RE: Speisezimmer (Triclinium)
Pytheas lächelte nun erleichtert. Er drückte Narcissus Hand. Halb und halb hatte er mit einer heftigen Reaktion des anderen Jungen gerechnet, mit Ärger oder Spott. Aber da war nur Verständnis.
"Was lässt mich glauben, dass er für immer fortgegangen ist?", wiederholte er die Frage:
" Weil es noch nie anders gewesen ist",
er schwieg darüber, doch es war ihm, als würden sich ein paar Schatten in dem Raum drängen, die leise flüsterten.
Die erste, die aus seinem Leben verschwand, als hätte sie nie existiert, war seine Mutter gewesen. Erst viel später hatte er erfahren, dass sie während einer kaiserlichen Abendunterhaltung ums Leben gekommen war. Und dann sein bester Freund Persephone (über dessen Schicksal war er unterrichtet) und dieser und jener und noch mehr Menschen, bis er, Flavianus Pytheas, nicht mehr fragte, wo sie denn geblieben waren:
"Ich bin im kaiserlichen Palast aufgewachsen, Narcissus. Unser Kaiser Vespasian Caesar Augustus greift nur durch, wenn es sein muss - doch ich weiß nicht, was du über die früheren Kaiser gehört hast: Vitellius beispielsweise und natürlich Nero.
In den schlimmsten Zeiten war jeder Tag wie ein Tanz auf einem Seil, welches eine bösartige Gottheit über einem Abgrund aufgespannt hatte. Wenn jemand verschwand, kam er niemals wieder. Und es war besser, niemals mehr nach ihm zu fragen oder seinen Namen zu nennen"
Pytheas stand nun auf, und in seinem Gesicht lag eine unendliche Traurigkeit:
"Ich hatte mir erhofft, dass das endgültig hinter mir liegt. Aber eines Tages war auch Atreus ohne eine Nachricht fort, und da wusste ich, dass dieses Schicksal nie zu Ende sein wird"
Er schüttelte den Kopf:
"Verzeih mir, Narcissus, dass ich von traurigen Dingen spreche. Du verdienst es nicht. Du bist Schönheit und Heiterkeit, es liegt nicht an Dir. Ich bin nur ein alter, griesgrämiger Medicus", er lachte nun wieder.
Titus Caesar Vespasianus Augustus (NSC)
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