RE: [Thorianum B] B IV Didia Corona
Ich verstand ja durchaus ihre Not und die Einsamkeit, die sie erlebte. Entgegen der allgemeinen Annahme war ich ja doch kein gefühlloser Klotz, der sich nicht in andere hineinversetzen konnte. Ich verstand, dass dieses Leben hier ganz anders war als alles, was sie gewohnt war. Dass sie eigentlich in Rom sein könnte, ein Fest nach dem anderen besuchen, von Männern und Frauen gleichermaßen umringt, einfach nur, weil sie eine Flavia war. Theatervorstellungen, Spiele, Lachen, das Treffen mit wichtigen Persönlichkeiten, fremdländischen Königen, die Geschenke brachten. Natürlich verstand ich, dass sie das alles vermisste. Auch wenn es nie mein Leben gewesen war und ich das alles eher vom Rand aus betrachtet und eher die Schattenseiten des Ganzen mitbekommen hatte: Die Intrigen, die kleinen Sticheleien, die Komplotte. Die Morde. Nein, ich weigerte mich, meine Gedanken diesen Pfad hinuntergehen zu lassen. Nicht jetzt. Nicht hier.
Fakt war, dass der Preis für dieses Leben eben ihr Leben gewesen wäre. Ihr Mann hätte sie weiterhin gequält und eines Tages hätte sie entweder selbst ihr Leben beendet, oder ihr Mann hätte einen weiteren Unfall inszeniert. Und das durfte ich nicht zulassen. Ich hatte geschworen, sie zu beschützen und am Leben zu halten. Und das war vielleicht das erste durch und durch Gute, was ich in meinem Leben getan hatte. Und es war das einzige, das die Geister in Schach hielt. Vielleicht war es egoistisch, sie retten zu wollen, eben genau deswegen. Nichts desto trotz war es eben so, und ich war sehr gewillt, diesen Schwur zu halten.
Und deshalb schwieg ich auch wieder, wie so oft, auch wenn ich merkte, dass sie trauerte. Vielleicht hätte ich sie unter anderen Umständen in den Arm genommen, ihr tröstende Worte gesagt und versprochen, dass alles gut werden würde. So etwas, was normale Menschen eben taten. Aber ich war nicht normal. Ich war so unwürdig, wie ich nur sein konnte, und sie hatte klar gemacht, dass sie diese Grenze nicht überschreiten wollte. Und im Gegensatz zu ihrem Ehemann respektierte ich diese Grenze und würde sie nie ohne Einladung überschreiten. So schwer es mir manchmal auch fiel.
Als sie sich nach der Nachbarschaft erkundete, spannte ich mich kurz unmerklich an. Verdammt, jetzt fiel mir wieder auf, was ich im Trubel des Umzugs und der Ereignisse rundherum vergessen hatte. Irgendwas war mir aufgefallen an der Anschlagtafel, aber es war untergegangen. Ich war zu abgelenkt, und das könnte tödlich sein. Ich sollte mir weniger Gedanken um Didia Corona als solches machen und viel weniger Gedanken um ihr Liebesleben, und mich mehr auf meine Aufgabe konzentrieren.
“Ich habe noch nicht alle Nachbarn überprüft. Ich weiß von einem Thermopolium, von dem ich auch unser Essen habe. Dazu gibt es noch einen Stand, der scharfe Würste verkauft und von zwei Mädchen betrieben wird. Die sind soweit unauffällig. Eine Wäscherei, und ein Medicus. Mit letzterem hatte ich ein kurzes Gespräch, er hat mir den Vermieter empfohlen und schien ganz kompetent. Genauere Überprüfungen muss ich allerdings noch anstellen.“
Wird für einen Freigelassenen von Didia Corona gehalten
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