RE: Gästezimmer - Wie Schnee im Sommer *
Es war ein seltsames Gefühl, das mich seit dem Sklavenmarkt beschlich. Zum einen war ich überglücklich, endlich von dort fortgekommen zu sein, doch zum anderen musste ich nun akzeptieren, dass ich meine Freiheit verloren hatte und nun eine Sklavin war – ausgerechnet die Sklavin des Mannes, der an meiner Misere schuld war.
In meiner viel zu kurzen Tunika und barfuß folgte ich Furus Saturus und seinem Sklaven zu seinem Haus. Palast wäre sicher das passendere Wort gewesen. Bis dahin war ich noch nie in einem so großen Haus gewesen. Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Das war vielleicht auch gut so, denn so musste ich nicht darüber nachdenken, was aus mir geworden war.
In seinem Haus übergab er mich in die Hände zweier keltischer Frauen: Sabi und Seang. Sie waren Schwestern und wollten sich um mich kümmern. Zuerst zögerte ich, denn die letzten Menschen, die sich um mich kümmern sollten, hatten mich getreten und geschlagen. Doch die beiden erwiesen sich als sehr freundlich und hilfsbereit. Sie wuschen mich und kümmerten sich auch um die Wunde an meinem Hals. Als sie versuchten, das widerliche Zeug abzubekommen, das mir der Sklavenhändler auf die Wunden aufgetragen hatte, tat das furchtbar weh. Ich zuckte jedes Mal, wenn sie dabei an meine Wunde kamen. Doch sie entschuldigten sich dafür und boten mir an, später etwas Honig auf die Wunde zu streichen, damit sie heilen konnte.
Sie kleideten mich in eine graublaue Tunika und führten mich in einen Raum mit einem Fenster, in dem ein Bett, ein Tischchen und eine Truhe standen. Ich nahm auf dem Bett Platz, und die beiden setzten sich links und rechts neben mich. Es war gar nicht so schlecht, dass sie mir Gesellschaft leisten wollten. So kam ich wenigstens auf andere Gedanken. Sabi sprach davon, dass der Frühling bald käme und dass es schon wäre. Ich lächelte still, denn es gab nichts, worauf ich mich freuen konnte. Die Erinnerung an das letzte Beltanefest befeuerte noch meine Schwermut. Die beiden Schwestern wollten die Villa schmücken und meinten, ich könne ihnen helfen, wenn ich mich etwas erholt hatte. Ich nickte schüchtern. Dann aber überschütteten sie mich mit Fragen. "Ja, ich denke schon", sagte ich. Den Namen Bestiola würde ich hoffentlich nie wieder ertragen müssen. "Ich komme aus Eiré. Vor über einem Jahr musste ich von dort weg. Meine ganze Familie wurde getötet. Mit viel Glück konnte ich entkommen", begann ich leise zu erzählen. "Ovidius, der mich gefangen nahm, gab mir nichts zu essen. Ich musste einen engen Eisenring um den Hals tragen. Daher auch die Wunde. Er behandelte mich wie ein Tier." Die beiden erzählten von Furus Saturus’ Familie. Seine Frau hatte ich an Lughnasadh in Cheddar gesehen. Inzwischen hatte sie ihr Kind geboren.
Später brachte Sabi mir eine Schale mit Hühnerbrühe und fütterte mich damit, als wäre ich ein kleines Kind. Doch ich ließ es wenigstens für eine Weile über mich ergehen. Irgendwann stellte sie die Schale auf das Tischchen. Dann ging die Fragerei weiter. Doch diesmal war es eine Frage, auf die ich keine Antwort geben konnte.
Inzwischen war ich müde geworden, und die beiden ließen mich dann auch irgendwann in Ruhe, damit ich ein bisschen schlafen konnte. Als die beiden gegangen waren, legte ich mich in das Bett und deckte mich mit der Decke zu. Eine Weile lag ich noch wach da und blickte auf den Tag zurück. Irgendwann aber fielen mir die Augen zu und ich schlief ein.
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