Endlich ging es los! Niamh hatte ihre Sachen gepackt. Ihr Umhang war inzwischen wieder trocken geworden. Sie hatte ihn um ihre Schultern gelegt und mit einer Fibel verschlossen, aber darauf verzichtet, die Kapuze über ihren Kopf zu ziehen. In einer Stofftasche hatte sie etwas Proviant mitgenommen und hatte sich von Alan verabschiedet.
Den Weg durch die Stadt lief sie schweigend neben Louarn her. Dass er ihr nun half, hatte erheblich mit seinem schlechten Gewissen ihr gegenüber zu tun. Aber auch, das musste sie zugeben, weil er einfach ein netter Kerl war, der leider viel zu kompliziert war.
Sie bedauerte nicht, dass sie der Stadt nach so kurzer Zeit wieder den Rücken kehrte. Diese neue Welt, die sie hier entdeckt hatte, sie war in ihr nicht glücklich geworden. Die Reise in den Norden, die nun vor ihr lag, glich deshalb mehr eine Flucht.
Kaum hatten sie die Stadt verlassen, half er ihr dabei, das Pferd zu besteigen. Danach schwang er sich selbst auf den Rücken seines Braunen. Ebenso schweigend wie zuvor ritten sie ein ganzes Stück. Niamhs Gedanken kreisten um die Ereignisse der letzten Nacht. Auch wenn sie schmerzlich für sie ausgegangen war, wollte sie sie dennoch nicht missen. Sie hatte die Zeit mit Louarn genossen. Er hatte sie zur Frau gemacht und ihr gezeigt, wie schön es sein konnte, wenn Mann und Frau sich lustvoll vereinten. Auch wenn sie sich dagegen wehrte, sie würde seine Berührungen schmerzlich vermissen, wenn sich ihre Wege bei den Priesterinnen trennen würden. Im Augenblick jedoch beschränkten sich ihre Berührungen auf ein notgedrungenes enges Beisammensein auf dem Rücken eines Pferdes. Er hielt sie fest, damit sie nicht herunter fiel. Niamh jedoch versuchte, sich nicht an ihn anzuschmiegen, was auf die Dauer recht anstrengend und ermüdend war. Louarn schien das bemerkt zu haben, denn irgendwann bot er ihr an, sie solle sich doch an ihn lehnen, damit sie etwas schlafen konnte. „
"Nein, ist schon gut! Ich muss nicht schlafen." gab sie zurück und zwang sich in der gleichen Stellung zu verharren. Drei Stunden sollte sie das noch aushalten! Das war eine große Herausforderung! Ob sie das schaffte? Louarn aber versuchte schließlich, endlich das Schweigen zwischen ihnen zu brechen, indem er sie nach Höhlen in ihrer Heimat fragte. Allerdings war Niamh nie in einer Höhle gewesen. Aber sie hatte davon gehört, dass es etwas weiter nördlich eine Höhle geben sollte.
"Ja, gibt es. Ich war aber nie dort gewesen," antwortete sie knapp. Seit sie die Stadt verlassen hatten, hatte sie aufmerksam auf die Veränderungen in der Landschaft geachtet. Die bewaldeten Hügel ähnelten ein wenig der Landschaft ihrer Heimat, wobei die saftig grünen Wiesen in Éire überwogen.
"Können wir mal eine Pause machen?" fragte sie schließlich nachdem sie schon einige Stunden unterwegs waren.
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Mit gebührendem Abstand folgten dem braunen Pferd und seinen beiden Reitern zwei Männer, die peinlich genau darauf achteten, nicht entdeckt zu werden. Seit sie Iscalis verlassen hatten, waren sie ihnen auf der Spur. Beide Männer waren Profis darin, wenn es darum ging, Menschen zu jagen. Hatten sie einmal die Witterung aufgenommen, war es sehr schwer, sie wieder loszuwerden. Im Augenblick hielten sie sich noch zurück und dachten noch lange nicht daran, zuzugreifen. Noch nicht!