Verdammter Mist! Wenn der Medicus bis eben noch Zweifel gehabt haben sollte, hatte Maesa sie soeben mit ihrer fiebrigen Frage wohl weggewischt. Nur kurz schloss ich die Augen, während der Medicus Serafina Anweisungen gab und Maesa ihn dann auch schon wegschickte. Ich hasste den Teil, der jetzt kommen musste. Zu oft hatte ich das schon vollbracht. Augen, vor Panik aufgerissen, Finger, die an meinem Arm kratzten, diese so leise Flehen, die ersterbende Hoffnung. Bilder, die ich vergessen wollte, stiegen wieder hoch, tausend Schatten, die mit ihren Geisterfingern nach mir griffen und mich anflehten, den Reihen der ihren nicht einen weiteren Schatten hinzuzufügen. Jammernd, klagend. Ich hasste diese
Striges, die ihre scharfen Klauen in mein Gewissen schlugen.
Trotzdem war ich ruhig und gefasst, als ich den Medicus in Richtung Tür begleitete. Im Vorraum hatte sich die Tür zu den beiden Frauen noch nicht geschlossen, als er mir riet, ein Opfer zu bringen. Kurz zuckte mein Mundwinkel. Ich hatte schon viele Opfer an die Götter erbracht. Mehr als die meisten. Aber meine Bitten erhörten sie nicht.
Ich war auch im nächsten Augenblick so ruhig, so konzentriert und gefasst, als ich ihn mit meinen Händen gegen die Wand stieß und so dort festhielt, dass mein Ellbogen auf sein Schlüsselbein drückte und mein Unterarm gegen seine Kehle und so einen Schrei verhinderte. Ein wenig mehr Druck, das wusste ich, und sein Leben würde enden. Es wäre nicht das erste, das so durch meine Hände endete. Ich hatte gehofft, das davor wäre das letzte gewesen. Meine zweite Hand stützte sich noch neben seinem Kopf an der Wand auf, war aber bereit, seine Hände abzufangen, sollten diese in eine mir unangenehme Richtung wandern. In seine Tasche zu einem Messer beispielsweise.
“Du hast sie erkannt“, sagte ich dunkel und fast tonlos, während mein Blick den seinen festhielt.
“Woher?“ fragte ich nur. Immerhin war Maesa nicht immer die Nichte eines Kaisers gewesen. Bis vor zehn Jahren war sie zwar die Tochter eines Konsuls und Stadtpraefekten und daher sicher von hohem Stand, aber nicht wie jetzt. Und den Großteil der Regierungszeit Vespasians war sie in Ägypten oder mit mir auf Reisen gewesen. Wir waren vorsichtig gewesen. So vorsichtig. Und doch reichte es nicht. Es war, als ob die Götter nicht wollten, dass meine Hände unbefleckt blieben. Vielleicht klebte auch einfach zu viel Blut an ihnen, als dass sie das jemals sein konnten.