Die Hütte der Gwrach
Nichts ist von Beginn an böse. Nicht einmal der ärgste Feind wird mit Hass in seinem Herzen geboren. Es ist die Erziehung und seine Umgebung, die ihn zu dem macht, was er ist. Was einst unschuldig war, wird besudelt mit Neid, Habsucht und genährt mit Lügen und Vorurteilen.
Es gab eine Zeit, da hatte alles seine Ordnung. Jeder von uns hatte eine Bestimmung, die uns die Götter bei unserer Geburt mitgegeben hatten. Meine Bestimmung war es, den Göttern zu dienen. Von Kindesbeinen an hatte ich das geheime Wissen studiert. Ich war vorbereitet worden, um die Aufgabe auszufüllen, die mir bevorstand. Jedoch die Zeiten änderten sich, als die dunklen Schatten über unser Land kamen und mit ihnen die Veränderungen einhergingen, denen wir uns stellen mussten.
Ein langer Weg liegt hinter mir, voller Gefahren und Entbehrungen. Auch ich hatte mich des Hasses nicht entziehen können. Der Verlust der Unschuld hatte auch vor mir nicht halt gemacht.
Seit nun mehr als sechzehn Jahren lebe ich zurückgezogen in einer kleinen Hütte. Die Leute meiden mich. Sie kommen lediglich zu mir, wenn sie etwas plagt. Sei es ein Schmerz im Rücken, der nicht von selbst wieder verschwinden will, eine Wunde, die nicht heilen will oder ein streitsüchtiger Nachbar, der einem nichts gönnen will. Für mache Plage findet sich dann ein Mittelchen oder ein Zauber, der für Linderung sorgt. Ansonsten nennt man mich die Gwrach, ein altes hässliches Weib, das den Tod ankündigt und von der man sich am besten fern hält.
Jedoch war das nicht immer so! Auch ich war einmal jung und hübsch gewesen. Damals vor vielen Jahren hatte ich einmal die Liebe kennenlernen dürfen. Es war eine verbotene Liebe gewesen. Genau weil sie verboten gewesen war, hatte sie mich ins Unglück gestürzt. Damals, als es ratsamer gewesen wäre, sich einen Dolch in die Brust zu stoßen, hatte ich einen Atemzug zu lange gezögert. Ein Fehler, den ich bis heute bereue! Auch wenn ich damals nicht den Tod gewählt hatte, war mein Leben von da an zu Ende.
Nur selten verlasse ich meine Hütte. Meistens geschieht dies zu Zeiten, in denen ich kaum einem Menschen begegne. Ein altes Weib, gehüllt in einen dunklen wollenen Umhang, der mein Haar bedeckt und nur das blasse faltige Gesicht frei lässt. Hüte dich vor der Gwrach! mahnen Mütter ihre Kinder. Läuft mir dann doch jemand über den Weg, dann versucht derjenige Land zu gewinnen, damit ihn nicht doch ein verfrühter Tod ereilt.
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