RE: Von Iscalis nach Norden - Reise in die Sicherheit?
An Sklavenjäger hatte Niamh noch gar nicht gedacht. Allerdings klang das auch recht plausibel. Vielleicht hatte sie sich schon viel zu sehr in etwas hinein gesteigert und sah nun schon Geister, wo gar keine waren! Erwan war es wahrscheinlich ziemlich egal, was mit ihr war. Sie hatte sein Haus verlassen, also benötigte sie auch nicht mehr seine Unterstützung und hatte auch gleichzeitig nichts mehr von ihm zu erwarten. Vielleicht war das der richtige Moment, sich darüber klar zu werden, dass sie allein war. Alle, die ihr etwas bedeutet hatten, waren inzwischen fort. Vielleicht zog sie ja das Unglück an. Umso besser, wenn sie bald bei den Priesterinnen waren, dann würde Louarn vor ihr sicher sein.
Nein, sie wollte diese Gedanken nicht weiter spinnen. Es gab nun Wichtigeres zu tun, was sie ablenkte. Feuer machen, Louarns Wunde versorgen, die Sachen zusammen packen und noch vieles mehr. Immer wieder sah sie dabei zu Louarn, um zu überprüfen, dass sich sein Zustand nicht plötzlich noch verschlechterte. Er hatte sich auf einen großen Stein gesetzt und sah müde aus und bestimmt hatte er auch Schmerzen. Scheinbar schaute er sich den einen Toten genauer an. Sie jedoch vermied es, sich die beiden toten Männer genauer zu betrachten. Sie sollten sie nicht auch noch nachts in ihren Träumen verfolgen können.
Als sie endlich seine Wunde gesäubert hatte, bat er sie, seine Satteltasche zu holen. Sie zögerte nicht lange und holte sie. Wahrscheinlich waren darin die Kräuter, von denen er gesprochen hatte. Er gab ihr Anweisungen und sie begann in der Tasche herumzukramen, bis sie alles gefunden hatte, was sie benötigte, um ihn weiter zu versorgen. Als sie all das erledigt hatte, erwähnte er einen Angelhaken und Fischdarm. Was er damit vorhatte, ahnte sie schon. Wie er ja schon gesagt hatte, die Wunde musste genäht werden! Aber das konnte er unmöglich selbst machen.
Niamh atmete tief durch, als sie den Angelhaken gefunden hatte. „Ich mache das!“ hörte sie sich sagen und sie spürte, wie sich die Panik ihrer bemächtigen wollte. Wie gut, dass Louarn dann sehr freimütig über seine Träume zu sprechen begann, während sie den Fischdarm in die Öse des Hakens einfädelte.
„Das klingt kein bisschen verrückt! In der Nähe unseres Dorfes lebte eine uralte blinde Frau, die eine ähnliche Fähigkeit besaß. Man sagte, sie sei eine bean sídhe, die voraussagen konnte, wenn jemand stirbt.“ Niamh hatte das schon immer sehr gruselig gefunden und war der Alten immer aus dem Weg gegangen, wenn sie sie kommen gesehen hatte.
Schließlich war sie bereit, ihn zu nähen. Ihre Hände zitterten ein wenig, als sie die Spitze des Hakens in seine Haut bohrte. Am Anfang empfand sie das als sehr schwierig und sie dachte schon, sie müsse sich gleich übergeben. Aber sie fing sich wieder und konzentrierte sich in ihre Aufgabe. Glücklicherweise waren es nur vier Stiche, die die machen musste. „Eine rothaarige Frau?“ fragte sie und sah kurz auf. Nein, damit konnte unmöglich sie gemeint sein! Weshalb sollte sie in seinen Träumen erscheinen? Sie setzte den letzten Stich und sah zu, dass die Naht sich nicht mehr so schnell lösen konnte.
„So, fertig!“, verkündigte sie, als auch Louarn zu Ende gesprochen hatte. „Sicher hat all das etwas zu bedeuten. Ich glaube nicht, dass du das einfach so geträumt hast! Vielleicht hast du eine besondere Verbindung zu den Göttern!“, gab sie ihm zu bedenken, während sie damit begann, die Sachen wieder wegzupacken. Vielleicht war es wirklich besser, wenn sie sich nun sputeten, damit sie bald bei den Priesterinnen waren. Dort konnte Louarn dann richtig versorgt werden.
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