Ich hatte Niamh auf mich einprügeln lassen, bis sie schließlich halb zusammenbrach und nur noch weinte. Ich wusste, dass sie mich hasste, mehr noch als zuvor, und ja, es schmerzte mich, aber ich konnte diese Last tragen. Sie war in Sicherheit, in Freiheit, und würde von ihrem Hass nicht zerfressen werden. Zumindest hoffte ich das.
Ich verstand nicht wirklich, was im nächsten Moment geschah. Ich hatte mich von ihr gelöst, um Erwan anzuklagen, als Dunduvan auf einmal Niamh herausforderte. Ich wollte ihn schon fragen, ob er jetzt übergeschnappt sei, als ausgerechnet
Ciaran dazwischenging und sich Niamh schnappte und anfing, mit ihr zu
tanzen! Von dem Anblick war ich so perplex, dass ich vergaß, dass ich Dunduvan anschnauzen wollte. Alles in mir war in Alarmbereitschaft deswegen, denn sie so eng bei Ciaran zu sehen, wie er sie im Arm hielt und mit sich zog und herumwirbelte, das machte mir irgendwie Angst. Ich schaute einen Moment länger hin, bis er mit ihr stehen blieb und es einen Moment für mich so aussah, als wolle er sie
küssen. Aber zum Glück war es nicht so, er drehte sie wieder herum und hielt sie bei sich fest in ein wenig Abstand.
Trotzdem war ich noch abgelenkt, als Erwan wohl den Ernst seiner Lage begriff und anfing, zu betteln. Er beschuldigte mich, dass ich irgendwas mit ihr gemacht hätte, und fiel schließlich auf die Knie und winselte um Gnade. Ich war angeekelt von ihm, der Situation und überhaupt war mir alles eigentlich zu viel, was ich aber nie zugeben würde. Ich war kein Mörder und unter anderem aus diesem Grund wohl auch nie ein guter Druide. Ich fühlte mich abgestoßen davon, einen wehrlosen, knienden Mann zu töten und zu opfern, auch wenn er es verdient hatte. Im Kampf war es eine Sache, aber so eine ganz andere. Aber ich wusste, was ich tun musste, also suchte ich den Zorn in mir, der all das leichter erträglich machte.
“Gnade? Hat Niamh dich um Gnade angefleht, als du sie in den feuchten Keller hast werfen lassen, nachdem deine Männer sie geschändet haben? Hat Dierdre dich um Gnade angefleht, als du sie ihren Eltern abgepresst hast, um sie als Sklavin zu verkaufen? Wie viele Mädchen waren in diesem Keller, Erwan? Wie viele von ihnen haben dich um Gnade angefleht, sie freizulassen? Und wie vielen davon hast du Gnade gewährt?“ fragte ich, auch wenn ich die Antwort schon kannte: Er würde kein Mädchen verschont haben. Egal, ob diese auch geweint, gefleht oder gebettelt hatten. Warum also sollten wir ihm diese Gnade gewähren?
Ich schaute zu den anderen und der Muskel in meinem Kiefer zuckte. Fintan machte einen Vorschlag zu seiner Version eines dreifachen Todes. Ich wollte nicht zu viel darüber nachdenken, das alles erschien mir unmenschlich.
“Ein dreifacher Tod. Gekreuzigt und gehängt am Türbalken, den Bauch ausgeweidet, im Haus verbrannt.“ Wenn Dunduvan ihn Adraste weihen wollte, konnte er ihm selber die Brustwarzen abschneiden und in den Mund stopfen, ich würde das nicht tun. Mir egal, ob ich deshalb ein schlechter Druide war.
Aber damit sollten alle befriedigt sein, sie bekamen alle, was sie wollten. Oder zumindest in großen Teilen.
Es dauerte länger, als ich gedacht hätte und war schwerer, als man annehmen wollte, Erwan hoch genug zu hieven und mit Seilen und Nägeln am Türbalken festzunageln. Mit einem tiefen Stoß öffnete ich ihm den Bauchraum und wandte mich dann ab. Das war nie ein schöner Anblick und damit war ich auch fertig. Den letzten Teil würde Ciaran erledigen, und wahrscheinlich brannte er auch schon darauf, das Haus in Brand zu stecken.
Ich wandte mich von dem sterbenen Erwan ab und zu Niamh hin, die bislang von Ciaran festgehalten worden war.
“Wenn du willst, kannst du mit mir mitkommen. Oder mit einem der anderen. Ich hol meine Sachen“, sagte ich, ohne sie anzusehen. Ich ertrug ihren Hass gerade nicht, und ich war sicher, dass er jetzt da wäre. Aber vielleicht wollte sie auch lieber mit Dunduvan gehen. Oder sogar mit Ciaran. Es sollte mich nicht kümmern, aber vielleicht musste ich es einfach noch einmal hören, wie sehr sie mich verabscheute.