RE: [Thorianum B] B IV Didia Corona
Der Mann war klug genug, sich nicht zu rühren. Er versuchte nicht einmal, meinen Arm von seiner Kehle zu ziehen. Nicht, dass das etwas genützt hätte, aber üblicherweise machten das die Menschen, wenn sie das Gefühl hatten, zu ersticken.
Andomachus… das war lange her. Es musste im ersten Jahr von Vespasians Herrschaft gewesen sein, vor zehn Jahren. Andromachus hatte Vespasian nicht sehr lange gedient, und Flavia Maesa war schon bald aus Rom abgereist, um ihrem Mann zu entkommen. Wenn sie den Arzt nachts aufgesucht hatte, dann hatte ihr Mann sie in dieser Nacht wieder geschlagen. Und sie hatte es gedeckt, um ihren Onkel nicht damit zu belasten. Wie einfach es gewesen wäre, hätte Vespasian mich nur nach ihm geschickt.
Seine Anmerkung, dass ich vergessen hatte, die Kräuter zu probieren, erwischten mich etwas kalt. Verdammt, er hatte recht. Ich hatte die Möglichkeit nicht in Betracht gezogen, aber er hatte recht. Ich war eingerostet. Im Palast hatten Sklaven vorgekostet, da hatte ich darauf nicht achten müssen, aber hier war es anders. Und ich hatte gewusst, dass er sie erkannt hatte und dennoch nicht vorgekostet. Ich war ein Idiot.
Mein Griff lockerte sich im kurzen Augenblick der Verwirrung, aber nur soweit, dass der Mann wahrscheinlich nicht ganz so sehr um Atem ringen musste. Und es war nicht von Dauer, denn ich hielt ihn weiter, wo er war. Mein Blick wurde finster. Ein Leben, das schon hinter mir gelegen hatte, grub sich nach vorne, verbunden mit einem Namen, der schon lange nicht mehr der Meine gewesen war. “Erkennst du mich auch?“ fragte ich ihn und schaute in seine Augen. Aber entweder war der Kerl tapferer im Angesicht des Todes als alle anderen, oder er erkannte mich wirklich nicht. Was verwunderlich war, wenn er Andromachus gedient hatte. Der sehr lange Nero gedient hatte, dessen liebstes Spielzeug ich war. Der junge Prätorianer, so jung, so gutaussehend, sein Vorzeigehaustier geballter Tödlichkeit, so oft in seiner Nähe, um diejenigen zu bestrafen, derer er überdrüssig geworden war. Aber die wenigsten Sklaven – und Andromachus war Sklave – hatten mehr von mir gesehen als meine Füße und sich sehr bemüht, mich nicht anzusehen, damit ich eben auch sie nicht ansah. Ich ging also davon aus, dass er auch eher meine Zehen als meine Augen kannte. Daher lehnte ich mich etwas näher zu ihm, so dass mein Gesicht kurz vor seinem war. “Mein Name ist Marcus Mucius Primus“, flüsterte ich, während in meinem Innersten die alte Bestie ihre Ketten abschüttelte und sich aufrichtete dieses uralte, blutige Wesen, das nur dem Willen seines Meisters folgte und den Rest von mir mit ihren blutigen Taten zurückließ.
Ich wollte nicht, dass sie von ihren Ketten frei kam. Ich wollte nicht mehr auf diese Weise töten. Und ich wollte auch nicht diesen Mann hier töten müssen. Ich war es leid, die Gesichter, die Augen, die mich verfolgten. Bitte, Marcus! Marcus! Du kennst mich! Du kannst nicht... Ihre Stimme war immer noch in meinem Kopf, als sie mich angefleht hatte, sie einfach gehen zu lassen und Nero zu sagen, es sei getan. Aber Poppaea Sabina hatte ihren Kopf gefordert, und den hatten wir drei ihr gebracht…
Ich schluckte, als könnte ich den bitteren Geschmack der Scham damit herunterschlucken. Es war so lange her, und doch war es noch da. Alles davon. Auch das, was davor gewesen war, und alles danach. Aber Claudius’ Tochter war die lauteste der Stimmen.
“Gib mir einen Grund, der mich glauben lässt, dass du sie nicht verraten wirst“, sagte ich, und es war keine hohle Phrase. Ich wollte einen Grund, der mir erlaubte, ihn am leben zu lassen. Einen Grund, der Liste der Namen keinen weiteren hinzuzufügen. Kein weiteres paar sanfter Augen, das mich nachts aus dem Schlaf riss.
Wird für einen Freigelassenen von Didia Corona gehalten
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