RE: Stallungen beim Wagenrennen
"Was sah nicht so aus?", rief sie ihm aufgebracht entgegen. In der wenig belebten Seitenstraße erregten sie durch ihren Streit bei den vorbeilaufenden Passanten nur kurz deren Aufmerksamkeit. "Glaubst du mir etwa nicht? Warum sollte ich dich anlügen?" Ihre Augen funkelten vor Wut und Enttäuschung, während sie ihn unter dem klaren, blauen Himmel anstarrte.
Was hätte sie denn tun sollen, als dieser andere Römer, groß und einschüchternd und mit all seinen Wachen sie plötzlich neben sich sitzen haben wollte? Sich auflehnen? Ihn angreifen und sich dann von seinen Männern abschlachten lassen? Niamh wurde wütend, ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Warum sollte sie sich jetzt hier rechtfertigen? Genügte denn nicht ihr Wort? Hatte sie ihm nicht oft genug gesagt, dass es nur ihn für sie gab?
Nun lief er, Louarn, die ganze Zeit vor ihr hin und her und irritierte sie damit noch mehr. Er brachte es nicht einmal fertig, ihr in die Augen zu schauen, die Augen, die noch vor wenigen Minuten so voller Liebe für ihn waren. Dann begann er zu sagen, dass er sich entschuldigen wollte, weil er die letzten beiden Tage weggeblieben war und dass so viel passiert war. Dass seine Familie auseinanderbrechen würde und dass Helena tot sei. Moment, wie war das? "Hele… Helena? Wer ist Helena?", fragte sie verwundert, ihr Herz schlug schneller. Dieser Name klang nun wirklich nicht besonders keltisch. Andererseits konnte sie sich nicht vorstellen, dass er sich mit Römerinnen herumtrieb. Und überhaupt, hatte er ihr nicht gesagt, dass es keine andere Frau gäbe? Zweifellos bedrückte ihn das sehr, dass diese Helena nun tot war. Schließlich sprach er weiter über die anderen, deren Verhalten ihn betrübte und über einen Plan, den sie hatten, bei dem er vielleicht nicht mehr zurückkam. Sie starrte ihn erschrocken an. Ihre Wut war für einen kurzen Moment in den Hintergrund getreten. Doch er wetterte weiter gegen Ceridwen und sie selbst.
"Rausgeputzt wie was? Du denkst, ich habe mich für diese Römer so herausgeputzt? Ich habe heute mein bestes Kleid angezogen, das Kleid, um einfach mal wieder hübsch auszusehen. Manchmal sehne ich mich ein bisschen nach meinem alten Leben zurück. Wenigstens ein kleines Stückchen. Und ich habe verdammt nochmal nicht mit diesem Kerl geflirtet! Ich habe kaum etwas davon verstanden, was die beiden gesagt haben. Nur Ceridwen warnte mich ständig. Sie hat dann eine Herzattacke vorgetäuscht und gehofft, die beiden würden uns dann gehen lassen. Aber ihr Plan ging nicht auf!" Niamh versuchte alles zu erklären, ihre Stimme zitterte vor Anstrengung. Aber wie erklärte man jemandem etwas, der seine eigene Meinung bereits gefasst hatte und davon auch nicht mehr abrücken wollte!
Als Louarn dann plötzlich meinte, er wolle sich für den Winter nun einen anderen Schlafplatz suchen, schossen ihr die Tränen in die Augen. Er wollte sie tatsächlich verlassen! Außerdem schmerzte es sie sehr, dass sie für ihn anscheinend nichts weiter als eine Möglichkeit zur Übernachtung gewesen war. "Einen neuen Schlafplatz? War ich also nur eine Schlafgelegenheit für dich? Na gut! Aber eines sage ich dir noch, wenn du jetzt gehst, wirst du mich nie wieder sehen!", rief sie mit verheulter Stimme, die sich in der Stille der Seitenstraße verlor.
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