Ich stand auf dem kleinen Balkon, der zur Wohnung gehörte. Auch wenn jetzt im Winter deshalb kalte Luft hereinkam, mussten wir die Wohnung regelmäßig lüften, und ich nutzte die Zeit, mir anzusehen, wer sich so alles in der Nähe des Hauses aufhielt, und ob es ungewöhnliche Aktivitäten dabei gäbe. Und genau in diesem Moment sprach Corona mich an.
Ich drehte mich leicht in ihre Richtung und schaute skeptisch. Sie hatte
noch nie eine persönliche frage an mich gerichtet. Nicht zu meiner Herkunft, meiner Familie, meinem Namen, nichts. Es hatte sie nie auch nur ansatzweise interessiert. Ich war da, und das war ihr genug. Deshalb stimmte mich die Frage jetzt nach den ganzen Jahren, die ich bei ihr war, misstrauisch. Dazu noch sagte mir ihr Blick, dass sie irgend etwas gerade wollte. Ich kannte den Blick gut, und üblicherweise lief das darauf hinaus, dass ich sehr viel fluchen musste, weil sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, das ihrer Tarnung mehr als abträglich war. Nicht nur einmal war deshalb jemand gestorben, ohne dass sie davon wusste. Manchmal auch mit ihrem Wissen, weil es nicht anders zu regeln war.
Dass sie jetzt nach etwas persönlichem fragte, ließ also den validen Schluss zu, dass die Bitte, die sie unweigerlich demnächst aussprechen würde, mir noch weniger gefallen würde als alle vorangegangenen.
“Ich habe mich an Bo inzwischen gewöhnt. Wieso fragst du?“ antwortete ich, und ja, ich sagte ihr nicht meinen Namen. Auch wenn ich mir wünschte, ihn einmal von ihr ausgesprochen zu hören. Gehaucht, wie ein leises Versprechen im Dunkel einer Nacht… Ein Gedanke, den ich sofort verbannte. Selbst, wenn nicht die Gefahr bestanden hätte, dass sie meinen Namen wiedererkennen und dem Kaiserhof zuordnen würde und damit das Vertrauen zwischen uns sehr schnell in Auflösung begriffen sein könnte, würde mein Gentilnamen bei ihr zweifelsfrei die Erinnerung an meinen Verwandten
Gaius Licinius Mucianus wecken, der Vitellius’ Sohn hatte hinrichten lassen. Und spätestens das würde ihr Schrecken in die Augen treiben.
Und der wichtigste Grund für mich, meinen Namen für mich zu behalten, waren meine bevorstehenden Pläne. Sechs Wochen bis zur Öffnung der Seewege. Acht, bis ich Nachricht hätte. Spätestens dann wäre ich weg. Und drei Wochen später wohl tot. Sie brauchte davon nichts wissen, und sie sollte in keiner Verbindung zu mir stehen. Sie würde später schwören können beim Stein des Iuppiter, keinen Mann namens Marcus Mucius Primus zu kennen und nichts mit dem Tod ihres Ehemannes zu tun zu haben.