RE: Cubiculum des Hausherrn | Gewitterwolken
Ich hatte schon die Cena mit einer metaphorischen eiskalten Faust im Magen verbracht, und die Tatsache, dass Innogen ernst und bedrückt vor der Tür gestanden hatte, war nicht dazu geeignet, mich zu beruhigen. Normalerweise hätte sie mir gesagt, dass man mir nicht den Kopf abreißen würde, doch sie schwieg und schickte nur die anderen Haussklaven, die in der Nähe waren, mit einer Handbewegung fort.
Doch nun in dem weiträumigen Cubiculum des Dominus kamen mir zuerst - meine Eltern in den Sinn: Mein Vater, meine gute Mutter Klamida. Was hatten sie unter meinem leichtsinnigen Tun nicht gelitten; der Vater stumm und in verbissener Würde, die Mutter mit Tränen, stets versuchend, mich zu bekehren und mit Abba zu versöhnen.... ich war ihnen ein so schlechter Sohn gewesen. Weg hatte es mich getrieben, nur weg, und in fünf langen Jahren war ich gewesen, was ich war; ein Herumtreiber, ein Schauspieler, ein verantwortungsloser Kerl; der dann selbst den Sklavenstand dem Erwachsenwerden vorgezogen hatte.
Doch nicht einmal als Sklave hatte ich heute getaugt.
So wie meinen Vater hatte ich an diesem Abend auch den gerechten Dominus enttäuscht, der mir nie anderes als Güte erwiesen hatte. Mein Leichtsinn, den bereits die arme Cassia zu spüren bekommen hatte, hatte mich nun auch in der Villa Plautia eingeholt. Selbst hier...selbst hier.... ich hätte die Domina abhalten müssen von ihrem Plan; stattdessen hatte ich mich dem fleischlichen Vernügen hingegeben, sie umgarnt und in ihr Feuer Öl gegossen (wortwörtlich!) statt es auszulöschen mit mahnendem Wort und weisem Rat.
Wir waren zum Mahle der plautischen Verwandten viel zu spät gekommen, da Herrin und Diener, jung und dumm, wie sie waren, der Wollust frönten. Nicht einmal Kalkül war es, kein böser Sinn, nur kindisch und gedankenlos, als sei unsere Existenz ein immerwährendes Spiel. Saturnalia!
Und zu allem Überfluss hatte ich den Plautius Leander auch noch genötigt, die Scharade um die Nackenverspannung seiner Ehefrau mitzuspielen. Ich hatte gewusst, dass er öffentlich uns nicht widersprechen würde, ohne dass er natürlich einen Moment daran glaubte; doch ihn zu zwingen, das stand mir gar nicht zu!
Ich, Neshro Bar- Abba, bekannt unter dem Namen Nicander, war als Sklave so schlecht wie ich es schon als Schauspieler gewesen war.
Ach, ich verdiente Prügel, das Hypocaustum, den Stall, die Latrinen, die niedrigste Arbeit auf Knien. Meine feinen Gewänder sollte ich ablegen, groben Lendenschurz und barfuß gehen und im Keller zu schlafen waren für mich angemessen, denn ich war der schlechteste, der dümmste Diener unter der Sonne gewesen.
Ich wusste, dass der Dominus es nicht liebte, wenn man sich vor ihm auf den Boden warf, seine Knie umfasste, seine Hände mit Tränen benetzte oder küsste; und was noch all die Bezeugungen waren, um um Gnade zu betteln.
Gnade suchte ich auch nicht, ich verdiente sie auch nicht.
Nur zutiefst unglücklich, mit gesenktem Blick und gesenktem Haupt und zitternd stand ich da, ein wenig schräg neben Norbana Orestilla. Um sie deutlich zu sehen, hätte ich den Kopf ganz wenden müssen.
Das erste Mal bereute ich bitter, was und wer ich war und meinen Leichtsinn. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, meine Identität aufzudecken, aber auch das wäre wiederum gewesen, mich aus der Verantwortung zu stehlen. Dann hätte die liebste Domina ganz alleine die Bürde meines Versagens auf sich nehmen müssen.
Nein, diesmal war ich bereit, alle Verantwortung und so den größten Teil des Zornes des von mir enttäuschten Hausherren zu tragen.
Denn Plautius Leander war zornig, das hatte ich beim Hereinkommen gesehen; still stand er dort, mit verschränkten Armen, aber mit von Zorn umloderter Stirn wie ein Zeus, und die Stille war trügerisch wie wenn am Abend die Luft drückend und schwül uns Sterblichen aufs Gemüt schlug und schwarze Wolken dräuten, bevor dann Blitz und Donner sich mit aller Macht auf die bebende Erde entluden.
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