(07-10-2023, 08:25 PM)Accia Prisca schrieb: Prisca hörte ihm zu und beobachtete dabei, wie sich sein Gesicht aufhellte und friedlich wurde, als er so über die Musik sprach. Hach, sie hätte dahinschmelzen wollen, als sie ihn so ansah. Oder ihn küssen, wenn sie mutig genug gewesen wäre und hier nicht ungefähr eintausend Leute um sie herum säßen. Sie hoffte nur, dass niemand merkte, wie sie einfach nur glücklich darüber war, ihn anzusehen und ihm zuzuhören. Auch wenn das ja gar nichts schlimmes war und wohl auch nie mehr passieren würde, außer vielleicht in ihrem Kopf.
“Dein Onkel hat dir erlaubt, Lyra zu spielen?“ fragte sie fasziniert nach. Sie hatte noch nie einen römischen Mann getroffen, der Lyra gespielt hatte. Kaiser Nero, den man heutzutage nicht mehr erwähnen durfte, soll wohl auch Lyra damals gespielt haben. Aber sonst wüsste Prisca von keinem.
Sie seufzte leicht. “Das klingt wundervoll. Ich hatte in Londinium auch eine keltische Freundin. Dilys hieß sie. Ihre Familie wohnte zwei Häuser weiter, ihr Vater hatte einen Laden für Töpferware. Aber gesungen hat da leider niemand.“ Prisca kicherte. “Wenn Dilys es versucht hat, hat der Hund immer angefangen, zu jaulen“, verriet sie und wurde dabei rot, weil sie die Freundin verraten hatte. “Sie hat vorletztes Jahr geheiratet und ist dann weggezogen, leider“, erzählte sie etwas betrübt zu Ende. Sie vermisste ihre Freundinnen in Londinium. Sehr. “Ich hätte ja vorgeschlagen, dass du deinen Freund einlädst, damit er uns vorsingen kann. Aber ich musste Sabinius Merula versprechen, nie Kelten in sein Haus zu lassen. Er mag sie nicht. Wegen seines Beines, du verstehst“, meinte sie bedauernd, da sie wirklich gerne diese Musik gehört hätte.
Leider war er auch nicht bei dem fest gewesen, von dem sie gesprochen hatte. Sie wollte gerade daran anknüpfen, als sie ein ihr bekanntes, raues Lachen hörte und ihr ohne Vorwarnung ein Schauer über den Rücken lief. Prompt setzte sie sich wieder gerade hin und starrte vor sich auf den Tisch, ihre Hände sitzsam im Schoß gefaltet. Nur ganz vorsichtig sah sie auf und sich dann um, bis sie schließlich ihren Bruder inmitten einiger anderer Legionäre entdeckte. Offensichtlich trank er gerade etwas und aß ziemlich unmanierlich etwas Eintopf ein bisschen weiter. Aber noch schien er sie nicht bemerkt zu haben.
Sie schaute zu Tarutius Corvus hinüber, der sie ihrer Meinung nach fragend ansah. Noch einmal schaute sie kurz zu den Legionären und dann wieder vorsichtig zu Corvus. “Dort hinten ist mein Bruder. Ich will nicht, dass er mich bemerkt“, flüsterte sie ihm zu. Ob es wohl negativ auffallen würde, wenn sie jetzt schon wieder nach Hause gingen?
“Heureka!“ rief ein alter Mann einen Tisch weiter auf einmal laut aus und zog damit alle Blicke auf sich, die er erst brummelnd wieder abzulenken versuchte und schließlich einen Trinkspruch “Auf das Wohl des Kaisers!“ ausrief, der von überall erwidert zu werden schien. Er flüsterte irgend etwas seinem Sklaven zu, der bei ihm stand, und machte sich dann daran, aufzustehen und sich zu verabschieden.
Als der Sklave an Priscas Tisch vorbeikam, meinte sie, ihn etwas vor sich hinschimpfen zu hören, was verdächtig nach “Will der alte Bock jetzt ernsthaft eine Hure haben“ klang.
Mir fiel auf, wie Accia Prisca mich anschaute. Fast glaubte ich, sie sei verliebt in mich oder fasziniert von dem, was ich sagte. Offenbar fand sie in mir etwas, was sie bei ihrem Mann nicht fand. Ich glaubte kaum, dass man sich mit Sabinius Merula über Musik unterhalten konnte. Höchstens vielleicht Marschmusik und wie er dazu mit seinen Soldaten marschiert war. Sie war wirklich nicht zu beneiden. Einen bescheuerten Bruder und einen langweiligen Mann zu haben! Dabei war sie schon irgendwie hübsch. Für römische Verhältnisse war sie vielleicht etwas zu groß. Aber das Aussehen war ja nicht unbedingt immer das Entscheidentste.
Ich musste lachen, als sie mich wegen des Lyraspiels fragte.
"Sagen wir es mal so, meine Tante hat es ihm nicht verraten." Ich hatte mich mit zehn oder zwölf Jahren versucht, die Crwth zu spielen. Aber ich hörte schnell wieder damit auf. Vielleicht hätte ich ein wenig mehr Ausdauer an den Tag legen müssen. Ich sehnte mich danach, ein Leben zu führen, in dem ich Zeit hätte, mich mit solchen Dingen wie Musik oder das Lernen von Instrumenten zu beschäftigen. So rannte ich einem verdammten Phantom hinterher, das mir wahrscheinlich mein Leben lang keine Ruhe gönnen würde.
Sie erzählte mir von ihrer keltischen Freundin Dilys, die sie in Londinium hatte und die nicht musikalisch gewesen war. Wieder musste ich lachen, weil ihr Gesang eher Hunde abschreckte. Tja, es musste eben auch Ausnahmen geben. Ich war überzeugt, sie hätte sicher Louarn sehr gerne zugehört, wenn er seine Lieder sang. Aber ihr Mann war ein ausgemachter Keltenhasser, der keinen von uns freiwillig in sein Haus gelassen hätte. Wenn Sabinius wüsste, wen er bereits in seinem Haus aufgenommen hatte!
"Ja, das ist sehr bedauerlich, was mit seinem Bein passiert ist und dass er deswegen ein ganzes Volk hassen muss!" War eine Verletzung nicht das Risiko, das ein Mann einging, der sich dafür entschieden hatte, als Krieger oder Soldat zu leben?
"Vielleicht ergibt sich ja einmal eine andere Gelegenheit," meinte ich dann noch und lächelte.
Es war schön, so völlig ungezwungen mit ihr zu sprechen. Sie war mir von Anfang an sympathisch gewesen. Doch nun mochte ich sie sehr. Schade, dass sie eine verheiratete Römerin war!!
Plötzlich bemerkte ich eine Veränderung bei ihr, als sei ihr ein Geist erschienen. Sie verkrampfte sich und starrte plötzlich vor sich hin. Hatte ich etwas Dummes gesagt? Dann schielte sie in Richtung einiger Legionäre, die ein paar Tische weiter saßen und sich sehr ausgelassen verhielten.
"Ist alles gut, Accia?" fragte ich vorsichtig. Als sie dann antwortete, dass ihr Bruder einer dieser Legionäre sei, schaute ich automatisch in diese Richtung. Ich glaubte, ihn von weitem zu erkennen. Aber ich war mir nicht sicher. Prisca aber war das alles sehr unangenehm und sie dachte schon ans Nachhause gehen. Was wartete schob zu Hause auf sie? Sie hatte etwas Besseres verdient!
"Ich habe eine bessere Idee! Komm mit!" Als die Menge einem Alten zuporstete, der einen Trinkspruch auf den Kaiser ausgerufen hatte, stand ich auf und zog sie mit mir, als auch sie sich erhoben hatte.
Zunächst entfernte ich mich von den Legionären, doch dann schlug ich die Richtung zu Alans Stall ein. Dort hatte ich am Vorabend einen Beutel mit Wechselkleidung deponiert, damit ich nicht in meiner Toga auf Erwans Dach herumklettern musste.
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