Mit seiner nichtsnutzigen Schwester im Schlepptau war auch Marcus Accius Florus nun auf dem Weg zu den Zuschauerrängen des Holzcircus, der hier vor den Toren der Stadt vor einiger Zeit aufgebaut worden war. Hach, er hasste es, sie jetzt an der Backe zu haben. Überhaupt hatte er noch nie etwas mit ihr anfangen können. Natürlich hatte er immer gewusst, dass sein Vater noch einmal heiraten würde nach dem Tod von Marcus’ Mutter. So war es eben. Aber als die zweite Ehefrau ihm keine Kinder geboren hatte, hatte Marcus sich schon darin gesonnt, einmal der alleinige Erbe all des väterlichen Wohlstandes zu werden. Außerdem lief es zu der Zeit auch sonst ganz gut für ihn. Er war bei den Truppen gewesen, die mit Gaius Suetonius Paulinus diese Provinz erobert hatten. Er hatte sich in mehreren Scharmützeln hervorgetan und war bereits mit dreiundzwanzig Jahren Actuarius, auf dem besten Weg Optio zu werden. Eine Ehre, die er nach seinen, nun, Leistungen bei der Eroberung dieser verfluchten Druideninsel dann auch erhalten hatte. Zu schade, dass sie dort so schnell hatten abrücken müssen um den Aufstand der Icener niederzuschlagen.
Da hätte Marcus Accius Florus schon ahnen können, dass sein Glück ihn verließ. Und mit dem nächsten Brief seines Vaters war es auch Gewissheit, denn erst heiratete dieser, und dann bekam diese Frau auch noch ein Kind, das ihm sein Erbe schmälerte. Auch wenn er danach auch weiterhin militärisch Karriere machte und sogar zum Centurio aufstieg, und ab nächstem Jahr sogar um ehrenhafte Entlassung bitten konnte, sein Glück war verschwunden. Er hatte einfach kein Glück. Entweder setzte er auf das falsche Pferd, oder er vertat sich beim Würfeln, oder er traf unter zu viel Weineinfluss schlechte Entscheidungen. Die Sklaven, die er durch seinen Dienst und die Eroberungen bekam, wurden vor dem Verkauf krank und starben. Eine Lupa stahl seinen Sold. All solche Dinge. Immer wieder.
Als sein Vater dann plötzlich starb, hatte er schon ein Ende seines Pechs kommen sehen. Mit dem Erbe konnte er seine Schulden begleichen, und hatte sogar erst einmal noch etwas übrig, um es wieder zu investieren. Nun, gäbe es da nicht dieses kleine Problem namens Accia Prisca, die laut Testament nicht wenig davon erben sollte, und auch noch eine ordentliche Mitgift erhalten sollte. Beides Dinge, die Florus so nicht wirklich gefielen. Und beides Dinge, die zu verhindern er durchaus sehr gewillt war.
Daher hatte es ihn auf dem völlig falschen Fuß erwischt, als Prisca erzählt hatte, sie hätte Sabinius Merula getroffen, und dass sie sich mit diesem Treffen wollte. Auf seine Bitte hin! Accius Florus war sich sehr sicher, dass er dem Sabinier noch Geld schuldete, und das nicht mal unbedingt wenig. Er hatte den Überblick darüber verloren, wem er wie viel schuldete, aber da der Name ihm etwas sagte und außerdem der Mann auch Centurio gewesen war und eigentlich auch aus der Invalidenkasse noch Geld hätte erhalten sollen, erinnerte sich Florus sehr wohl an das Vorhandensein dieser Schulden. Da war es ihm alles andere als Recht, wenn Prisca ausgerechnet diesem Kerl nachdackelte und ihm schöne Augen machte. Aber überhaupt, wer rechnete auch damit?! Seine Schwester sah aus wie ein Pferd! Und noch nicht mal eins der stattlichen Sorte.
Aber nachdem er sich abgeregt hatte und darüber nachgedacht hatte, war er zu dem Entschluss gekommen, dass es vielleicht gar nicht so schlecht war, seine Schwester mit in die Sache reinzuziehen. Vielleicht erinnerte sich Sabinius Merula ja gar nicht? Und vielleicht war er auch so verzweifelt, dass er ihm die missliebige Schwester auch ohne Mitgift abnehmen würde. Wer wusste das schon? Vielleicht verschacherte Florus sie auch einfach als gefälliges Spielzeug, um seine Schulden abzubezahlen. Ja, die Idee gefiel ihm fast noch am besten, auch wenn das die am wenigsten ehrenvolle Variante war. Aber er hielt Prisca für dumm und still genug, dass sie nicht aufbegehrte.
Und so zog er sie jetzt auch hinter sich her.
“Mach schneller, Pferdegesicht“, trieb er sie an, da sie schon recht spät waren und drohten, den Beginn der Rennen zu verpassen.
Prisca wusste von all den Gedanken ihres Bruders freilich nicht und versuchte nur, mit ihm Schritt zu halten. Sie traute sich nicht, ihn zu fragen, ob er Sabinius Merula eine Nachricht geschickt hatte, wie sie es gesagt hatte, denn sie hatte Sorge, dass der nette Centurio ja sonst gar nicht wusste, dass sie hier war. Als sie ihn dann aber da stehen sa mit seinen beiden Sklaven, war sie so sehr erleichtert, dass sie ganz kurz sogar lächelte. Aber wirklich nur kurz, damit ihr Bruder es nicht sah.
Der wiederum ging auf Sabinius Merula zu wie auf einen alten Freund. Und er
lächelte. Etwas, das Prisca bei ihm noch nie gesehen hatte. Sie war so verdattert, dass sie sich bemühen musste, dass ihr nicht der Mund offen stand.
“Ah, Centurio Sabinius Merula! Ah, halt nein, Veteran Sabinius Merula! Was freut es mich, dich zu sehen! Ich konnte es gar nicht glauben, als meine Schwester mir von dir Grüße überbracht hat“ redete er auch gleich freundschaftlich und ausgelassen. Und Prisca war noch weit mehr verwundert. Wer war dieser
Fremde da neben ihr, der so
warmherzig einen anderen begrüßte?