RE: Die Domus und das Ladengeschäft des Tuchhändlers Erwan
Niamh kauerte wimmernd in einer Ecke des Kellers. Die Fesseln hatten die beiden Sklaven ihr abgenommen. Doch an ihrem rechten Fußgelenk prangte nun ein Eisenring, an dem eine Kette befestigt war, die wiederum an einem Eisenring in der Kellermauer befestigt war. Die Kette erlaubte ihr zwei oder drei Schritte von der Mauer weg zu machen. Doch sie wollte gar nicht aufstehen, denn sie hatte noch immer schlimme Schmerzen im Unterleib. Ihr Kopf fühlte sich ganz heiß an und sie hatte so schrecklichen Durst. Sie fieberte.
Wie lange sie schon hier unten saß, konnte sie nicht sagen. Denn die ständige Dunkelheit erschwerte es, festzustellen, ob es Tag oder Nacht war. Anfangs hatte sie noch geschrien, weil sie hoffte, jemand würde dann kommen und ihr helfen. Doch niemand war gekommen. Je länger sie hier saß, umso mehr schwand ihre Hoffnung, befreit zu werden. Wer sollte denn auch wissen, dass sie fort war? Nachdem bösen Erwachen aus der Beltanenacht, war sie davongeeilt. Sie wollte allein sein, als ihr schmerzlich bewusst geworden war, dass ihre Nacht mit ihrem Verlobten nur ein eine perfide Täuschung gewesen war. Wie hatte sie auch nur glauben können, dass er zu ihr gekommen war? Wahrscheinlich hatte er sie längst schon vergessen und war nun mit einer anderen Frau zusammen. Wieder einmal musste sie schmerzlich feststellen, dass sie allein war und dass es niemanden mehr gab, dem sie etwas bedeutete.
Irgendwann war sie endlich eingeschlafen. Ihr Fiebertraum, den sie in ihrem unruhigen Schlaf träumte, führte sie sie zu einer Waldlichtung. Es war Nacht und am Himmel blickte ein voller Mond auf die Erde herab.
Zu Füßen einer alten dicken Eiche kauerte eine junge Frau mit langem rotem wallendem Haar. Sie war schlank und hochgewachsen. Unter ihrem Umhang trug sie ein grünes Gewand. Ihr Gesicht war ganz blass, als wäre kaum noch Leben in ihr. Lediglich ihre Augen waren ganz rot und geschwollen, als habe sie die ganze Zeit über geweint. Sie wandte ihr Gesicht zum Himmel. Dann entfuhr ihrer Kehle ein so bitterlicher Schrei, der so traurig und zugleich schaurig klang, so dass aus allen Blumen, Gräsern um sie herum jegliches Leben schwand. Die ganze Nacht sang sie ihr trauriges Lied, bis zum Morgengrauen. Dann erst verstummte die Klage der bean sidhe, die den nahenden Tod eines Menschen mit ihrem Gesang verkündet hatte.
Niamh glühte inzwischen förmlich, als Stunden später eine junge Sklavin den Keller mit einer Öllampe und einer Schale Puls betrat. Die Gefangene lag inzwischen auf dem Boden und gab wirres Zeug von sich, in einer Sprache, die sie nicht verstand. Die junge Sklavin hatte sie zunächst angesprochen, doch die Gefangene hatte darauf nicht reagiert. Sie stellte die Schale auf dem Boden ab und beugte sich über die junge Frau, die am Boden lag. mit der Lampe leuchtete sie ihr ins Gesicht. Da sah sie, dass die Gefangene völlig verschwitzt war und ganz glasige Augen hatte. Sie fühlte ihre heiße Stirn. Das verhieß nichts Gutes! Schnell rannte sie nach oben und berichtete ihrem Dominus davon, dass die Gefangene im Keller unter hohem Fieber litt und dringend Hilfe benötigte.
Die junge Sklavin war es dann auch, die Erwan zum Medicus schickte.
|