samen in sie gepflanzt und er gedieh nun in ihr. Zu allem Übel war sie auch noch die Schwester des Vergewaltigers meiner Mutter! Wenn mich die Götter nun schon so zu Lebzeiten straften, wie sollten sie mir den Einlass in die Anderswelt gewähren? Die plötzliche Niedergeschlagenheit, die ich nun empfand, wollte ich mir vor Fintan nicht anmerken lassen, denn eigentlich wollte ich ihn doch trösten!
Er murmelte eine Entschuldigung, als hätte er doch gemerkt, was gerade in mir vorging. "Schon gut, Fin!" brachte ich heraus und wieder war da das Gefühl der Hoffnungslosigkeit, die mich umfing. Fintan wandte sich von mir ab und starrte in die Dunkelheit. Draußen hatte es schon wieder zu regnen begonnen und wenn ich an die Rückkehr in die Herberge gedacht hatte, wollte ich nun lieber hier bei meinem Bruder bleiben, damit ich nicht alleine war. 
"Ich würde gerne hier bleiben, wenn es dir Recht ist." Er rutschte zur Seite und machte mir Platz, den ich gerne in Anspruch nahm. Es stimmte, was er sagte, wir mussten nun endlich ein bisschen schlafen. doch als er meinte, dass er das warme Wasser vermissen würde, wenn wir die Römer vertrieben hatten, musste ich lachen. "Ja, Das stimmt! Die Badehäuser müssen wir unbedingt beibehalten!" Nun hatte mein Bruder es doch geschafft, dass ich mit einem Lächeln auf den Lippen in einen tiefen und traumlosen Schlaf fiel.
[Bild: 3_16_10_23_1_09_34.png]
Als "Lucius Tarutius Corvus"
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
Zitieren
 
05-27-2024, 05:40 PM,
Beitrag #45
RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg
Wenn sie an ihren Taten gemessen wurden, dachte Fintan, dann würde er vermutlich nicht bekommen was er wollte. Er hatte es nicht geschafft, stark zu bleiben und die Last seiner Brüder zu tragen. Er schämte sich, gegenüber Alun eingeknickt zu sein. Er hatte gedacht, die Abneigung und den Hass ertragen zu können, wenn das hieß, dass es für die anderen eine kurze Ablenkung war. Doch er war schlussendlich eingeknickt. Nach 11 Jahren hatte es nicht mehr gereicht.
Und doch, dachte er, während er den schlafenden Alun neben sich betrachtete, es war eine Erleichterung, seinen Bruder hier neben sich zu wissen, statt bei den anderen. Und er wusste die Geste zu schätzen. Auch Fintan lächelte, denn Alun war bei ihm.

Der nächste Morgen kam. Fintan erwachte und war erfreut, dass Alun noch da war. Er gähnte lautlos und beseitigte die Palme in seinem Haar. Er fühlte eine wohlige Müdigkeit, denn sie hatten nach über einer Woche mal wieder bequemer geschlafen. Er beobachtete Alun eine Weile, bevor er merkte, dass das vermutlich gruslig war. Er erhob sich, streichelte über den Kopf eines der Pferde und dachte nach. Was würde jetzt geschehen? Würde sich alles ändern, jetzt wo Alun um seine wahre Natur wusste? Würde er Louarn und Cinead davon erzählen? Wobei... Er hatte das Gefühl, dass Cin bereits wenigstens etwas ahnte.
Sollte er es sagen? Offen sein? Würde Lou ihm überhaupt glauben? Fintan wusste es nicht. Er wusste selten, wo es hin ging. Doch jetzt war das erste Mal, dass er sich verloren fühlte. Welche Rolle hatte er, wenn er seine bisherige nicht mehr erfüllen konnte? Kein geheimer Fürsorger mehr war, getarnt als Narr. War der Narr dann alles, was übrig blieb?
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
05-29-2024, 04:36 PM,
Beitrag #46
RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg
(05-26-2024, 05:40 PM)Louarn schrieb: Alle stieben sie auseinander wie Kühe auf einer Weide. So wirklich verdenken konnte und wollte ich es ihnen nicht, denn das hier war das erste Mal ein klein wenig Zivilisation und Pause seit zwei Wochen, und vermutlich würde es auch der einzige solche Halt für zwei Wochen bleiben. Wir hatten die Pferde im Stall unterstellen dürfen, unsere Habseligkeiten in einem Lager unterstellen und Stroh in der Herberge bekommen, also konnte jetzt quasi jeder tun, was er wollte, und das war offensichtlich weit weg von mir.
“Falls irgendwer Hilfe braucht, weckt mich“, sagte ich nur und ging zu der Herberge. Es war gerade einmal früher Nachmittag, also viel zu früh, um zu schlafen, und eigentlich sollte ich besser auch baden, essen und ein paar Annehmlichkeiten genießen, aber ich war zu müde. Zu müde von der vielen Verantwortung auf meinen Schultern, von der Wachsamkeit, zu müde von den vorwurfsvollen Blicken und dem Gejammere und Gestöhne, und definitiv viel zu müde von Fintans ständigen Störungen und Versuchen, mir meine Aufgabe noch so viel schwerer zu machen, als sie sowieso schon war. Als ob ich mir ausgesucht hätte, das hier zu machen. Als ob ich mir ausgesucht hätte, sie alle nach Norden zu geleiten und für ihre Sicherheit zu sorgen. Als ob ich nicht auch gerade mal nicht ganz 19 Jahre alt war. Aber natürlich nahm niemand darauf Rücksicht. Natürlich behandelten mich alle, als wär ich ihr Feind und würde nur den ganzen Spaß verderben. Natürlich wollten daher jetzt alle weg von mir.

Ich ging in die Herberge und ließ mich an einer Wand hinunter und lehnte mit dem Rücken einfach dagegen und schloss die Augen. Ich sollte etwas essen, das war mir klar. Ich hatte ganz sicher schon abgenommen, meine Hose saß lockerer als sonst und die Muskeln an meinem Arm traten ein winziges bisschen zu deutlich unter der haut hervor. Und irgendwo hier in der Nähe kochte auch jemand etwas, das Fleisch und Zwiebeln enthielt und sicher weit besser schmeckte als alles, was wir in den letzten zwei Wochen gegessen hatten. Aber trotzdem konnte ich mich nicht aufraffen, jetzt aufzustehen und danach zu suchen.
Ich schaffte es gerade so, den Mantel auszuziehen und mir über die Beine zu legen, damit er ein wenig trocknete, auch wenn mir darunter dann kälter wäre, als wenn ich das Ding einfach weglegen würde. Aber Diebe waren hier genauso schnell wie überall anders auch. Also blieb er bei mir, so dass ich seinen Verlust gleich merken würde.

Und lehnte da an der Wand, mit geschlossenen Augen und auf der Suche nach Ruhe vor all den Gedanken in meinem Kopf. Vor der weiteren Reiseplanung, und vor der Frage, ob wir Vorräte bekommen würden, die ausreichend wären. Ich wollte mir keine Gedanken machen müssen über die weiteren Gefahren. Über Römer, über Räuber, über die Stämme hier. Über Hochwasser an den Flüssen, weil es doch recht ausgiebig regnete und wo wir die Flüsse vor uns überqueren könnten. Über Gebirge und Felsrutsche und Wolfsrudel und Bären. Über die Gesundheit der anderen, ihren Schlaf, Verletzungen, Erschöpfung. Ihre verdammten Hintern und deren Belastbarkeitsgrenze. Darüber, wie Fintan mir das alles am nächsten Tag noch so viel schwerer machen würde, als es ohne ihn sowieso schon wäre. Ich wollte einfach nur einmal wieder Ruhe in meinem Kopf.

Und ich wollte nicht über die anderen Dinge nachdenken. Beltane war vorbei, und nicht, dass ich daran hätte teilnehmen wollen, hatte ich doch an das letzte Jahr denken müssen. An Dunduvan und Niamh, wie sie das Lager geteilt hatten. Jetzt waren beide weg. Dunduvan war tot, und Niamh… nun, sie war die Art Mädchen, die wohl nicht lange allein blieben. Bestimmt hatte sie dieses Beltane schon bei einem anderen gelegen und mich vergessen. Weil sie mich angelogen hatte, das war mir inzwischen klar. Oh, nicht absichtlich oder böswillig, aber doch hatte sie gelogen.
Sie hatte behauptet, dass einfach nur ich ihr genug wäre. Einfach nur bei mir zu sein. Dass sie mich liebte. Aber das stimmte nicht. Es stimmte bei ihr so wenig wie bei allen anderen. Sie hatte nie mich geliebt, nie mich gewollt. Sie hatte das Bild geliebt, das sie von unserer Zukunft hatte, und sie hatte mich gebraucht, aber das war etwas vollkommen anderes, als jemanden wirklich zu lieben. Sie wollte ein einfaches, glückliches, fröhliches Leben voller feste, Gesang und einer Familie. Keine Sorgen. Keine Geheimnisse. Verdenken konnte ich ihr das nicht, das wollten viele Leute. Aber das war einfach nicht ich, das war nicht das, was es gab, wenn man mit mir zusammen war. Und daher hatte sie immer weiter gesucht nach dem, was sie brauchte und wollte, so lange, bis sie das, was wir hatten, zerrissen und zerstört hatte und sie mir die Schuld daran dann geben konnte. Ich verstand das jetzt, ich hatte es eigentlich immer gewusst, hatte es besser gewusst. Und trotzdem hatte ich mich darauf eingelassen und darauf, dass es mir wieder weh tun würde. Wie immer.
Doch obwohl ich das alles wusste, hieß das nicht, dass es weniger weh tat. Obwohl ich wusste, dass es nie anders hätte sein können, hieß das nicht, dass ich nicht die Momente vermissen konnte, in denen auch ich beinahe geglaubt hatte, dass ich glücklich sein könnte. Dass ich gut genug wäre. Dass sie wirklich mich sehen würde, und nicht nur einfach einen Retter suchte.
Und scheiße, ja, ich vermisste auch den Sex. Ich war ein nicht ganz 19 Jahre alter Kerl, und es half ganz sicher nicht, tagelang von Fintan zu hören, wen er wie und wo gevögelt hatte oder noch vögeln wollte, so wie er jetzt auch wieder genau deshalb losgezogen war, für bedeutungslosen Sex, für den er keinerlei Verantwortung übernehmen würde wie eben bei allem anderen auch.

Nein, Verantwortung hatte immer nur ich, mein ganzes Leben lang und jetzt noch viel mehr. Ob es mich erdrückte, ob ich es kaum mehr ertragen konnte, ob ich einfach nur einmal auch ausruhen wollte. Alles egal.

Anwen hatte tatsächlich ein ruhiges Plätzchen am Fluss gefunden, ein kleines Refugium, wo sie für sich war und von keinem Römer bedrängt wurde. Dort, im sanften Murmeln des hahinfließenden Flusses, hatte sie nicht nur ihren Körper und einen Teil ihrer Kleidung reinigen können, sondern hatte sich auch für einen Moment fallen lassen können, damit die Anspannung von ihr abfiel. Lediglich ihren Mantel, den sie sich nach dem Waschen wieder überzog, hatte sie nicht gereinigt.
Das Wasser war nicht mehr ganz so kalt wie noch vor einigen Wochen, ein Zeichen dafür, dass die Jahreszeiten wechselten, auch wenn das Leben unter römischer Herrschaft gleichbleibend hart blieb. Doch nun musste sie einen geeigneten Platz finden, wo sie ihre Wäsche trocknen konnte. Hätte sie ein Lagerfeuer gehabt, wäre es wahrscheinlich einfacher gewesen – und wärmer.
Mit der nassen Wäsche unter dem Arm geklemmt und den Händen, die ihre Mantelkanten zusammenhielten, damit niemand ihre Nacktheit erblickte, huschte sie zurück zur Herberge. Ihr Herz schlug schnell, nicht nur wegen der Kälte, sondern auch wegen der Angst vor den Römern, deren Augen sie stets zu spüren glaubte.
Argwöhnisch gegenüber allem Römischen, betrat sie wieder den Schlafraum und sah sich um. Manche derer, die hier übernachteten, hatten sich schon zur Ruhe gebettet, ihre Atemzüge gleichmäßig und tief. Andere schienen noch lange nicht ans Schlafen zu denken, ihre Stimmen ein leises Summen in der Dunkelheit. Es dauerte eine Weile, bis ihre Augen Louarn fanden. Er hockte mit dem Rücken zur Wand gelehnt und hielt seine Augen geschlossen. Seine Präsenz hatte etwas Beruhigendes an sich. Er war wie ein Fels in der Brandung, der einem Halt bieten konnte.
Sie ging zu ihrem Platz und breitete dort ihr Kleid zum Trocknen aus. Sie selbst würde sich wohl mit einem weitaus kleineren Schlafplatz für die Nacht zufriedengeben müssen. Vielleicht war Louarns Methode, im Sitzen zu schlafen, doch eine gute Alternative! Sie suchte sich ihren Weg zu ihm.
"Ist es dir recht, wenn ich mich hier hinsetze?", fragte sie leise, bevor sie sich setzte. "An meinem Platz habe ich mein Kleid zum Trocknen ausgelegt."
[Bild: 1_22_10_22_8_51_02.png]
[Bild: 3_15_08_22_9_39_13.png]
Zitieren
 
05-29-2024, 05:11 PM,
Beitrag #47
RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg
Wie ein Hund folgte Rhian dem rothaarigen Louarn. Direkt hinein in die Herberge, in der sich bereits einige weitere Menschen tummelten. Schweigend suchte sie sich auch schon eine halbwegs ruhige Ecke und bereitete dort ihren Umhang aus. Hoffentlich würde sie hier ein paar Stunden Erholung finden. Erholung vor allem für ihren geschundenen Körper und ihre Finger, welche gerötet waren und leicht schmerzten. Beim Anblick ihrer Hände musste Rhian leicht vor sich hin schmunzeln. Würde sie in ihrem neuen zu Hause noch immer die Möglichkeit haben, zu reiten und sich den Wind um die Nase wehen zu lassen? Was werden ihre Aufgaben, als zukünftige Regentin der Briganten sein? Bei diesem gedanklichen Zwiegespräch spürte Rhian wie ihr ein Schauer über den Rücken rieselte. Um sich auf andere Gedanken zu bringen, konzentrierte sich das Mädchen auf ihre Begleiter, auch wenn diese miteinander beschäftigt waren und begonnene Gespräche würde Rhian sowieso nicht stören. So blieb das Mädchen für sich. Auch wenn sie Anwen folgen könnte, die ihre Schritte durch die Türe der Herberge nach draußen lenkte. Jenen Gedanken verwarf Rhian dann auch schon, vielleicht wollte Anwen auch einfach für sich sein. Vielleicht gingen ihr auch so viele Gedanken durch den Kopf, wie es bei Rhian selbst der Fall war. Schließlich legte sich Rhian auf ihren Mantel und drehte ihren Kopf in Richtung der Wand. Irgendwie musste sie versuchen den Geräuschpegel auszublenden, um wenigstens ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. Denn morgen saß sie wieder im Sattel und würde wohl einen jeden ihrer Muskeln spüren.
[Bild: 1_09_09_23_10_22_31.png]
[Bild: 3_15_08_22_9_39_13.png]
Zitieren
 
05-29-2024, 06:37 PM,
Beitrag #48
RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg
Ich musste eingeschlafen sein, zumindest für eine Weile. Ich hatte zumindest nicht mitbekommen, wie Anwen zurückgekommen war und bemerkte sie erst, als sie mich ansprach und sich dann schon neben mir an der Wand herunterließ. Etwas verschlafen blinzelte ich kurz und rückte leicht hin und her. Nicht dass ich Platz machen musste, hier war jede Menge Platz, aber um die Anspannung aus meinen Knochen zu bekommen und wacher zu werden. “Klar“, sagte ich mit vom Schlaf belegter Stimme und es brauchte einen Moment, alles gesagte zu verarbeiten. Ihr Kleid war zum Trocknen ausgelegt. Hieß das, sie war nackt? Irgendwie war ich grade einen Moment schneller wach als noch zuvor und schwer damit beschäftigt, nicht ausgerechnet darüber nachzudenken.
Als sie sich neben mich setzte, wollte mein Arm sich schon gewohnheitsmäßig um sie legen, bis ich merkte, was ich da tat. Was dazu führte, dass ich in einem ziemlich ungelenken Gähnen den schon erhobenen Arm weiter nach oben streckte, zusammen mit dem zweiten, und meine Schultern so leicht knacken ließ, ehe ich beide Arme verdammt sittsam wieder auf meinen Knien parkte und dort ruhen ließ. Lag bestimmt alles daran, dass ich so viel an Beltane und Niamh gedacht hatte, und wie sehr ich ehrliche, weibliche Gesellschaft vermisste – auch wenn ich ehrliche weibliche Gesellschaft nie wirklich gekannt hatte. Also ein paar wollten schon einfach nur mit mir vögeln und nichts weiter, aber auch das fühlte sich nicht wirklich gut an.

“Wo ist Rhian?“ fragte ich daher mit einem leichten Räuspern, um mich aus der etwas peinlichen Position zu befreien und blickte mich um. “Ah“, machte ich dann auch gleich, als ich sie erspähte. Sie lag nicht weit weg von mir und schlief, und ich war beruhigt, dass mein eigenes Nickerchen sie nicht irgendwie in Gefahr gebracht hatte. “Der Rest ist noch unterwegs?“ erkundigte ich mich leise nach meinen Brüdern. Würde mich nicht wundern, wenn Fintan die ganze Nacht irgendwo einen Platz zum Feiern und Saufen gefunden hätte und Alun da gleich mit reingezogen hätte. Cinead vielleicht auch, wobei ich bei dem eher an einen spontanen Jagdausflug dachte.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
05-29-2024, 08:09 PM,
Beitrag #49
RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg
Ich genoss die Einsamkeit am Fluss und ließ mich ein wenig in der Sonne trocknen nach dem Plantschen und dabei fielen mir erst jetzt die schwarzen Kiesel auf, die es an dieser Stelle des Flussbettes gab. Ich kannte diese Art der Kieseln und erinnerte mich daran, wie unsere Mütter und die anderen Priesterinnen sie oft in den Händen hielten - auch wenn ich mich nicht mehr erinnern konnte, was sie damit getan hatte. So beschloss ich nochmal ins Wasser zu waten und zwei, drei Dutzend der kleinen Kiesel einzusammeln für die Frauen. 

Als ich die kleinen Kiesel aus der Masse am Flussbett klaubte, machte ich noch eine weitaus interessantere Entdeckung für mich. Eingegraben im Sand und Schlamm unter den Kieseln waren Muscheln. Mir lief jetzt schon das Wasser im Mund zusammen als ich an einen kräftigen Eintopf mit den Muscheln und den kleinen Krebsen dachte. Das würde ein Festmahl werden, wenn die Wirtin halbwegs kochen konnte. Ich verlagerte meine Pläne direkt danach und beschloss ohne Umwege in die Herberge zurück zu kehren mit meinem Ledereimer voll kleinen Krebsen und Muscheln in einer Hand und meinen noch feuchten Klamotten in der anderen Hand. Zumindest zog ich eine Unterbuchse an, damit sich niemand an meinem Anblick störte. 

Trotz der Unterbuchse gafften einige von den Dörflern, als hätten sie noch nie andere Leute gesehen, als ich mit meinen Sachen unter dem Arm wieder in der Herberge aufschlug. Ohne Umwege ging ich zur Küche, wo auch die Wirtin war und brachte ihr meine Leckerbissen. Zuerst wollte sie eine kleine Münze für die Zubereitung, aber ich schenkte ihr auch eine Portion von meinem Dörrfleisch für ihre Mühen und schon war sie milder gestimmt und versprach, dass der Eintopf zum Abendessen fertig sein würde für uns. 

Erst dann kehrte ich in den Schankraum zurück und breitete auch meine Sachen zum Trocknen aus, wobei der kleine Beutel mit den Kieseln aus meinem Kleiderbündel fiel. Ich erinnerte mich daran, dass ich die Kiesel den Frauen bringen wollte. Ich teilte sie in zwei kleine Häufchen á 15 Kiesel auf und legte ein Häufchen in ein kleines Stück Tuch geschlagen und mit einer Schnur zusammengebunden neben die schlafende Rhian und warf Anwen den anderen kleinen Beutel zu. Die Kiesel waren glänzend schwarz und mit silbern und golden gesprenkelten Venen durchzogen im Gegensatz zu den meist eher grauen und bläulichen Bachkieseln, die man sonst so fand. Danach machte ich es mir bequem und döste auch noch ein wenig.
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
[Bild: 3_15_08_22_9_38_19.png]
Zitieren
 
05-30-2024, 05:20 AM,
Beitrag #50
RE: Reise nach Norden - Eine Braut auf dem Weg
(05-27-2024, 05:40 PM)Fintan schrieb: Wenn sie an ihren Taten gemessen wurden, dachte Fintan, dann würde er vermutlich nicht bekommen was er wollte. Er hatte es nicht geschafft, stark zu bleiben und die Last seiner Brüder zu tragen. Er schämte sich, gegenüber Alun eingeknickt zu sein. Er hatte gedacht, die Abneigung und den Hass ertragen zu können, wenn das hieß, dass es für die anderen eine kurze Ablenkung war. Doch er war schlussendlich eingeknickt. Nach 11 Jahren hatte es nicht mehr gereicht.
Und doch, dachte er, während er den schlafenden Alun neben sich betrachtete, es war eine Erleichterung, seinen Bruder hier neben sich zu wissen, statt bei den anderen. Und er wusste die Geste zu schätzen. Auch Fintan lächelte, denn Alun war bei ihm.

Der nächste Morgen kam. Fintan erwachte und war erfreut, dass Alun noch da war. Er gähnte lautlos und beseitigte die Palme in seinem Haar. Er fühlte eine wohlige Müdigkeit, denn sie hatten nach über einer Woche mal wieder bequemer geschlafen. Er beobachtete Alun eine Weile, bevor er merkte, dass das vermutlich gruslig war. Er erhob sich, streichelte über den Kopf eines der Pferde und dachte nach. Was würde jetzt geschehen? Würde sich alles ändern, jetzt wo Alun um seine wahre Natur wusste? Würde er Louarn und Cinead davon erzählen? Wobei... Er hatte das Gefühl, dass Cin bereits wenigstens etwas ahnte.
Sollte er es sagen? Offen sein? Würde Lou ihm überhaupt glauben? Fintan wusste es nicht. Er wusste selten, wo es hin ging. Doch jetzt war das erste Mal, dass er sich verloren fühlte. Welche Rolle hatte er, wenn er seine bisherige nicht mehr erfüllen konnte? Kein geheimer Fürsorger mehr war, getarnt als Narr. War der Narr dann alles, was übrig blieb?

Dies war die erste Nacht seit unserer Abreise, in der ich wirklich tief und fest schlief. Nicht allein die Wärme und Trockenheit des Stalls waren der Grund dafür. In dieser Nacht waren die quälenden Träume fern geblieben, die mich sonst aus dem Schlaf zu reißen drohten. Weder Prisca noch ihr verstorbener Bruder spukten durch meinen Kopf. Nichts davon. Nur Stille und Harmonie hatten mich in ihrem sanften Griff umschlungen gehalten.
 
Als ich am Morgen erwachte, wurde mir sogleich bewusst, dass ich noch immer im Stall lag. Lediglich mein Bruder war nicht mehr an meiner Seite. Er musste bereits aufgestanden sein. Ich gähnte ausgiebig und streckte mich lang, bevor ich aufstand, meine Kleidung zurechtrückte und die Strohhalme aus meinem Haar klopfte.
 
Fintan war noch da, seine Hand strich sanft über das Fell eines der Pferde. "Guten Morgen, Fin!", rief ich ihm noch halb im verschlafen zu. Nach den Ereignissen des gestrigen Abends war ich unsicher, wie es nun weitergehen würde. Würde Fintan sich auch den anderen Brüdern anvertrauen und ihnen offenbaren, was er mir mitgeteilt hatte? Oder erwartete er, dass ich das für ihn tun sollte? Letzteres würde ich nur tun, wenn er es wünschte. Sollte es ein Geheimnis zwischen uns bleiben, würde ich es bewahren. Ich konnte mir gut vorstellen, dass es ihm nicht leicht fallen würde, mit Louarn zu sprechen. Bei den Zwillingen war ich mir selbst nicht so sicher. "Wie fühlst du dich heute?" fragte ich ihn.
[Bild: 3_16_10_23_1_09_34.png]
Als "Lucius Tarutius Corvus"
[Bild: 1_22_10_22_8_56_52.png]
Falke
Zitieren
 


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 4 Gast/Gäste