"Du bist weit wertvoller als er, und du gehörst mir nicht!", erwiderte ich. Und gleichzeitig dachte ich: War ich das? War das die gleiche junge Frau, die voller Mitleid den Statthalter gebeten hatte, dem Morden an unschuldigen Sklaven Einhalt zu gebieten? War ich nur mitleidig, wenn ich selbst nicht davon betroffen war? Ich wusste nicht, was die Tropfen anrichten konnten. Ich hoffte nicht, dass Bran davon sterben würde. Aber die Chance bestand.
Und nun war Nefertem, der selbst ein Sklave war, ungleich heldenmütiger als ich, die Claudia. Denn er bot sich an, sich für den Jungen zu opfern. Das tat weh.
Mit traten die Tränen in die Augen, die ich rasch trocknete:
"Lieber Nefertem", sagte ich bewegt. Und dann tat ich das einzige, was mir, einer stoischen Philosophin würdig war: Bevor mich jemand hintern konnte, nahm ich den Becher mit dem Vinum Rosatum et Violacum und trank selbst davon.
Ich trank ihn nicht ganz aus. Ich weinte im Inneren um das ungeborene Kind und um mich und um Cato, dem ich vielleicht den Sohn raubte. Dann stellte ich den Becher zurück aufs Tablett.
"Ich möchte nun alleine sein. Geh Bran", sagte ich ruhig:
"Geh in die Küche und lass dir Kuchen geben. Du hast heute Nachmittag frei. Und Morgen packst du deine Sachen und gehst zum Sereneum. Dort wohnt eine Freigelassene, die Furiana Betua heißt. Dort wirst du künftig arbeiten, ein guter Diener sein wie du es bisher gewesen bist und ihr in allem zur Hand gehen. Hast du verstanden? Nun geh!"
Oh Isis, große Mutter, verzeih mir meine Fehlerhaftigkeit....