RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
Als Niamh erzählte, was ihr passiert war, hätte ich sie beinahe fallen gelassen. Ich musste mich anstrengen, ruhig zu bleiben und einfach nur zuzuhören, ohne etwas dazu zu sagen. Aber was hätte ich auch sagen sollen? Dass es mir leid tat? Dass ich es hätte verhindern wollen? Dass ich die Männer alle töten und ihre Leichen ihr zu Füßen legen würde? All das stimmte, und es alles nützte nichts und würde nichts davon ungeschehen machen, was ihr passiert war. Und ich kam mir dumm und nutzlos vor, wie ich hier herumlief und sie nach unten trug.
“Du bist nicht gestorben, und du wirst noch ein langes Leben haben, aber sie werden alle heute sterben“, sagte ich reichlich dumm und reichlich ruhig, da mir wirklich nichts besseres einfiel, ehe ich sie absetzte und zu meinen Brüdern hinüber ging.
Dunduvan hatte irgendwen geköpft, aus seinem Beutel schaute noch ein paar dunkle Haare raus. Er versprach mir auch Erwans Kopf, aber ich wusste gar nicht, ob ich den haben wollte. Ich sah ihn nicht als ehrbaren Feind an. Sein Kopf versprach weder guten Rat, noch große Weisheit. Er war niemanden, den ich ehren könnte. Wahrscheinlich würde ich den Kopf in den Fluss werfen, damit er von Wasser umschlossen gebannt sein würde, damit dieser Kerl nie wieder Unheil anrichten würde und nicht wiedergeboren würde. Ich wusste es nicht und hatte grade echt andere Dinge im Kopf.
Ciaran schaute Niamh an, was mir nicht gefiel, und fragte, ob sie kaputt sei. Wieder einmal murmelte ich nur “Halt die Klappe, Ciaran“, wie schon oben auf dem Dach, da ich jetzt grade wirklich nicht mit ihm streiten wollte. Und erst recht war es nicht an mir, Niamhs Zustand zu erklären. Keinem von ihnen. Sie sollten sie nicht so ansehen. Es reichte, dass ich es jetzt wissen musste und wohl immer daran würde denken müssen, wenn ich sie ansah. Die Schuld darüber lastete schwer auf mir, denn all das hätte anders sein können, wenn ich nur nicht als der geboren worden wäre, als der ich geboren worden war. Wenn ich ihr ihren Wunsch nach Sicherheit und Familie hätte erfüllen können.
Wenn das hier vorbei wäre, würde ich sie fragen, ob ich sie zu ihrem Suileabhain zurück wollte, und sie hinbringen, wenn sie ja sagte. Vielleicht konnte sie dann noch ein friedliches Leben führen, fernab von all dem Chaos hier.
Aber Ciaran gab sich erstaunlich kooperativ und bot ihr Kräuter an. Instinktiv trat ich vor und halb zwischen ihn und sie, um ihn einmal anzusehen, aber er schien es ehrlich zu meinen. Dieses Mal zumindest. Ein Blick zwischen uns reichte, und er wusste, dass es böse enden würde, wenn er ihr weh täte. Aber er wirkte ganz ungerührt davon und redete nur von seiner Bombe. Niamh nahm die Kräuter an und cih hoffte, dass sie ihr helfen würden.
Wer mich dann aber wirklich überraschte, war Calum. Kreideweiß war er zu uns getreten und kündigte Dunduvan die Zusammenarbeit auf. Verdammt, ich wusste, er war sensibel, aber dass es ihn so mitnahm, hätte ich nicht gedacht. Wenn ich das auch nur geahnt hätte, hätte ich ihn von vornherein gebeten, besser nicht mitzukommen.
“Calum...“, fing ich an, wusste dann aber nicht so recht weiter. Außerdem war ich blutverschmiert, ebenso wie der grade reinkommende Alun. Eine Umarmung wäre da wohl wenig hilfreich. “Das hier ist jetzt grade kein guter Ort und Zeitpunkt. Bruder… ich danke dir wirklich, dass du hier geholfen hast. Aber das folgende wird blutig werden. Vielleicht ist es besser, wenn du jetzt gehst und dir ein Alibi verschaffst. Und wir reden morgen wieder. Ich muss sowieso noch mit dir reden. Aber nicht hier und jetzt.“ Ich hoffte, dass dann die Gemüter wieder abgekühlt waren und Calum auch mit sich reden lassen würde. Aber hier und jetzt machte das alles wenig Sinn.
Falke
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