RE: Speisezimmer (Triclinium)
Dryaden beschützten einzig und allein Bäume? Beseelte Bäume waren für mich jetzt nichts sonderlich Fremdes, auch wir Kelten glaubten daran, dass Dinge belebt sein konnten. Wie man das jetzt nannte, war ja eigentlich egal. Aber dass diese Baumgeister sich so einfach abspeisen hatten lassen und ihre Bäume einfach so kampflos hergaben, das überraschte mich dann doch.
Er erzählte dann noch von römischen Opfern, und natürlich biss er sich an den Menschenopfern fest. Dass die bei uns die meiste Zeit auch nicht vorkamen, nur im Krieg, interessierte ja keinen. Als ob wir unsere eigenen Brüder und Schwestern einfach so opfern würden. Ja, auch das kam in Notzeiten einmal vor, und dann war es eine Ehre, auserwählt zu sein, sich für das größte Wohl der Gemeinschaft den Göttern darzubieten. Aber die Regel war das ganz sicher nicht. Meistens waren es eher Schmuck und Waffen, die geopfert wurden, selbst Tiere waren seltener.
“Und was ist mit euren Spielen? Die sind doch auch den Göttern geweiht? Und ob man nun einem Opfer vorher eine Waffe in die Hand drückt, bevor es von Tieren zerrissen wird oder bis zum Tod kämpfen muss, es bleibt doch dennoch ein Opfer“, sagte ich. Denn natürlich hatten wir hier in Britannia auch diverse Geschichten gehört. Vor allen Dingen von denen, die von Rom besiegt worden waren und dann in Ketten weggeführt worden waren. Ja, wir kannten die Geschichten, wie sie gezwungen wurden, zur Belustigung des römischen Volkes gegeneinander zu kämpfen, Bruder gegen Bruder. Oder gegen Wölfe und Bären und Tiere, die ich noch nie gesehen hatte.
Nein, da fand ich sogar unsere Menschenopfer am Ende ehrlicher. Da war von Anfang bis Ende klar, dass es um den Übertritt in den Tod ging, und das Publikum musste nicht noch bespaßt werden oder grölte besoffen Beifall. Na, gut, manchmal schon, aber so sollte es nicht sein.
“Und was das kleine Volk akzeptiert oder nicht, müsstet ihr Druiden fragen. Wie gesagt, sie sind diejenigen, die mit dem kleinen Volk sprechen. Ohne Druiden würde ich nicht auf einen gütigen Ausgang der Verhandlungen setzen.“ Sowas waren tiefere Mysterien, die auch mir noch verborgen waren. Und ich bezweifelte, dass ich sie verstehen würde. Ich wusste viel. Verdammt, ich wusste so viel, dass ich vermutlich mehr vergessen hatte, als andere je wissen würden. Und ich war wahnsinnig schlecht darin. Aber davon, wie man das kleine Volk von etwas so fundamentalem wie einem Wohnsitzwechsel überzeugen sollte, hatte ich nicht den Hauch einer Ahnung. Ich wüsste nicht einmal, ob das prinzipiell möglich wäre.
Und was würde Flavianus Pü tun, wenn er einem Druiden begegnen würde. Er wurde zwar ganz leise, als ob es hier irgendwas zu verheimlichen von seiner Seite aus gäbe, und ganz ernst, und meinte dann, dass er ihr Wissen aufschreiben wollte. Ich musste mich wirklich anstrengen, ernst zu bleiben, schüttelte aber vergnügt den Kopf. “Druidenwissen geht nur von Druidenmund zu Druidenohr. Nichts davon darf aufgeschrieben werden, und kein Druide würde dir irgend etwas verraten, weil du es aufschreiben würdest. Das ist streng verboten“, musste ich seine Träume wohl zerstören. Aber ich glaubte auch nicht daran, dass das Wissen verloren wäre und alle Druiden vergehen würden. Rom machte es uns schwer, aber vergangen waren wir nicht. Und selbst wenn Calum recht hatte, dass es noch bis weit nach unserem Tod dauern würde, bis Rom aus Britannien verschwand, hatte die Prophezeiung auch davon gesprochen, dass wir dann letzten Endes doch Erfolg haben würden. Mir war nicht wichtig, ob ich das erlebte. Aber dass es geschehen würde, das war wichtig, und daran glaubte ich auch. Musste ich.
Falke
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