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[Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
02-14-2024, 12:12 PM,
Beitrag #11
RE: [Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück
Ich.war.nicht.tot. Und wenn, so war das nicht der Hades, aber auch nicht jenes gesichtsloses Jenseits, welches ich erwartet hatte. Dieses Jenseits hatte Hände und eine Stimme. Wenn auch so, wie wenn man unter Wasser tauchte- verschwommen und in meinen Ohren rauschte es. Ich wurde bewegt, doch genau konnte ich es nicht sagen, denn meine Glieder schienen mir nicht zu gehören. Dennoch: Cogito ergo sum. Ich denke, also bin ich. ich war noch, denn ich konnte denken. Und kaum konnte ich denken, da kehrte der Zorn zurück, und hätte ich mich bewegen können, hätte ich mein Schwert gezogen. Aber in meinem jetzigen Zustand war es so nutzlos wie für einen Fisch.
Außerdem konnte ich mich gerade nur auf die Stimme verlassen, die mich leitete:
"Wenn du Leben willst, solltest du das schlucken. Wenn ich dich hätte töten wollen, gäbe es weit spaßigere Wege als durch Gift.“
Erste Schlussfolgerung: Ich lebte tatsächlich noch. Zweite Schlussfolgerung: Ich war wie in einem dieser Albträume, in denen man kein Glied bewegen vermochte, gefangen. Ich wollte nicht sagen, dass ich gegen diese Albträume völlig unempfindlich gewesen wäre. Kein Sterblicher war es. 
Aber dennoch war es anders. Der Mörder wollte mich also nicht durch Gift töten. Was wollte er dann? 
Es gab da mehrere Möglichkeiten. Mit mir das Gleiche zu tun wie mit Balventius beispielweise. Es würde demnach nicht wehtun. Denn meinen Körper spürte ich gar nicht. Konnte ich überhaupt aus dem Becher trinken? 

Ich stellte mir nur vor, es zu tun- und es gelang. Flüssigkeit rann meine Kehle herab. Und dann, dann bemerkte ich, dass einige Körperfunktionen zurückkehrten. Ich war wieder in meinem Körper. Und dann sah ich auch schon schemenhaft das Gesicht des Mörders. Es war hell und von rotem Haar umgeben. Er blickte mich an, und sein Blick brannte in meinem. Dennoch hätte ich ihn nicht beschreiben können, so wie man ab und an die Personen in seinen Träumen nicht beschreiben kann. 

“Streng dich nicht zu sehr an. Je mehr du kämpfst, umso langsamer wirkt das Gegengift. Hat etwas mit deiner Herzrate und dem Blut zu tun. Also entspanne dich und versuch nicht zu kämpfen. In ein paar Augenblicken solltest du zumindest deine Zunge wieder fühlen und reden können. Naja… langsam und leise.“

Ich hatte mich getäuscht. Der Mörder konnte mich fühlen lassen, wenn er das wünschte. Und dann konnte er mir die Haut und mein Fleisch in Fetzen vom Körper schälen und mich mit den Bäumen verflechten wie meinen Standesgenossen Balventius. Dieser Gedanke trug nicht wirklich zur Entspannung bei. Dennoch bekam ich nach dem ersten Schreck meine Emotionen in Griff. Ich war ein Römer. Wenn gestorben werden musste, würde ich es so gut tun, wie ich es vermochte.

Und dann tötete der Mörder Invictus.

Ich muss gestehen, dass mich das mitnahm. Einen Moment war da tiefste Trauer, denn Invictus war ein Geschenk meines Vaters und immer, immer bei mir gewesen. Mein Hengst war der einzige, den ich wirklich als Freund bezeichnet hätte. Also nahm ich Abschied, mit einem Blinzeln nur. Ich glaubte, dass ich nicht verhindern konnte, dass mir eine Träne über eine Wange rann.

Danach schleppte er Quirinus an und setzte ihn mir gegenüber. Wie es bei Räubern und Barbaren üblich war, nahm er ihm vorher seine Rüstung ab. Quirinus konnte sich genauso wenig bewegen wie ich selbst und wimmerte leise. Unwürdiger Kerl! Benimm dich wie ein Römer!


“Du meintest vorhin, dass ich verstehen würde, dass gestorben werden muss, wenn ich Römer wäre. Nun… ich verstehe es. Ich verstehe es sehr viel besser als du, mein Freund. Aber du verstehst es nicht. Noch nicht. Naja, glaube ich.
Warum müsst ihr Kerle immer so schwer sein?“

Immer, sagte er. Wie viele Römer hatte der Mörder schon zuvor ermordet? Ich war mir sicher, dass er ein Kelte war, aber er sprach unsere Sprache ohne den leisesten Akzent und so wie ein Mann, der eine gewisse Bildung genossen hatte. Wer war er, verdammt? Vielleicht doch ein Abtrünniger? Oder?
Nein.  Das Wort Druide hatte mir auf der Zunge gelegen. Es gab keine mehr von ihnen. Mona hatte ihnen das Genick gebrochen. Sie waren illegal und wer von sich behauptete, ein Druide zu sein, wurde von uns hingerichtet. Niemals wieder sollten sie ihre Völker führen und zu Aufständen aufstacheln können...

Der Mörder zog nun ein Messer, und während er mich belehrte:
“Du hast bei dem Medicus so viele Fehler begangen. Deine Schnitte waren schlampig und voller Ungeduld. Du wolltest zum Ende kommen und die Macht fühlen, aber der Weg dahin war dir zu lang und beschwerlich. Du hast so geschnitten...
Aber siehst du, wie viel Blut dabei fließt. Wie tief die Schnitte sind? Wie lang hat der dürre Bursche das durchgehalten, ehe er zum ersten Mal ohnmächtig wurde? Hast du danach gewartet, bis er wieder aufgewacht ist, oder konntest du auch dann nicht stoppen?",

führte er mir an Quirinus vor, was ich dem Flavianus getan hatte. Quirinus ächzte und stöhnte dabei, und ich? Während ich bei Invictus Tod tiefe Trauer empfunden hatte, war ich nun kurz davor, loszulachen.
Und ja, der Mörder hatte Recht gehabt, ich fühlte meine Zunge wieder. Was sich meinem Mund entrang, war kein herzhaftes Lachen, eher ein Prusten. Doch man konnte mit etwas gutem Willen erraten, was es sein sollte:

"Ach, er ist ziemlich schnell ohnmächtig geworden", flüsterte ich: " Ich habe gewartet, bis er wieder aufwacht. Ich hatte nämlich vor, ihm die Sehnen seiner Hände zu durchtrennen. Und ich wollte, dass er, wenn ihm klar wird, dass er nie wieder seine Patienten operieren kann, bei vollem Bewusstsein ist"

Wieder kam über meine Lippen dieses unangenehme Prusten. Eine Sache war der Tod. Eine andere Sache war es, jemandem das zu nehmen, was er am meisten liebte und zuzusehen, wie er verzweifelte.
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RE: [Wälder um Iscalis] Nicht nur der Täter kehrt an den Ort des Verbrechens zurück - von Titus Ovidius Decula - 02-14-2024, 12:12 PM

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