RE: [Thorianum B] B IV Didia Corona
"Wein - wieviel und in welchem Verhältnis hat deine Herrin getrunken?", fragte Pytheas, während er die Leintücher in Essigwasser einweichte und auf die Wolldeckenstreifen wartete. Dabei konnte er es nicht verhindern, dass seine Gedanken kreisten: Flavia Maesa - eine hochgestellte Dame, eine Kaisernichte, wäre, wenn sie auf Reisen ging, mit Pomp und großem Gefolge eingetroffen. Falls sie überhaupt je nach Iscalis gekommen wäre. Das Städtchen war zu unbedeutend. Das sie so einfach lebte, konnte nur bedeuten, dass sie sich auf der Flucht befand. Ob ihr Ehemann am kaiserlichen Hof in Ungnade gefallen war? Wenn es der Kaiser war, der sie verfolgte, war er, Pytheas, dazu verpflichtet, ihm ihren Aufenthaltsort mitzuteilen. Das widerstrebte dem Medicus jedoch. Sein Patron war nicht wie Vitellius, aber gegen Leute, die Absichten auf den Thron hatten, konnte auch er mit äußerster Härte vorgehen. Pytheas sagte sich daher, dass die Flavia noch gar nicht transport- oder vernehmungsfähig war. Also hatte er selbst, zumindest solange sie seine Patientin war, Aufschub, um eine Entscheidung zu treffen. Vielleicht war es aber auch nicht so, und die Kaisernichte war aus ganz anderen Gründen auf der Flucht. Er musste das herauskriegen, doch zunächst musste Flavia Maesa wieder auf die Beine kommen.
Die Sklavin verteidigte die Ehre ihrer Herrin. Soviel Treue wollte Pytheas nicht schmälern. Er reichte ihr die essigwassergetränkte Binde: "Bitte ersetze das Strophium damit und wickle dann ein Stück der Wolldecke um sie. Ich übernehme die Waden"
Er schaute nicht nach oben,als er die Essigwickel anlegte, sondern nur auf seine Hände. Wenn das Fieber auf diese Weise nicht sank, musste er die Frau ganz in eine Badewanne stecken.
Fast beiläufig drehte sich Pytheas zu Bo um:
"Wie ist der Name deiner Herrin, Bo? Ich habe ihn wohl nicht mitbekommen", sagte er. Seine Stimme klang jetzt völlig unbefangen.
Er hatte als Kindermundschenk einmal erlebt, dass jemand direkt neben ihm von einem Prätorianer getötet wurde. Er hatte so tun müssen, als bemerke er davon nichts. Ein anderer Gast hatte ihm mit den Fingern ein Mischungsverhältnis für den Wein angezeigt, und Pytheas war es gelungen, sich nur darauf zu konzentrieren, während auf der Kline neben ihm ein Sterbender stöhnte. So zu tun, als würde man nichts wahrnehmen, war unabdingbar in dem Vipernnest, das der Palatin gewesen war. Pytheas hoffte nur, dass Bo sein Zögern nicht bemerkt hatte. Iscalis hatte den Freigelassenen verändert. Es fiel ihm mittlerweile schwer, so zu tun, als würde er seine Umwelt nicht wahrnehmen. Und Bo mochte mehr sein, als ein einfacher Begleiter.
Titus Caesar Vespasianus Augustus (NSC)
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