Saturninus zog Narcissus an sich. Der Junge war ein Geschenk der Götter. Deshalb hatte er ihn als Bronzestatue verewigen lassen. Das er noch dazu unterhaltsam und charmant war, kam als Bonus obendrauf, doch für Saturninus war es wirklich nur ein Bonus. Narcissus hätte ihm auch gefallen, wenn er stumm gewesen wäre. Es fiel dem Patrizier schwer, in Rangniedrigen ein wirkliches Gegenüber zu sehen, einen Menschen mit eigenen Gedanken und Gefühlen. Er hatte auch nie einen Sklaven besessen, mit dem er so verbunden war; vermutlich weil er die Meisten mit siebzehn Jahren einfach als Erbe übernommen hatte.
Tatsächlich hatte Saturninus solch eine Verbundenheit zu
Frowin gespürt. Das war sein junger,heiterer Wagenlenker, der gescheit war und Pferdeverstand besaß. Er selbst hatte ihn aber degradiert und zu Furiana Betua in das
Sereneum geschickt. Er fing bereits an, den Gallier zu vermissen. Die Göttin Victoria war launisch wie auch Fortuna. Ein wenig Strenge schadete nie, dachte Saturninus: Sonst glaubt die Familia nur, dass sie einem auf der Nase herumtanzen konnte:
"Ich denke gerade, dass auch noch, wenn wir beide schon längst tot sind, Menschen immer noch vor deinem Bronzeabbild stehen und deine Schönheit bewundern werden. Das hoffe ich zumindest! Vielleicht gewinnen ja auch irgendwann die Barbaren, überrennen unsere Grenzen und schmelzen alle unsere Statuen ein, weil sie nur den Metallwert darin erkennen können", ab und zu hatte selbst Saturninus so melancholische Anwandlungen:
"Nicht sofort natürlich. Rom besteht und ist stark und mächtig wie nie zuvor. Ich meinte eher, in tausend, zweitausend Jahren vielleicht",
er lächelte und streifte mit seinen Lippen die samtweiche Haut im Nacken des Jünglings. Gerade da er aber Narcissus nicht als Seinesgleichen anerkannte, war er so offen und gelöst mit ihm, wie er mit anderen Männern nicht sein konnte:
" Sag einmal, Narcissus, wenn du einen Sklaven hättest, den du bestraft hast, in dem du ihm die Tätigkeit fortgenommen hättest, die er am meisten liebt - wie lange würdest du ihn unter Strafe lassen?", fragte er den Hetären. Das war ein ganz und gar hypothetischer Fall.
Ja, ja, natürlich.