RE: [Mogontiacum| Exercitus superior] To serve and protect
Ich hatte meine Rüstung angelegt. Ich hatte sie viele Jahre nicht mehr getragen, aber heute würde ich sie tragen. Nicht, weil ich mit ihr irgendwelche seltsamen Ehrungen verband oder unbedingt als Soldat sterben wollte. Auch nicht wegen des Schutzes, den das Metall mir bot. All das war für mich nebensächlich. Ich hatte keine glücklichen Erinnerungen an das Tragen dieser Uniform, kein Gefühl von Ehre oder Pflichterfüllung. Wenn ich mir erlauben würde, etwas bei dieser Rüstung zu fühlen, wäre es vermutlich am ehesten Scham. Scham über die Dinge, die ich getan hatte auf Befehl der verschiedenen Kaiser. Scham, dazu geschwiegen zu haben so lange und nicht versucht zu haben, etwas zu ändern. Scham, am Ende genau so verkommen zu sein, wie mein Großvater mich schon immer gesehen hatte.
Aber ich erlaubte mir keine Gefühle. Ich fühlte absolut nichts, nur Entschlossenheit und Kälte, wie ich es immer in dieser Rüstung empfunden hatte. Ich war nur ein Werkzeug, das jetzt seinen Zweck erfüllte.
Aber auch das war nicht der Grund, weswegen ich die Rüstung angelegt hatte. Nein, der Grund lag einzig und allein in meinem heutigen Plan begründet. Und so legte ich die Lorica an und den schwarzen Mantel, die Caligae und den Gürtel, und natürlich meine Waffen, ehe ich hinaus ging aus meiner Herberge. Der Wirt und die anderen Anwesenden schauten nicht schlecht, als sie mich so sahen und nicht mehr den unauffälligen Reisenden, der eine günstige Unterbringung suchte. Aber ich beachtete sie nicht und ging weiter. Mir war auch egal, dass sie meine zurückgebliebenen Sachen durchwühlen und stehlen würden. Ich brauchte sie nicht mehr und es war ohnehin nichts von Wert mehr dort. Mein Geld hatte ich schon weggebracht, persönliche Gegenstände hatte ich nicht und meine anderen Schuhe und die zwei Tuniken konnten sie haben.
Ich verließ die Herberge in südöstlicher Richtung und ging am Forum vorbei in Richtung des Statthalterpalastes, wo ich wusste, dass Aulus Quintius Cato gerade war. Ich machte mir nicht die Mühe, mich zu verbergen oder unauffällig zu sein. Nein, ich lief direkt auf das Tor zu, als gehöre ich seit Jahren zum Inventar. Und in der Tat wie von mir schon gedacht erregte ich so weit weniger Aufmerksamkeit als irgendwie anders. Kurz wurde ich am Tor gestoppt, wo ich die Wachen militärisch grüßte und “Persönliche Nachricht an den LAPP“ nur vermeldete, was mir eine kleine Eskorte ins Innere des Statthalterpalastes einbrachte in Richtung der Empfangshalle besagten Legatus Augusti.
Dies war der etwas ungewisse Teil meines Planes, denn ich wusste nicht mit Sicherheit, ob Aulus Quintius Cato in seiner Nähe sein würde. Aber in der Woche, in der ich ihn beobachtet hatte, war er immer den gesamten Morgen in der Nähe des Statthalters gewesen, also lag die Vermutung nahe, dass er es auch heute sein würde, während der LAPP öffentlich Bittgesuche entgegennahm und ein paar Stammesfürsten empfing.
Ich trat in die große Aula des Palastes, wo unzählige Menschen warteten. Alle wollten zum Stadthalter. Als prätorianischer Bote führte mich die Wache aber an den Männern vorbei, da solche Botschaften üblicherweise eine gewisse Priorität hatten. Ich sah den Legatus Augusti auf seiner Sella curulis, wie er sich gerade mit einem langhaarigen und bärtigen Germanen unterhielt und mir wurde angedeutet, kurz zu warten. Ich scannte den Raum auf der Suche nach meinem Ziel und sah ihn etwas weiter links an einer der Säulen im Gespräch mit einigen Männern.
Ohne zu zögern schritt ich durch die Menge in seine Richtung und hinterließ eine recht verwirrte Wache, die mich eigentlich gleich weiter nach vorne schieben wollte, damit ich meine Botschaft überbringen konnte. Ich hörte, wie er mir möglichst unauffällig nachzukommen versuchte, während ich mir meinen Weg bahnte.
“Aulus Quintius Cato?“ fragte ich ganz leise und ruhig bei der Gruppe angekommen, um sicherzugehen, dass ich mich nicht irrte. Der Mann schaute auf und blickte sehr verwirrt zu mir. “Kennen wir uns?“ fragte er nur.
Es waren seine letzten Worte.
Mein Dolch war in einer einzigen, schnellen Bewegung gezogen und in seinem Hals bis zum Heft versenkt. Eine Wunde, die selbst der beste Medicus nicht heilen konnte. In wenigen Momenten wäre er sehr sicher tot.
Menschen stoben schreiend auseinander, während ich mein Schwert zog und mich umdrehte. Die Wachen des Legatus Augusti reagierten sofort und routiniert und schirmten den Mann ab, zogen ihre Waffen. Befehle wurden gebellt, mich festzusetzen.
Ich wusste, dass sie mich nicht entkommen lassen würden. Ich wusste, dass sie versuchen würden, mich lebendig zu fangen, um mich zu verhören. Ich wusste, dass es Foltermethoden gab, die jeden Mann brechen würden.
“Gib auf! Du kannst nirgendwo hin und wir sind zu viele!“ forderte mich da auch schon der erste auf, von seinem Schild gut gedeckt und die Waffe stoßbereit erhoben.
Ich sah ihn ruhig an. “Ich weiß“, sagte ich nur. Und Götter, ich wusste es.
Schnell hob ich das Schwert an, an die Seite meines Halses, dort, wo die dicke Lebensader unterhalb des Ohres pulsierte. Ich musste schnell sein, bevor sie mich erreichten, also zögerte ich nicht, als ich mit einer schnellen Bewegung mir dort großflächig den Hals aufschnitt.
“NEIN!“ hörte ich noch den Soldaten rufen, während sich für mich alles warm anfühlte und ich das Schwert fallen hörte. Mein eigener Fall wurde abgefangen von starken Händen, und weitere Hände pressten sich auf meinen Hals, wo das Leben in heftigen Stößen aus mir herausquoll. “Sag mir, wer dich beauftragt hat! Sag deinen Namen, du Scheißkerl!“ brüllte der Soldat mich an, aber ich sagte nichts. Ich weiß nicht, ob ich lächelte, während alles um mich herum die Farbe verlor und langsam der Schwärze wich.
Mein letzter Gedanke galt Flavia Maesa. Wenn es eine Unterwelt gab, würde ich dort am Ufer des Flusses warten, um einen letzten Blick auf sie zu erhaschen, wenn sie nach einem langen, freien und glücklichen Leben an mir vorbeigehen würde.
Wird für einen Freigelassenen von Didia Corona gehalten
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