RE: Die Amtsübernahme des Statthalters Lucius Petilius Rufus
Lucius Petilius Rufus stieg die Treppe vom Anlegeplatz nach oben.
Ihm folgte ein kleines Heer an Gefolgsleuten, Angehörigen der Classis Britannia und nicht zuletzt Sklaven und Schreibern, die die Amtsübergabe protokollieren und bezeugen sollten, in gebührendem Abstand. Leider gab es keine elegantere Möglichkeit, nach oben zu gelangen, denn die Anlegestelle war natürlich an der Wasserkante unten und der Hof, den der Statthalterpalast umschloss, einige römische Doppelschritte höher gelegen, um bei Hochwasser nicht sofort überflutet zu werden. Aber Rufus sah sich selbst als sportlich im Rahmen seines Alters an und stieg ohne Beschwerden die Treppenstufen nach oben. Dort eröffnete sich ihm ein Blick auf einen weiß gepflasterten Hof, der auch als Forum getaugt hätte, durchbrochen von einigen Pflanzungen und schön angelegten Gartenanlagen nebst höchst sehenswerten Springbrunnen. Die Architekten der Anlage hatten wahrlich ganze Arbeit geleistet.
Auf dem geraden Mittelweg zwischen all diesen Herrlichkeiten wartete auch das Empfangskomitee. Vorne stand Caius Claudius Crus in eine feine Toga gehüllt, die Schriftrolle, die ihm die Statthalterschaft einst gegeben hatte, in der rechten Hand, umringt von seinen engsten Vertrauten und Gefolgsleuten.
Dieser Augenblick war immer etwas diffizil, wenn auch durch reichlich Routine erprobt, denn natürlich könnte ein Statthalter sich auch weigern, den Befehl über eine Provinz abzugeben. Nicht erst eine Revolte war so ausgelöst worden. Zuletzt bestimmten die Legionen über ihren Kaiser, wie Flavius Vespasianus der ganzen Welt selbst vor Augen geführt hatte.
Rufus wartete, bis sich sein Gefolge ebenso hinter ihm versammelt hatte und ließ sich von einem jungen Ritter die Urkunde des Kaisers überreichen, die er sichtbar aufrollte.
“Auf Befehl des Imperator Caesar Vespasianus Augustus, Pontifex Maximus, im neunten Jahr seiner Tribuniciae potestatis, Pater Patriae, betrete ich, Lucius Petilius Rufus, die Provinz Britannia, um als sein Legatus Augusti pro Praetore diese Provinz in seinem Namen und zu seiner Ehre zu führen.“
Claudius Crus wartete einen gemessenen Augenblick und schlug dann seine Schriftrolle symbolisch nieder, um sie einem der Männer an seiner Seite zu überreichen.
“Im Namen des Imperator Caesar Vespasianus Augustus, Pontifex Maximus, im neunten Jahr seiner Tribuniciae potestatis, Pater Patriae, übergebe ich, Caius Claudius Crus, dir die Provinz Britannia, damit du sie in seinem Namen und zu seiner Ehre führen mögest.“
Rufus wartete auch einen angemessenen Augenblick, ehe er sich ein erleichtertes kleines Lachen erlaubte. Die Anspannung fiel allerorts von den anwesenden Männern, die Amtsübergabe war damit vollzogen.
“Claudius, welch Freude, dich zu sehen. Nun, ich hoffe, ich darf dich zum Abendessen heute noch einladen?“ entspann sich daraufhin ein weniger formelles Geplänkel zwischen den Männern, die nun erst einmal Höflichkeiten und Neuigkeiten austauschten, während sie langsam nach drinnen gingen.
Die Räumlichkeiten selber waren noch bei weitem nicht fertig abgeschlossen, überall bemerkte man den Status der frischen Baustelle, was sicher noch ein Jahr so weitergehen würde. Auch wenn natürlich Claudius Crus alles bereitgestellt und organisiert hatte, war Rufus als neuer Herr im Haus dann der Gastgeber des kommenden Gastmahles am Abend, bis zu welchem die beiden Männer noch vieles besprachen. Insbesondere nicht die Baustelle hier in Londinium, sondern die sprichwörtlichen Baustellen, die die Provinz vorzuweisen hatte, die Lage bei den keltischen Stämmen und bei den hier stationierten Legionen, die Beschaffung der Nahrungsmittel, der Handel der Insel und all jene Verwaltungsaufgaben, die nun in den Bereich des neuen Statthalters fallen würden.
Während Rufus in den nächsten Tagen nach und nach einzog und seine Möbel von den Sklaven in die diversen Räume gebracht wurden, er ein Staatsopfer in Londinium hinter sich gebracht hatte und Gerichtstermine für die kommende Woche festlegte, zog der Claudier mit seinem Gefolge nach und nach aus. Erst nach zwei Wochen war die Provinz dann wirklich ganz und gar in Rufus’ Händen.
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