RE: Das Heim der Priesterin
Es gab ganz definitiv sehr viel schönere Dinge, als sich eine Wunde nochmal säubern zu lassen. Aber wenigstens hielt die Naht wirklich gut und definitiv besser, als wenn ich sowas selber machte, und es zeigten sich bislang keine roten oder gar schwarze Striemen, die von der Wunde wegführten. Wenn das so blieb, würde nur eine kleine Narbe bleiben, aber es gab keine ekligen Folgen wie Eiter oder eine Blutvergiftung. Aber Gilda wollte mich trotzdem wohl am liebsten mit Tee und Brot ins Bett stecken und dort festbinden.
“Ich dachte, ich soll Türen bauen und Holz hacken?“ maulte ich kurz, da mir die Aussicht auf mehrere Tage Tatenlosigkeit überhaupt nicht gefiel. So schlimm war der Kratzer ja wirklich nicht, fand ich. Und reiten war nicht unbedingt anstrengend, wenn man es langsam machte und nicht grade im wilden Galopp über die Felder jagte. Nein, das gefiel mir nicht so wirklich, und ich schaute kurz möglichst unauffällig zu Niamh, die so ja damit gestraft wäre, mich noch ein paar Tage länger als beabsichtigt zu ertragen. Ich hatte ihr eigentlich versprochen, dass sie mich nach heute los wäre, und egal, was zwischen uns auf der Reise passiert war, glaubte ich doch, dass sie ganz froh wäre, wenn ich ging. Das gestern Nacht war nur ein kurzes Aufflackern einer Flamme gewesen, die Suche nach Wärme und Gesellschaft. Ich bildete mir darauf jetzt nicht ein, dass sie mich immer noch liebte oder sich über meine Nähe freute. Und das tat mir durchaus sehr leid.
Ich schnaufte, denn es nützte nichts, und ich überlegte mir schon, wo ich am besten dann schlafen sollte, denn da war ich mir mehr als sicher, dass keine der hier anwesenden Frauen mich in ihrem Zuhause würde haben wollen. Aber es gab ja genug Hütten, und ich brauchte keine Tür. Solange es nicht reinregnete, ging das schon für ein paar Tage, wenn es sein musste. Besser als eine kalte Höhle in jedem Fall. “Gut, ich werde bleiben, bis Dundi hier war, dann reisen er und ich zusammen wieder ab“, lenkte ich also für ein paar Tage ein, denn ganz, ganz sicher würde mein Bruder genau am siebten Tag hier aufschlagen, um wieder reden zu können, und auch sicher würde er nicht lange bleiben wollen.
Nebenan fing ein Baby an zu heulen. Ich grinste ganz kurz ein wenig. Ich mochte Kinder, vor allen Dingen die ganz kleinen, auch wenn ich nie selber welche haben wollen würde. Aber nicht, aus dem Grund, weil ich sie nicht gern hatte oder mich gestört fühlte oder was auch immer andere Leute für Gründe hatten. Ich konnte mir nur nicht leisten, einen Grund zu haben, leben zu wollen, der stark genug war, meine Brüder zu verraten. Und ich könnte es nicht ertragen, wenn meine Kinder meinetwegen würden sterben müssen, sollten die Römer sie finden. Man könnte also sagen, ich wollte keine Kinder, eben weil ich meine Familie liebte.
“War schon ein...“, wollte ich schon fragen, fing mich dann aber grade noch einmal rechtzeitig. Niamh wusste nicht, was ich war, und jetzt war nicht der Zeitpunkt, mich zu offenbaren. “War schon jemand von uns bei ihr? Wegen dem Kind, mein ich?“ fragte ich Gilda danach, ob ein Druide es schon gesegnet hatte. Denn ja, das war auch eine Aufgabe, die wir übernahmen, einem Kind sein Schicksal vorherzusagen – was ich sicher nicht konnte – und es zu segnen – was ich zumindest irgendwie konnte. Ganz ohne Segen sollte ein Kind nicht sein, aber ich bezweifelte, dass viele meiner Brüder hier regelmäßig vorbeikamen.
Falke
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