RE: Hausaltar
Prisca nickte, auch um sich selbst zu beruhigen, als er ihr versicherte, dass das Kaninchen genau richtig wäre. Sie trat einen Schritt von Tarutius Corvus wieder weg und strich sich über ihr blaues Kleid, wo nun überall feine, weiße Härchen hingen. Sie würde das später wieder in Ordnung bringen müssen. Sie atmete noch ein weiteres Mal durch und wandte sich dann an die Waschschüssel, die in ihrem hohen Messinggestell neben dem Altar stand, um sich die Hände zu waschen und kurz das Gesicht und den Körper mit einigen Tropfen zu besprengen, um sich so rituell zu reinigen. Da Tarutius Corvus jetzt die Hände voll hatte, machte sie kurz ihre Fingerspitzen feucht und besprenkelte auch ihn und den Hasen mit ein paar dezenten Tropfen, wobei sie darauf achtete, ihm nicht ins Gesicht zu spritzen. Sowas fand sie immer fies und manche Priester machten das mit Absicht, da war Prisca überzeugt.
Dann wurde es ernst. Sie drehte sich zum Altar, entzündete einen Span an der Flamme der Öllampe und damit dann das Kohlestück in der Opferschale, wobei sie den brennenden Span einfach dazulegte und dort ausbrennen ließ. Dann nahm sie zwei Körnchen Weihrauch und legte sie auf die Kohlen, wo sie sofort zu rauchen anfingen und feine, weiße Rauchfäden duftend emporstiegen.
“Vater Ianus, öffne die Türen für mein Gebet. Trage meine Worte zu Aesculapius und seiner Tochter Hygeia, auf dass sie mich hören mögen“, eröffnete sie das Gebet, wie sie es von ihrem Vater gelernt hatte, mit einer rituellen Formel.
“Großer Gott Aesculap. Ich habe lange nicht mehr zu dir gebetet. Über ein Jahr, seit mein Vater gestorben ist, den du leider nicht gerettet hast. Und dennoch stehe ich heute wieder vor dir und bitte dich erneut um Heilung. Ich bitte dich, meinen Ehemann, Marcus Sabinius Merula, von seinem Leiden zu befreien und ihn die Operation überstehen zu lassen. Ich bitte dich, halte deine schützende Hand über ihn, lass ihn stark genug sein, so dass er lebt und wieder gesund wird. Dafür möchte ich dir dieses weiße Kaninchen opfern. Und wenn es nicht zu viel verlangt ist, bitte ich dich, dass die Operation ganz gelingen möge und er wieder gehen kann. Als Dank dafür verspreche ich dir drei weitere Kaninchen, die mein Mann dir mit Freuden darbringen wird.“
Prisca war sich nicht sicher, ob jetzt der passende Zeitpunkt war oder nicht, weil sie ja noch Hygeia opfern wollte, und das unblutige Opfer vor dem blutigen kam, aber jetzt war sie schon so weit, da hoffte sie, dass die Götter ein Einsehen haben würden. Sie nahm also das scharfe Messer und wartete, dass Corvus zu ihr trat, da sie sich jetzt nicht umdrehen durfte, um das Ritual nicht zu unterbrechen. Aber er kam mit dem Kaninchen. Priscas Hand zitterte ziemlich und sie schluckte. Sie schaute in Tarutius Corvus’ Augen und einen Augenblick lang schaute sie einfach nur ihn an und suchte Sicherheit in seinem Blick, ehe sie sich gefasst hatte und dem Hasen schnell in den Hals stach. Es gab eine ordentliche Sauerei, sie hätte nicht gedacht, dass so ein kleines Tier so bluten könnte. Sie legte es ganz und gar auf den Altar und versuchte, den Blutgeruch und das Blut an ihren Händen zu ignorieren, ehe sie das Messer weglegte und sich fasste. Sie war ja noch nicht fertig.
“Und dir Hygeia, große Göttin, biete ich Wein und Honig an. Der Medicus sagte, du seiest seine Schutzherrin, also bitte ich dich, ihn zu schützen und seine Hand ruhig und sicher zu führen, auf dass die Operation gelingen möge.“ Zum Glück standen Wein und Honig schon auf dem Altar, so dass Prisca nichts weiter tun musste. Sie war sich nicht sicher, ob Hygeia ein Opfer mit blutigen Händen angenommen hätte.
Prisca drehte sich nach rechts und beendete damit das Opferritual. Danach sah sie an sich herunter. Sie hatte einige Blutspritzer abbekommen. Corvus auch. Sie würden sich wohl beide umziehen müssen. Und trotzdem stand sie erst einmal da und zitterte einfach nur, bis es stärker wurde und sie leise anfing, zu schluchzen. Sie wollte gern gefasster, matronenhafter, römischer sein. Aber grade hatte sie nur Angst.
Ohne zu überlegen lehnte sie auf einmal gegen Corvus’ Schulter und suchte Trost bei ihm. “Er darf nicht sterben“, weinte sie hilflos, weil sie davor wirklich, wirklich große Angst hatte. Nicht, weil sie ihn lieben würde, obwohl sie das sollte. Sie konnte sich nur nicht vorstellen, was dann mit ihr passieren würde. Auch wenn das höchst selbstsüchtig war. Aber sie hatte wirklich große Angst, wieder zu ihrem Bruder zurückkehren zu müssen.
Vormund (Tutor): Aulus Carisius Primus (NSC)
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