01-27-2025, 07:26 PM,
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Nicander
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RE: Cubiculum | Regeln einer (glücklichen) Ehe
Norbana Orestillas Kummer wog so schwer wie ein Mühlstein um meinen Hals. Und die Enttäuschung des Herren hatte auch ich gesehen. Dennoch war das nicht das Gleiche. Denn während eine Ehefrau für einen Ehemann Mittel zur Familiengründung und ein wichtiger Teil seines Lebens war, war der Ehemann für eine junges römisches Mädchen das ganze Leben. Wir waren daher nicht gleich, und die Gleichheit, die durch diese Entscheidung geschaffen werden sollte, war nur eine Illusion. Ich stand also dazwischen, und ich hätte nichts lieber getan, als Orestillas Hand in die von Dominus Leander gelegt, obwohl ich sie liebte - nein, weil ich sie liebte.... doch wie stand es mit ihren Gefühlen? Jetzt weinte sie, und sie fühlte sich schuldig.
"Liebste und beste Domina, es gibt nichts, was dir leid tun müsste", sagte ich mit einem traurigen Lächeln:
"Die Liebe ist es, die mit so viel Verwirrtheit dahergeht. Venus Sohn Amor ist dabei noch der einfachste von allen. Der Herr liebt dich, so habe ich es dir gesagt. Doch verrate deinem Nicander: Wie sehr liebst du deinen Ehemann?
Wie Baucis ihren Philemon in alten Zeiten liebte?" Und leise fing ich mit dem Gedicht an, wie Iuppiter und Mercur an das Häuschen des alten Ehepaars kommen und beide in Harmonie und Eintracht finden....
doch es schien mir, als konnte ich diesmal meine liebste Herrin nicht mit Poesie fesseln. Die schönen Worte waren purer Schall, wenn doch der Leib etwas ganz anderes wollte. Ich unterbrach mich:
"Schickst du mich fort? ", fragte ich und schaute zu ihr, in ihr liebliches Gesicht, in ihre sanften Augen, in denen silbrig Tränen glänzten. Wie konnte man nicht davon gerührt sein?
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01-29-2025, 08:05 PM,
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RE: Cubiculum | Regeln einer (glücklichen) Ehe
Nicander sprach mit einer Sanftheit, die mich sehr berührte. Seine Worte waren so sorgsam gewählt und schienen die Luft zwischen uns mit einer unerträglichen Schwere zu füllen. Die Frage, wie sehr ich meinen Ehemann liebte, traf etwas in mir, das ich nicht so einfach beantworten konnte.
"Wie sehr ich ihn liebe?" wiederholte ich seine Frage, fast mehr zu mir selbst als zu ihm, und suchte nach einer Antwort. Mein Blick senkte sich auf meine Hände, die in meinem Schoß ruhten. Sie zitterten leicht.
"Leander … Der Dominus ist ein guter Mann. Ich sehe, dass er mir nur Gutes will, dass er mir Raum gibt und mich nicht bedrängt." Ich hielt inne und ließ meinen Blick über Nicanders Gesicht gleiten, das so viel mehr verriet, als Worte es je könnten. "Dafür bin ich ihm auch sehr dankbar. Aber.."Ich spürte, wie die Tränen in meinen Augen brannten. "Aber ich kenne ihn doch kaum. Und ich weiß nicht, ob ich jemals so fühlen kann, wie ich fühlen sollte," schluchzte ich. Doch nach einer Weile brach es aus mir heraus."Er macht es mir aber auch nicht sehr einfach. Warum sagt er nie etwas ... liebevolles zu mir? In seiner sachlichen und nüchternen Art wirkt er manchmal so kühl und ... und unnahbar. Wie soll ich da etwas für ihn empfinden?".“ Die Wahrheit auszusprechen war wie ein Stich ins Herz, und ich fühlte mich schuldig, obwohl ich wusste, dass ich nichts falsch gemacht hatte.
"Nicander," unterbrach ich ihn, bevor er weitersprechen konnte. Meine Stimme war brüchig, aber fest genug, um ihn innehalten zu lassen. "Leander ist sehr nett. Er hat mir geholfen und dafür bin ich ihm dankbar und ich respektiere ihn. Aber … ist das Liebe?" Ich sah ihn an, suchte in seinem Blick nach einer Antwort, die ich selbst nicht finden konnte. "Ich weiß es nicht. Und diese Ungewissheit … sie macht mich fertig."
Die Stille, die folgte, legte sich schwer auf meine Schultern. Nicander sah mich an, sein Blick voller Verständnis und doch auch von etwas anderes. Vielleicht war es Schmerz. Ich war mir nicht sicher.
Als er mich fragte, ob ich ihn fortschicken würde, schüttelte ich energisch den Kopf. "Nein, Nicander. Ich könnte das niemals übers Herz bringen. Ich brauche dich doch." Hätte er mich gefragt, ob ich ihn liebe, wäre es mir leichter gefallen, ihm zu sagen, dass ich für ihn etwas empfand. Meine Stimme brach, und ich senkte den Blick. "Aber es ist falsch. Alles daran ist falsch."
Wäre ich ein Vernunftsmensch, wie Lander, wäre nun wahrhaftig der richtige Moment gewesen, um Nicander hinauszubefehlen. Doch ich wollte, dass er blieb. Dass er mich tröstete. Dass er mir half, die Verwirrung in meinem Inneren zu ordnen, auch wenn ich nicht wusste, ob das möglich war. Oder ob es mich nur noch weiter ins Ungewisse stürzen würde. "Vielleicht werde ich irgendwann lernen, Leander so zu lieben, wie er es verdient. Aber bis dahin… ich brauche einfach Zeit."
Die Stille, die auf meine Worte folgte, war wie ein dunkler Schleier, der uns beide umhüllte.
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Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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02-02-2025, 03:20 PM,
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Nicander
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RE: Cubiculum | Regeln einer (glücklichen) Ehe
ihr Götter, ihr Musen, ihr Himmlichen, war ich denn aus Stein? Für was wurde ich aus Fleisch und Blut geschaffen, wenn mich diese Worte ungerührt lassen sollten? Die schönste Blume von Iscalis, meine Liebe, sie saß auf ihrem Ehebett und klagte mir ihr Herzensleid:
"Leander … Der Dominus ist ein guter Mann. Ich sehe, dass er mir nur Gutes will, dass er mir Raum gibt und mich nicht bedrängt. Dafür bin ich ihm auch sehr dankbar. Aber ich kenne ihn doch kaum. Und ich weiß nicht, ob ich jemals so fühlen kann, wie ich fühlen sollte....Er macht es mir aber auch nicht sehr einfach. Warum sagt er nie etwas ... liebevolles zu mir? In seiner sachlichen und nüchternen Art wirkt er manchmal so kühl und ... und unnahbar. Wie soll ich da etwas für ihn empfinden?"
Ach ja, Orestillas Ehemann, der Stoffel. Wären wir gleichen Standes gewesen, ich wäre ihm nachgelaufen und hätte ihm gründlich den Kopf gewaschen. War Dominus Leander nicht selbst einmal jung gewesen? Waren da nicht Unsicherheit, Schüchternheit, die Sehnsucht nach einem Liebeswort? Oder war er schon so nüchtern geboren wie eine Schriftrolle mit einem Gesetzestext?
Das erste Mal, seit ich mich als Scheinsklave ausgegeben hatte, sehnte ich mich wieder danach, frei zu sein, ein freier Mann, der offen um die Liebste warb und seinen Nebenbuhler durch Beredsamkeit in den Schatten stellte...
Doch ich wusste ja, dass mir das auch nichts genützt hätte. Ich war als Straßenschauspieler arm, arm wie eine Tempelmaus. Unmöglich konnte ich meine Orestilla aus ihrem sicheren Leben reißen.
"Liebste Domina, ich verrate dir, dass dein Ehemann nicht so kalt ist wie er scheinen möchte. Wie könnte er, ist er doch griechischer Abstammung, und wir alle, die der hellenischen Kultur entstammen, sind die empfindsamsten, die eifersüchtigsten Lebewesen unter der Sonne!", behauptete ich kühn: "Schau, er hat mich dir praktisch in dein Bett gelegt. Ein anderer Mann wäre hier geblieben und hätte zugeguckt, ob ich mein Werk auch ordentlich verrichte, denn ich bin nur ein Sklave und damit nur ein sprechendes Werkzeug. Aber das bringt der Dominus nicht fertig. Gekränkt war er, förmlich geflohen ist er" Nun geht er zu Innogen, damit er nicht platzt, dachte ich, doch das äußerte ich nicht laut:
"Wenn du deinen Ehemann über alles liebst, o liebste Domina, dann schicke mich fort und zwar so, dass er und das ganze Haus es bemerken.
Denn Du könntest genauso gekränkt sein wie er. Was für eine Zumutung ist es denn, dass er mich zu dir schickt!"
Ich schaute Orestilla voller Ernst an. Noch einmal bot ich ihr den Ausweg an, mich fortzujagen. Ich wusste, dass das intelligent gewesen wäre. Doch auf der anderen Seite wollte ich es gar nicht mehr. Ich wollte diese wunderschöne junge Frau, die meine Herrin war, trösten, sie lieb haben, sie in die Arme nehmen....
und das tat ich. Ich nahm Norbana Orestilla in meine Arme und hätte sterben können vor lauter Seligkeit:
"Verzeih mir, Domina. Aber ich kann nicht anders! Weißt du, wie lange Zeit ich dich schon liebe? Doch ich schwöre, dass ohne das Anliegen deines Ehemanns ich niemals ein Wort über diese Liebe verloren hätte. Ich hätte dich ewig weiter lieben können, ohne es dir je zu gestehen..."
Nun war es draußen, was bisher nur Blicke gebeichtet hatten. Ich liebte Norbana Orestilla.
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02-03-2025, 07:16 PM,
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RE: Cubiculum | Regeln einer (glücklichen) Ehe
Nicanders Worte ließen mich nicht los. Ich hatte immer gedacht, dass Leanders Zurückhaltung nur eine Frage seines Wesens war, eine Nüchternheit, die nicht aufgebrochen werden konnte. Doch nun stellte Nicander es anders dar.
"Nicht kalt?" wiederholte ich leise. "Dann soll er es mir zeigen. Er soll mir ein einziges Mal sagen, dass er mich gern hat und dass er sich auf unsere Ehe freut. Aber das tut er nicht. Er sagt nichts, er bleibt fern, er lässt mich rätseln, was er fühlt oder ob er überhaupt etwas fühlt." Mein Blick fiel auf meinen Sklaven. Er war kein stiller Beobachter wie Leander. Er sprach, er fragte, er drückte aus, was in ihm vorging. Und was er mir nun sagte, dass Leander ihn mir praktisch in mein Bett gelegt hatte, wurde der Klang meiner Stimme bitter. "Ich fühle mich deswegen mindestens genauso gekränkt, wie er sich gekränkt fühlt. Was für eine Frau würde sich nicht gekränkt fühlen, wenn ihr Ehemann einen anderen zu ihr schickt? Wie soll ich da glauben, dass er mich begehrt, dass ich ihm etwas bedeute? Ich will diese Ehe, ich will ihn lieben können, aber wie kann ich das, wenn er mich so behandelt?"
Ich rang nach Worten, als er weiter sprach, um auszudrücken, was in mir vorging. "Ich soll dich so fortschicken das es das ganze Haus mitbekommt?" fragte ich ihn. "Und du meinst du wirklich, er würde sich dann für meine Entscheidung interessieren?" Ehrlich gesagt konnte ich mir nicht vorstellen, ob er davon überhaupt Notiz nehmen würde.
Sein Blick ruhte auf mir, eindringlich, voller Gefühle, die ich kaum ertragen konnte. Ich wusste, was er von mir wollte. Und was ich selbst mir wünschte, obwohl ich es mir nicht eingestehen durfte.
Und dann nahm er mich in seine Arme.
Es war, als wäre die ganze Welt für einen Moment zur Ruhe gekommen. Ich hätte weichen können. Ich hätte ihn fortstoßen müssen. Doch ich tat es nicht.
Liebe...
Als er mir seine Liebe gestand, zog sich mein Herz schmerzhaft zusammen. Ich wollte es nicht hören. Ich durfte es nicht hören, doch sein Atem streifte meine Wange, seine Wärme hüllte mich ein, als wollte er mich vor der Kälte bewahren, die mich umgab. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen. Es wäre so einfach, sich fallen zu lassen. Zu vergessen, wer wir waren.
"Nicander …" Meine Stimme war nur ein Flüstern. "Warum sagst du mir das? Warum machst du es mir noch schwerer?"
Ich hätte ihn halten können. Ich wollte ihn halten. Doch stattdessen löste ich mich mit einem tiefen Atemzug aus seiner Umarmung.
"Geh, Nicander", sagte ich leise, aber bestimmt. "Bevor es zu spät ist." Mein Herz schrie danach, ihn zurückzuhalten, doch ich blieb standhaft. Ich musste.
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Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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02-05-2025, 02:52 PM,
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Nicander
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Registriert seit: Oct 2023
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RE: Cubiculum | Regeln einer (glücklichen) Ehe
Ich küsste flüchtig Orestillas Hände: "Oh liebste Domina, trotz deiner Jugend, bist weiser als ich", sagte ich und erhob mich rasch. Eine Träne wischte ich mir ab. Fast, fast hätte ich meine eigenen guten Ratschläge über Bord geworfen und meine Herrin geliebt, wie sie es verdiente: Mit meinen Fingern, meinen Lippen, meinen Augen und meinen Worten...
ich floh förmlich aus dem Zimmer und ließ Norbana Orestilla jetzt alleine. Draußen aber ließ ich meinen Tränen freien Lauf. Gegen die Wand gelehnt kühlte ich meine heiße Stirn.
"O süße Norbana Orestilla,
alleine auf deinem kalten Laken,
vergeht deine Jugend.
Du schönste Blume von Iscalis,
während sich Nicander nach deiner
Zärtlichkeit verzehrt.
Du aber, treue Matrona,
du schickst ihn fort, denn dein
Sinn steht allein nach deinem Gatten.
Du schöne Lucretia Britanniens,
wieso eilt jener nicht herbei,
deine Tugend zu preisen und
das zu tun, was dein armer Nicander
nicht tun darf?"
Nachdem ich diese Worte ausgestoßen hatte, rollte ich mich wie ein Hund auf der Türschwelle meiner lieblichen Herrin zusammen und schlief hier, wo jeder mich sehen konnte.
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02-07-2025, 07:22 PM,
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RE: Cubiculum | Regeln einer (glücklichen) Ehe
Ich stand noch lange da, nachdem Nicander gegangen war. Die Tür war geschlossen, doch seine Nähe hing noch in der Luft, sein Duft, seine Wärme und das Echo seiner Worte. Ich hatte das Richtige getan – ich musste das Richtige tun – und doch fühlte es sich an, als hätte ich ihn verstoßen.
Seufzend ließ ich mich auf das Bett sinken und presste meine Hände an mein Gesicht. Ich spürte seine flüchtigen Küsse noch auf meiner Haut. Er hatte geweint. Ich hatte es gesehen, bevor er sich abgewandt hatte. Mein Herz war schwer, doch ich durfte nicht schwach werden. Nicht für Nicander und auch nicht für mich selbst.
Dann hörte ich ihn.
Seine Stimme war gedämpft, doch die Worte drangen durch die Tür, drangen in meine Brust wie feine, schmerzende Nadeln.
O süße Norbana Orestilla,
alleine auf deinem kalten Laken,
vergeht deine Jugend.
Ich presste die Lippen zusammen. Warum tat er das? Warum machte er es mir noch schwerer?
Du aber, treue Matrona,
du schickst ihn fort, denn dein
Sinn steht allein nach deinem Gatten.
Ja, mein Sinn stand nach Leander. Oder nicht? War es Treue, wenn ich mich so leer fühlte? Wenn Nicanders Worte mehr in mir bewegten als das kühle, sachliche Wohlwollen meines Ehemannes?
Du schöne Lucretia Britanniens,
wieso eilt jener nicht herbei,
deine Tugend zu preisen und
das zu tun, was dein armer Nicander
nicht tun darf?
Ich schloss die Augen. Warum kam Leander nicht? Warum ließ er mich in dieser Nacht allein?
Als ich das Kratzen von Stoff über Stein hörte, zog ich die Knie an. Ich wusste, was er tat. Er rollte sich draußen zusammen, wie ein treuer Hund vor der Tür seiner Herrin. Ich schluckte. Ich konnte ihn fortschicken, doch ich konnte ihm nicht verbieten, zu leiden.
Schließlich stand ich auf, trat zur Tür und legte eine Hand auf das kühle Holz. Ich sagte nichts. Ich öffnete sie nicht.
Doch ich blieb dort stehen, bis ich sicher war, dass er eingeschlafen war.
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Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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02-19-2025, 12:41 PM,
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Nicander
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Registriert seit: Oct 2023
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RE: Cubiculum | Regeln einer (glücklichen) Ehe
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(02-17-2025, 07:31 PM)Caius Plautius Leander schrieb: Leander war zufrieden, als Nicander noch ein wenig vom Liebesspiel schwärmte. Welcher Mann hörte auch nicht gerne, ein guter Liebhaber zu sein? Und ginge es nur hierum, hätte Leander auch wirklich zufrieden sein können. Nur leider war das Leben nicht so einfach, als dass man sich einfach über Reichtum und körperliche Erfüllung freuen und es damit gut sein lassen konnte.
Und so seufzte Leander leicht und schälte sich vorsichtig aus dem Dreiergespann, ohne Innogen dabei zu wecken. Die Sklavin war der abwechselnden Manneskraft zweier Männer nicht ganz so gewachsen gewesen und würde wohl den restlichen Tag mit wackeligen Knien zurechtkommen müssen, sobald sie wieder aufwachte. Noch eine kleine Auszeichnung für Leander, wie er fand. Er hätte gerne noch ein gleiches Ergebnis bei Nicander erreicht, doch dieser hatte wohl nicht ganz so mit den Nachwirkungen zu kämpfen.
Und es würde wohl auch keine dauerhafte Einrichtung werden. Nicht nur, weil Leander dennoch Frauen klar bevorzugte, sondern auch, weil Nicander noch immer deutlich in Orestilla verliebt war, und letztendlich ihr gehörte, wenngleich er momentan Teil der Mitgift war. Doch bei einer Scheidung wäre er selbstverständlich auch wieder weg.
“Es geht nicht um einen ersten oder auch um einen zehnten schritt“, sagte Leander etwas neidergeschlagen und schaute nach, ob in seinem Krug noch etwas Posca war, da er Durst hatte. Er hatte Glück, also trank er einen Becher und bot dann auch Nicander denselben Becher an, falls auch er seinen Durst löschen wollte.
“Orestilla ist einfach ein Kind, und je länger ich sie ansehe und je mehr ich mit ihr rede, wird mir klar, dass sie einfach ein Kind ist. Und es widerstrebt mir zutiefst, mit einem Kind Sex zu haben. Es reizt mich nicht auch nur das kleinste bisschen. Und allein aus Pflichterfüllung bin ich mir nicht einmal sicher, ob ich es tun könnte, und ich möchte es ehrlicherweise auch gar nicht herausfinden.“
Er kam an seiner Tunika vorbei und zog sie sich über den Kopf. Hier im hinteren Teil des Hauses war es doch etwas frischer als in der Nähe der Küche. “Der einzige Grund, warum ich keine Scheidung ausspreche, ist ehrlicherweise Mitleid. Sie würde weitere Sklaven verkaufen müssen, weil sie keine Einnahmen hat. Bestenfalls könnte sie zu ihren Verwandten zurückziehen, aber hier in Iscalis allein wäre es nur eine Frage von Monaten, ehe sie das Haus nicht mehr halten kann oder gezwungen ist, weiteren Besitz zu veräußern. Und da sie kein Vermögen vorzuweisen hat, wird sie auch keinen Ehemann mehr finden, der sie dennoch nimmt. Zumindest keinen, den sie haben wollen würde.“
Erst später verließ uns der Herr, ich ließ Innogen schlafen, in dem ich um sie herum aufräumte und dabei nachdachte. Des Dominus Worte hallten mir immer noch in meinem Gedächtnis nach. Nur noch aus Mitleid hatte Plautius Leander die Scheidung nicht eingereicht. Es tat mir weh, als hätte er mich mit einem Stock und nicht mit Worten geschlagen. Denn die schönste Blume von Iscalis verdiente es nicht, dass ihr Mann sie nur aus Mitleid in seinem Haus behielt. Frohlocken sollte ihr Ehemann und sein Herz voller Liebe sein, allein nur deswegen weil er sie seine Frau nennen durfte. Denn Orestilla war schön wie eine Nymphe, eine jugendliche Göttin Hebe, mit wunderbaren Locken, einem süßen Gesicht und einem mittlerweile verzagtem Herzen, das doch so viel Zuneigung zu verschenken hatte.
Der Dominus nannte sie wie gesagt ein Kind, aber ihr Leib mit der schmalen Taille, den sanft gerundeten Hüften und Brüsten war doch der einer jungen Frau. Sie war zur Liebe bereit, wenn sich nur die Knospe öffnete, wenn sie es nur wagen würde. Eine Nymphe war sie (Nymphe bedeutete ja auch Braut)
Ich liebte Domina Norbana Orestilla. Ich hatte aber auch Dominus Leander gerne. Doch beide von mir so geschätzten Menschen wollten und wollten nicht zueinander finden.
Ich hatte vor, die Herrin in ein Gespräch zu verwickeln, ihre Sinne zu reizen und ihren Ehemann zu loben, so dass sie zu ihm gehen wünschen würde. Dort würde ich sie alleine lassen oder bleiben, wie die Herrschaften entschieden.
Wenn es mir gelang, würde ich sie auf ewig dem Gatten überlassen. Sie war ja treu wie Gold. Ach, meine Domina, denkst du noch einmal an die Saturnalia, als wir flogen?
Doch ist es nicht Liebe, die nicht selbstsüchtig ist, sondern nach dem strebt, was das Beste für die Geliebte sei?
Es war Abend geworden. Ich kam von dem kleinen öffentlichen Balneum im Viertel und mein Haar ringelte sich noch feucht um meinen Nacken. Ich klopfte an die Tür des Schlafzimmers.
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02-19-2025, 03:08 PM,
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RE: Cubiculum | Regeln einer (glücklichen) Ehe
Ich saß auf meinem Bett, die Knie angezogen und die Arme fest darum geschlungen. Seit Tagen konnte mich an nichts mehr erfreuen. Stattdessen hätte ich nur heulen können. Meine Ehe hatte ich mir wahrlich anders vorgestellt! Leander schien mir aus dem Weg zu gehen, sprach kaum mit mir und suchte auch meine Nähe nicht. Ich hatte gehofft, dass sich mit der Zeit alles fügen würde, doch zwischen uns herrschte nur eine unerträgliche Kälte, die ich nicht verstand.
Aber ich wollte mich nicht damit abfinden. Ich war seine Frau – auch wenn er unsere Ehe noch immer nicht vollzogen hatte. Warum wich er mir aus? Warum ließ er mich allein?
Mein Blick fiel auf den Handspiegel neben mir. Mein eigenes Gesicht sah mir verschwommen entgegen. Hatte ich ihn so sehr abgestoßen? Oder war ich einfach nicht ansprechend genug für ihn? Ich wusste es nicht. Doch einer wusste es vielleicht: Nicander.
Nicander kannte die Sprache der Anziehung, der Sehnsucht. Er verstand, wie ein Mensch auf einen anderen wirkte. Ich hingegen hatte nie gelernt, wie ich einen Mann für mich gewinnen konnte. Tugendhaftigkeit allein schien nicht zu genügen.
Ich wusste, dass mein guter Nicander mich von ganzem Herzen liebte. Wie gerne hätte ich diese Liebe erwidert! Doch ich durfte ihm nicht das geben, was allein meinem Mann zustand. Das Leben war einfach nicht gerecht! Aber es half nichts, in Selbstmitleid zu versinken. Ich musste etwas tun. Und Nicander war der Einzige, der mir helfen konnte.
Gerade als ich schwer seufzte, klopfte es an der Tür. "Herrein!" sprach ich und sah erwartungsvoll zur Tür.
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Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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02-20-2025, 03:30 PM,
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Nicander
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Registriert seit: Oct 2023
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RE: Cubiculum | Regeln einer (glücklichen) Ehe
Ich betrat das Zimmer und ließ mich - all die Gedanken, die ich mir gemacht hatte, in meinem Kopf - neben dem Bett nieder. Ich sah, wie meine liebste Domina litt. Ich fragte mich, ob sie wusste, dass ich und ihr Mann... würde sie es als Verrat empfinden? Nie war es als Verrat gedacht, doch erst einmal würde ich es für mich behalten.
Stattdessen machte ich meiner liebsten Domina Komplimente, wobei es von meiner Seite keine Überwindung kostete - denn ja, Orestilla war nymphenschön, nur unendlich betrübt war sie, als würde sie unter den Lebenden durch eine geheimnisvolle Krankheit gezeichnet, langsam dahinschwinden. Ihr zartes Antlitz war bleich und von Schatten gezeichnet, die Augen blickten tränenschwer und ihre entzückende Lebendigkeit schien nur noch wie eine schwache Erinnerung aus vergangenen Tagen, erstickt unter der Schwere ihres Daseins.
"Liebste Domina, selbst der erwachende Frühling verbirgt sein Haupt voller Scham angesichts deiner Schönheit. Der lieblichen Kore, Demeters Tochter, die jungfräulich noch von Hades entführt und hinab geführt wurde ins düstere Totenreich, siehst du gleich. Schöne, traurige Kore. Du kennst doch gewiss die Geschichten um der göttlichen Demeters Tochter, o Domina?"
Ich war mir fast sicher, dass die Herrin Orestilla nachvollziehen konnte, wie sich die entführte Kore fühlte, die jungfräulich ins Haus des von ihr ungeliebten, ja ihr abstoßend erscheinen müssenden Gatten getreten war. Ich hoffte, ihre Neugier zu wecken, wie ich die Geschichte weiter erzählen würde. Und nicht nur mit Worten, auch mit später mit lieben Taten wünschte ich, meine Herrin zu begeistern. Daher fuhr ich fort:
"Schlimmer war ihr Schicksal als das ein jeglicher Sterblichen je gewesen ist. Denn das Haus ihres Gatten war ja das Totenreich, ihr strenger Mann dessen Gebieter und die Mauern, die sie gefangen hielten, bestanden aus der Erde selbst. Kein Sonnenstrahl, kein Vögelein, kein zartes Grün leistete Kore im Totenreich Gesellschaft. Kore, lieblichste Göttin, Kornmädchen, Frühlingsmädchen, ich stelle mir vor, wie sie die Verzweiflung übermannte, wie sie auf ihrem Brautbett saß, wie sie weinte und klagte"
ich streckte die Hand aus, streichelte sanft Norbana Orestillas Hand. Ach, dieser inniger Moment, ich konnte nun nicht widerstehen und küsste ihre zarten Finger:
"Die Dichter erzählen dann , wie die Göttin Demeter nach ihrer Tochter suchte. Aber kaum einer dichtet davon, was die gefangene Kore in dieser Zeit empfand, dachte und zu was sie sich entschloss",endete ich und machte mich bereit, meiner Herrin beide Rollen vorzuspielen. Poesie preschte nie grob auf ihr Ziel los, sondern ließ zu, dass in der menschlichen Seele selbst die Erkenntnis heranreifte wie ein Samenkorn in der Erde heranreifte. Norbana Orestilla, empfindsam und mitfühlend wie sie war, würde in der Geschichte des Mädchens zweifellos die Ähnlichkeiten mit ihrem eigenen Schicksal erkennen. Denn Kore, auch wenn sie hilflos und jungfräulich und ohne Liebe gefangen war, verzweifelte eben nicht...
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02-21-2025, 09:59 AM,
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RE: Cubiculum | Regeln einer (glücklichen) Ehe
Es war Nicander, der eintrat. Als hätte er meinen stummen Hilferuf erhört, war er zu mir geeilt und ließ sich nun neben meinem Bett nieder. Und es wäre nicht Nicander gewesen, hätte er nicht sogleich in den süßesten, aber auch melancholischsten Worten zu mir gesprochen. Seine Stimme war Poesie, jedes Wort ein kunstvoller Faden in einem schimmernden Teppich aus Metaphern. Er pries meine Schönheit und verglich mich mit der unglücklichen Kore, die von Hades entführt und hinab in die Schatten des Totenreichs geführt worden war, um dort an seiner Seite zu verweilen.
"Ja", sagte ich leise und suchte seinen Blick. "Kore…" Natürlich kannte ich die Geschichte. Doch so, wie er sie erzählte, klang sie anders: viel lebendiger und greifbarer. Ich konnte ihre Verzweiflung spüren, ihre Einsamkeit in den dunklen Hallen der Unterwelt, so wie ich meine eigene spürte. Nur dass ich nicht im Totenreich gefangen war, sondern nun in einem kalten Haus voller staubiger Gesetzestexte und öder Paragraphen lebte. Ich verstand Kores Sehnsucht nach Licht, nach der Sonne, nach Freiheit. Und doch wusste ich auch, dass sie nicht bloß ein weinendes Mädchen blieb. Sie wurde zur Herrscherin, zur Königin des Totenreichs.
Während ich seinen bittersüßen Worten lauschte, streckte Nicander die Hand nach meiner aus und strich sanft darüber. In dieser zarten Berührung lag so viel Wärme, so viel Vertrautheit, dass ich meine Hand in seiner liegen ließ, als wäre dies der natürlichste Ort für sie. Seine Worte hatten mich eingefangen, wie so oft.
"Nein, niemand spricht davon, was sie fühlte", wiederholte ich seine Worte und lächelte schwach. "Aber du tust es, Nicander, nicht wahr? Du lässt sie lebendig werden." Seine Geschichten waren wie funkelnde Juwelen in meinem grauen Alltag, ein Licht, das meine trostlosen Gedanken erhellte. Ich liebte sie und ich liebte ihn.
"Und was tat Kore?", fragte ich leise und lehnte mich ein wenig vor. "Wie fand sie sich in ihrem neuen Leben zurecht?" wollte ich wissen. Denn zweifellos war dies die Art, wie er mir einen Rat geben wollte.
![[Bild: 3_15_08_22_9_37_19.png]](https://adlerchronik.de/gallery/3_15_08_22_9_37_19.png)
Vormund: C. Numonius Pusinnus, Duumvir von Iscalis (NSC)
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