RE: Besprechungsraum des Tribun Marcus Iulius Cato
Lucius Petilius Rufus überlegte.
Im Grunde hatte er keine Fragen mehr, zumindest keine, die dieser Soldat hier beantworten könnte. Wie schon von ihm vermutet, war der kurz mit einer Käuflichen mitgegangen auf einer langweiligen wache, und als er kurz später wiederkam, war nichts geschehen, weshalb er sich nichts dabei gedacht hatte. Und dann war der Tribun, nachdem er zuvor Stunden in dem Haus mit die Götter wussten was verbracht hatte, verletzt wieder herausgestürmt. Ob da überhaupt ein Angreifer im Haus war, war schon sehr zweifelhaft. Rufus war geneigt, zu glauben, dass der Tribun einen heimlichen Geliebten für einige Stunden besucht hatte, mit diesem in Streit geraten war, und er beim folgenden Handgemenge unrühmlich verletzt worden war, und er jetzt versuchte, seine Ehre zu retten, da er natürlich nicht zugeben konnte, von seinem Liebhaber so zugerichtet worden zu sein.
Aber dennoch war es ein Wachvergehen, und der Geschädigte war ein Tribun. Wäre einem seiner Kameraden deshalb dasselbe passiert, einem einfachen Mann, Rufus hätte es bei einer Auspeitschung belassen als anschauliche Mahnung an alle, niemals einen Kameraden im Stich zu lassen. Aber ein römischer Ritter war verletzt worden, was eine dementsprechend hohe Strafe nach sich zog. Da gab es keine Ausnahmen.
Höchstens ein kleines Schlupfloch. “Durch deine Unachtsamkeit bei der Wache wurde dein Tribun verletzt. Du hast zugegeben, deinen Posten verlassen zu haben und damit deinen Dienst verletzt. Die Disziplin der römischen Armee ist immer und zu jeder Zeit oberste Pflicht und Maxime, und solche Vergehen untergraben sie für die gesamte Legion. Hierfür gibt es nur eine einzige Strafe. Den Tod durch fustuarium.“
Rufus sah zu seinen eigenen Equites singulares, da er sichergehen wollte, dass sein Befehl ausgeführt wurde. “Bringt ihn zurück in seine Zelle und besorgt ihm ein Stück Brot und ein scharfes Messer, damit er es schneiden kann. Und dann gebt ihm etwas Privatsphäre, um die Götter um Verzeihung anzuflehen. Das Urteil wird morgen nach Sonnenaufgang vollstreckt.“
Seine Equites verstanden natürlich. Der Mann erhielt die Chance, sich der Sache durch Selbstmord zu entziehen, ohne dass jemand dafür belangt wurde, dass ein Gefangener unter Aufsicht starb. Letzteres wurde nämlich ebenfalls mindestens mit Auspeitschen, wenn nicht mit dem Tode bestraft. Da sie aber Befehl hatten, ihn für eine Weile nicht zu beaufsichtigen, war wohl klar, was er mit einem scharfen Messer anstellen würde, wenn er noch ein wenig Ehre und einen Funken Verstand hatte.
Rufus wartete also bis der Mann außer Sicht war, und entließ dann auch die anderen Tribunen erst einmal aus dem Raum. “Du nicht, Tribun Ovidius“, sagte er und winkte den Mann zurück.
Er wartete also, bis die übrigen hinausgegangen waren, ehe er sich an den jungen Mann wandte. “Möchtest du der Aussage des Mannes noch etwas hinzufügen oder deine vorherige Aussage etwas ändern“, gab er ihm nur einmal die Chance, sich noch vernünftig zu verteidigen, ehe er – zwar nicht hier, aber doch insgesamt – auch über diesen Mann ein Urteil zu fällen gedachte.
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