10-21-2023, 08:18 AM,
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Ceridwen
Dorfhexe
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RE: Die Hütte der Gwrach
(10-16-2023, 12:39 PM)Tiberius Furius Saturninus schrieb: Saturninus sah in Ceridwens kluge Augen, und einen Moment lang fühlte er mehr Sympathie für sie, als er für die meisten Stadtrömer fühlte, jene Plebs, die schon seit mindestens vier Generationen jeder wirklichen Macht beraubt, in den Straßen umherlungerte und nach Sensationen gierte und die, das dachte er, aber solche ketzerischen Gedanken behielt er für sich und hatte sie bisher niemandem anvertraut, keiner vermissen würde, sollten sich Hunderttausend von ihnen plötzlich in Luft auflösen.
Er ahnte in der Frage, warum er denn ihre Geschichten blutrünstig sein sollten, leise Verachtung. Er als philosophisch gebildeter Mann teilte diese Verachtung durchaus:
" Verstehe mich nicht falsch, Dorfälteste Ceridwen. Deine Geschichte hat Tiefgang, sie hat etwas Geheimnisvolles, sie hat Poesie und Wunderbares, und ich bin mir sicher, dass sie dem Legatus Augusti wie auch anderen gebildeten Römern zusagen würden.
Aber etwas anderes ist die Arena. Dort regiert das gemeine Volk, um nicht zu sagen, der Pöbel. Was sie sehen wollen, sind Sensationen. Wir sind Iscalis noch nicht so weit, aber zumindest in Rom ist es dabei anspruchsvoller und anspruchsvoller geworden. Was, es sind nur zwanzig gestorben? Diesmal müssen es zweihundert sein! Diese Geschichten werden mit Verurteilten, die hingerichtet werden sollen, nachgespielt.
Ein Scharfrichter mit einem Schwert tut es nicht mehr, es muss ein wirklich grausiger Tod sein, den noch nie zuvor jemand gesehen hat! Eine Seeschlacht mit wirklichen Schiffen vielleicht? Gladiatoren, die einen guten Kampf liefern, hat man schon so oft gesehen, lassen wie Frauen gegen Zwerge kämpfen, das ist neu.Und wie wäre es mit Giraffen aus Afrika gegen indische Tiger oder Berberlöwen? Und wir Patrizier ertragen das alles, weil wir die Gunst des Volkes und die Stimmen der Römer, die sie uns geben, wenn wir sie gut unterhalten haben, brauchen. So ist die Realität, Ceridwen. Ich spreche zu dir offener als ich es jemals einem anderen gegenüber getan habe"
ein wenig lächelte er nun, aber seine Augen blickten finster:
"Ein wenig habe ich auch gehört, von den Druidenopfern beispielsweise. Bei Druidenopfer würde jeder Römer jedoch an die Opfer aus unseren eigenen Reihen denken, da würden womöglich der Statthalter und ich ausgebuht werden. Das Gleiche gilt für Königin Boudicca, obwohl ich für die bereits die Idealbesetzung hätte", er dachte an Bonni, die junge Silurerfürstin, die schon Wagenrennen gewonnen hatte:
"Und da es so ist, und ich es nicht ändern kann, bitte ich dich als Patron von Cheddar darum, mich nicht hängen zu lassen"
Aha, meine Geschichte hatte also zu viel Tiefgang und taugte eher für gebildete Römer und weniger für das gemeine Volk. Ob das ein Kompliment sein sollte? Auf jeden Fall bestätigte es das, was ich von den Eroberern hielt. Sie waren verdorben und verkommen. Sie töteten jene, die sich etwas zu Schulden kommen gelassen hatten aus der reinen Freude am Töten. Da musste man sich wirklich fragen, weshalb sie uns so verachteten und uns Barbaren schimpften, obgleich sie nicht weniger barbarisch waren. "Du willst also eine Geschichte nachspielen lassen, bei der möglichst viel Blut fließt, um eure Verurteilten hinzurichten?" Ich schaute vielleicht ein wenig zu pikiert. Zumal er dann meinte, er würde das alles nur veranstalten, weil er sich dadurch die Gunst des Volkes erhoffte.
Schließlich erwähnte er dann noch die Druidenopfer, von denen er gehört hatte und vor dem es jeden Römer grauste. Und als habe er meine Gedanken lesen können, erwähnte er auch die Königin der Icener, die es gewagt hatte, den Römern Widerstand zu leisten. Nach seinen Worten, war beides als Thema für seine Arena ausgeschlossen, weil er dann fürchten musste, ausgebuht zu werden. "Ich erinnere mich noch sehr gut an Boudicca! Es waren schreckliche Zeiten damals!" entgegnete ich ihm und mein Blick schien für einen Moment ins Nichts zu gehen, denn die Erinnerungen an Mona waren gerade wieder sehr präsent in meinem Kopf. Schließlich wandte ich mich ihm wieder zu. Auch mein Blick hatte sich verfinstert. "Die Opfer der Druiden dienten nicht der Unterhaltung des Volkes. Sie töteten auch nicht aus Freude am Töten. Diese Opfer dienten der Allgemeinheit. Nur in der größten Not braucht es ein menschliches Opfer, um die Götter milde zu stimmen. Das wirst du doch wohl verstehen?" entgegnete ich ihm. Es widerte mich einfach nur an, als er davon sprach, wie schade es doch wäre, denn für Boudicca hätte er eine Idealbesetzung.
Schließlich bat er mich als Patron, ihn nicht hängen zu lassen. Eigentlich hörte sich das mehr wie eine Aufforderung an. Eine Pflicht, die ich nun erfüllen sollte. Ich schwieg und überlegte eine Weile. Dann begann ich eine weitere Geschichte zu erzählen, die sich vor langer Zeit in Ulaid*, im Norden der westlichen Nachbarinsel zugetragen haben soll.
"Einst lebte in Ulaid ein König namens Celtchar. Er war groß an Statur und als grausamer Krieger gefürchtet. Er schwang einen Speer, dessen Gier nach Blut so groß war, dass er in einen Kessel mit Gift getaucht werden musste, um ihn in Schach zu halten.
Eines Tages weilte seine Gemahlin Findmór zu Gast bei Blaí Briugu, einem reichen Großbauern, der für sie in seiner Halle ein Festmahl veranstaltet hatte. Die Königin übernachtete in seinem Haus. Da sie ohne männliche Begleitung dort weilte, nahm er sie in der Nacht mit Gewalt und schändete sie.
Als der König dies hörte, wurde er furchtbar wütend und beschloss seine Königin zu rächen. Mit seinen Männern begab er sich in Blaí Briugus Haus und erschlägt ihn in seinem Zorn und nahm seinen Kopf als Trophäe mit. Doch damit nicht genug auch all seine Diener und jene die ihm verpflichtet waren, ließ er von seinen Männern töten.
Als Entschädigung für diesen Mord musste er sein Königreich Ulaid dreimal von einer Heimsuchung erlösen. Die erste dieser Aufgaben war es, Conganchnes, einem Krieger, der plündernd durchs Land zog, zu töten. Doch das war keine leichte Aufgabe, denn die Haut des Plünderers war so hart, dass kein Speer und kein Schwert sie durchstoßen konnte.
Doch Celtchar war gewitzt und dachte sich eine List aus. Er gab Conganchnes seine Tochter Niamh zur Frau, um sein Vertrauen zu gewinnen und lud ihn und seine Männer jeden Tag zu einem Festmahl ein. Als Niamh eines Nachts bei ihrem Ehemann lag, fragte sie ihn, ob er wirklich unbesiegbar sein. Ihr Mann war ganz vernarrt in sie und verriet ihr schließlich sein Geheimnis. Er entgegnete ihr, man müsse ihm glühende Spieße in die Fußsohlen stecken und in die Schienbeine stoßen.
Niamh eilte am nächsten Morgen zu ihrem Vater und erzählte ihm, was ihr Mann ihr verraten hatte. Danach legte sie einen Schlafzauber über Conganchnes und die Krieger ihres Vaters schlichen sich an ihn heran, während er schlief. Die glühenden Spieße wurden ihm in die Fußsohlen und direkt ins Mark der Schienbeine gerammt, und Conganchnes starb. Celtchar nahm sich auch diesen Kopf, um ihn seinem Volk zu präsentieren.
Über das Grab des Conganchnes erhob sich bald ein Steinhaufen, denn jeder, der daran vorüber ging, legte einen Stein dazu, aus Freude, dass der Tyrann endlich tot war.
Die zweite Aufgabe, die Celtchar zu erfüllen hatte, galt einem bösen tollwütigen Hund namens Luch Donn, der des Nachts Menschen und Tiere anfiel und sie tötete. Ihn sollte er erlegen. Celtchar fand einen Erlenstamm, höhlte ihn aus, damit sein Arm hindurchpasste und kochte ihn in Honig, Fett und Kräutern, bis er zäh und geschmeidig war. Er näherte sich dem Hund mit dem Baumstamm über dem Arm und als der Hund hineinbiss, blieben seine Zähne stecken, so dass Celtchar sein Herz durch die Kehle herausziehen und ihn töten konnte.
Die dritte Bedrohung war Dóelchú, Celtchars eigener Hund. Ein Jahr nach Conganchnes Tod fand der König drei Hundewelpen an dessen Grab, die er mit sich nahm. Einen der Welpen schenkte er Mac Dathó, einem reichen Mann aus Leinster, den zweiten gab er dem Schmied Culann und den dritten, Dóelchú behielt er für sich. Der Welpe wuchs und wurde zu einem ausgewachsenen Hund. Doch je älter er wurde, umso bösartiger wurde er. Eines Tages lief er davon und wurde zu einer Bedrohung für die Rinder und Schafe von Ulaid.
Celtchar fand seinen Hund und rief nach ihm und er kam zu ihm und leckte ihm die Füße. Widerwillig tötete er ihn mit seinem Speer. Als er den Speer hob, lief ein Tropfen des giftigen Blutes des Hundes an ihm herunter und durch Celtchars Körper und tötete ihn."
* Ulster
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