RE: Triclinium | Cena für die neuen Hausherren
Leander hatte sich das Schlafzimmer zeigen lassen, welches das seine sein würde, und wie alles in diesem Haus war es überwältigend, riesig und mehr als reich geschmückt. Leander konnte immer noch nicht so recht fassen, dass das nun alles ihm gehörte. Er verbrachte ungefähr eine viertel Stunde damit, den Raum anzusehen, die Fenster zu öffnen und zu schließen – überhaupt die Anwesenheit von Fenstern war schon für sich genommen Protz – ehe er wieder ins Atrium ging, um seine hoffentlich zu ihrer Zufriedenheit frisierte Frau in Empfang zu nehmen. Viel Zeit hatte er ihr ja zugegebenermaßen nicht dafür eingeräumt.
Allerdings war von seiner Frau nichts zu sehen. Dafür allerdings von einer Sklavin, die er als Ornatrix identifizierte, da sie mit Kämmen, Haarnadeln und einer Schere bewaffnet wartete. “Ist meine Frau schon fertig...?“ fragte er sie, denn so musste es wohl sein, wenn die Ornatrix im Atrium herumstand.
“Cressa, Dominus“, ergänzte sie auf die stumme Aufforderung hin ihren Namen und verneigte sich. “Nein, Dominus. Die Domina hat mich angewiesen, zu warten, während sie in ihrem Cubiculum ist.“
Dieser Satz ergab reichlich wenig Sinn, und die Art, wie die Sklavin zu Boden blickte, verriet Leander, dass da ein Teil fehlte. “In ihrem Cubiculum? Wo sie… was tut?“ fragte er daher nach.
Cressa schien sich fast zu winden vor der Antwort. “Sie hat ihren Sklaven Nicander angefordert. Es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen, was sie tut.“
Leander war einen Augenblick lang sprachlos. Seine Frau Norbana Orestilla nutzte ihren ersten Tag in dieser Villa, an dem sie sich als Hausherrin präsentieren sollte und wo sie nur sehr wenig Zeit hatte, ehe sie sich mit Montanus treffen sollte, um mit Nicander zu vögeln, mitten am Tage, und ließ ihn dafür warten? Hatte er das jetzt richtig verstanden?
Seine Miene verfinsterte sich erheblich, aber er beschwor sich, ruhig zu bleiben.
“Du kannst jetzt gehen, Cressa, du wirst heute nicht mehr gebraucht. Sollte die Domina dich rufen lassen, wirst du NICHT hingehen, verstanden?“ Ja, Leander war mehr als nur ein wenig zornig. Er hatte für dieses Arrangement nur sehr wenige, sehr nachvollziehbare Dinge von Nicander und Orestilla verlangt, und mit das wichtigste dabei war absolute Diskretion gewesen. Und doch dachte keiner von beiden auch nur ansatzweise daran, dass hier 39 Sklaven waren, die die beiden nicht kannten und über deren Verschwiegenheit und Zuverlässigkeit sie nichts wussten, ehe sie am hellichten Tage und noch mit der Anweisung an eine Sklavin, auf das Ende ihres Liebesspiels zu warten, ins Bett sprangen. Und weshalb?! Leander war über so viel Dreistigkeit wirklich sprachlos. Das würde ein Nachspiel haben.
Erst einmal atmete er ein paar Mal tief durch, um sich zu sammeln, ehe er sich den Weg zum Tablinum zeigen ließ und dort auf einen gutgelaunten Montanus traf und… einen Kerl in einem Goldkäfig. Der sich als Vogel verkleidet hatte.
Nein, nein, Leander würde nicht darüber nachdenken. Montanus war exzentrisch, das hatte er selbst gesagt. “Salve, Plautius Montanus, und verzeih, dass du warten musstest. Meiner Frau setzt die Reise wohl doch etwas zu, weshalb sie sich in ihr Cubiculum zurückgezogen hat.“ Wo sie, wenn es nach Leander ging, auch bleiben konnte. Er war maßlos enttäuscht, ließ sich davon aber im Moment nichts anmerken.
“Ich wäre eher nach Londinium gereist, aber die Straße zwischen hier und Iscalis ist stellenweise eine Katastrophe. Der britannische Regen macht das Reisen nicht gerade gemütlich.“
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