RE: Hortus
Prisca zuckte ganz leicht zusammen und richtete ihren Blick beschämt auf den Boden, als Corvus sie fragte, ob es für ihr Gewissen nicht ein wenig zu spät sei. Sie wusste nicht, womit sie diese harschen Worte verdient hatte, aber sie fühlte sich schlecht deswegen und hielt besser den Mund, als dagegen anzureden. Sie wollte nicht, dass er wütend auf sie war.
Aber ja, sie hatte ein schlechtes Gewissen ihrem Mann gegenüber. Er war ihr gegenüber nie so wirklich unfreundlich oder brutal oder gewalttätig gewesen. Er hatte nur das eingefordert, was sein Recht gewesen war, und war eben so unnahbar und streng. Aber das konnte sie ihm nicht wirklich vorwerfen. Und deshalb hatte sie auch ein schlechtes gewissen, weil sie es einfach nicht geschafft hatte, sich wie eine brave Ehefrau in ihn zu verlieben. Bei Corvus war es ganz einfach gewesen, das zu tun, obwohl sie sich nicht einmal angestrengt hatte oder es auch nur wollte. Aber sie hatte seine Hände berührt und ihn angesehen und – naja, das war es gewesen. Prisca hätte viel gegeben, wenn das bei ihrem Mann auch funktioniert hätte. Aber hatte es nicht, und nun gehörte ihr Herz Corvus. Auch wenn dieser sie in letzter Zeit nicht gerade freundlich behandelte.
Und er wollte auch schon morgen gehen! Prisca sah kurz auf und all die Angst, die sie bei diesen kurzen Worten empfand, spiegelte sich wohl auch in ihrem Gesicht. Sie umfasste ihren Bauch etwas fester und drückte sich selbst ein wenig, um sich Sicherheit zu geben.
“Das heißt, dass ich dich heute zum letzten Mal sehe, bis alles bereit ist?“ fragte sie mit leicht zittriger Stimme und wollte sich gar nicht ausmalen, wie die nächsten tage hier sein würden. Allein bei dem Gedanken fühlte sie sich krank und übel, auch wenn sie sich seit ein oder zwei tagen ohnehin zunehmend so gefühlt hatte. “Kann ich dich denn in diesem Stall sehen, wenn ich es schaffe, mich hier loszueisen?“ Das war wenigstens eine kleine Hoffnung, die den Rest erträglicher machte. Obwohl Corvus wohl kaum den ganzen Tag in diesem Stall sitzen und auf sie warten würde.
Und dann fragte er auch noch nach Miriam und Nysa. “Ja, Miriam ist meine Amme und schon mein ganzes Leben bei mir. Sie hat sich auch geweigert, mich zu verlassen, obwohl mein Bruder es ihr befohlen hatte und obwohl Vater sie ja auch freigelassen hat im Testament. Ich kann sie ja nicht einfach hier zurücklassen, ohne ihr etwas zu sagen. Das wäre nicht richtig. Sie kann ja nichts dafür.“
Das war der einfachere Teil. Prisca schaute auf und rang ein wenig mit den Händen in ihrem Schoß, weil sie mit sich selbst haderte. Sie hatte Nysa versprochen, stillschweigen zu bewahren, und bislang hatte sie das auch getan. Aber bei Corvus war das doch sicher etwas anderes, oder nicht? “Merula hat mir Nysa zur Hochzeit geschenkt. Aber wenn ich gehe, muss ich sie natürlich zurückgeben. Aber… ihre Mutter war die Lieblingssklavin seines Vaters, und… Merula weiß das nicht. Und seine Mutter hasst Nysa wegen der Sache zwischen ihrer Mutter und ihrem verstorbenen Mann und irgendwie… fand sie es eine gute Rache, Nysa in Merulas Bett zu stecken. Aber das ist frevelhaft, und… ich kann doch nicht zulassen, dass er sie dann wieder in sein Bett holt, ohne zu wissen, dass ihr Vater auch sein Vater ist.“ So, jetzt war es raus, und Prisca fühlte sich irgendwie erleichtert und trotzdem elend, weil sie nicht wusste, wie sie das nur lösen sollte.
![[Bild: 3_15_08_22_9_37_19.png]](https://adlerchronik.de/gallery/3_15_08_22_9_37_19.png)
Vormund (Tutor): Aulus Carisius Primus (NSC)
|