RE: Als Gladiatorenmedicus
Kikis Begleiter drängte sie nun, zu gehen. Pytheas kannte ihn nicht namentlich, hielt ihn jedoch auf Grund der Klasse der Hetäre für einen römischen Honoratiorensohn. Der Medicus zuckte in seine Richtung mit den Schultern. Wenn der junge Römer Kiki nicht dazu bewegen konnte, zu gehen, so der Freigelassene gerade recht nicht.
"Äh nein, noch kann man mich nicht ablenken, da meine Arbeit noch gar nicht begonnen hat", erklärte Pytheas. Kiki hatte sich nun auf den Tisch gesetzt und schlug zwei sehenswerte dunkle Beine übereinander:
"Die Männer sind alle bei guter Gesundheit und können kämpfen!", rief Pytheas den Wachen zu, die dann kamen, das erste Gladiatorenpaar in die Arena zu geleiten. Es waren Bowen, der gut Latein sprach und ein recht wild aussehender Mann, der aber noch jung genug war, um rote Ohren zu bekommen, als er beim Vorbeilaufen in Kikis Richtung schielte.
So ohne Bowens Übersetzerqualitäten fühlte sich Pytheas ein wenig hilflos. Wohl hatten die Wachen Peitschen und eiserne Spieße, um die Männer unter Kontrolle zu halten. Aber es waren doch menschliche Wesen, und dem Medicus wäre es lieber gewesen, mit ihnen sprechen zu können, als sie einfach wie wilde Bestien zu behandeln. Nur die beiden Römer - das waren Bestien.
Zu den Wartenden herüber wehten Applaus und das Gebrüll der Menge, und dann das Schlagen von Metall gegen Metall.
"Meine eigentliche Arbeit wird beginnen, wenn der erste Verwundete hierher zurück kommt oder getragen wird", erklärte Pytheas. Nun warf er einen Seitenblick auf den jungen Römer:
"Seid ihr hier, weil euch der Anblick von Verletzungen Freude macht?", fragte er sehr sachlich. Aber ja, auch das hatte es in Rom gegeben: Paare, die so übersättigt von allen Sinnesreizen waren, dass sie nur noch inmitten Blut und Tod etwas empfinden konnten. Es war nur eine weitere Facette unermesslichen Reichtums und der sofortigen Erfüllung aller Wünsche. In Iscalis hätte Pytheas (noch) nicht mit dieser Art des Lasters gerechnet:
"Nicht, dass es mich kümmern sollte. Ihr könnt bleiben, sofern ihr den Ausrichter dafür bezahlt habt", er richtete seinen grauen Sperberblick auf Kikis liebreizendes Gesicht.
War sie wirklich so verdorben? Ihr Gesicht war so süß und mädchenhaft.
Dann kam ihm ins Bewusstsein, was ihre letzten Worte gewesen waren: Wenn du mich lieb bittest, geh ich vielleicht sogar....
Wieder schaute Pytheas sie an: "Ich weiß nicht, ob das hier etwas für dich ist", sagte er leise: "Ich werde die Gladiatoren nach dem Kampf versorgen müssen. Wunden nähen oder gar amputieren. Das ist nichts Schönes, werte Kiki"
Vermutlich werden sie mich einige Male schlagen, wenn ich ihnen wehtun muss, dachte er. Und wenn ich ihren Schmerz betäube, so vor Wut. Oder aus Angst. Es war ein schmutziges und eintöniges Geschäft. Ihm fiel selbst auf, dass er Kiki nicht bat, zu gehen. Vielleicht weil sie das einzig Reine und Schöne an diesem Ort war.
Plötzlich wünschte sich Pytheas, dass Verderbtheit nicht der Grund wäre, weshalb sie bleiben würde. Sondern dass sie wirklich wäre, was sie schien. Er unterbrach sich: Wie naiv er war! Kiki war eine Hetäre. Sie würde immer das sein, was Männer in ihr zu sehen wünschten.
Titus Caesar Vespasianus Augustus (NSC)
|