Am Tag vor der Abreise hatte Leander seine Ehefrau noch einmal beglückt und war bei ihr geblieben, bis sie eingeschlafen war, ehe er sich in seine eigenen Räumlichkeiten zurückgezogen hatte. Die Abreise war gut vorbereitet und konnte daher im frühen Morgengrauen auch schon beginnen, wo Leander und Innogen für den ersten Tag die eine, Nicander und Norbana Orestilla die andere Kutsche bestiegen und Hector zeitweilig in der einen, mal in der anderen Kutsche mitfuhr und, soweit er das Gefühl hatte, zu stören, beizeiten dem Kutscher auf dem Kutschbock Gesellschaft leistete.
Die Reise selbst war, wie Leander es gesagt hatte: Hauptsächlich dunkel wegen der geschlossenen Fenster, holperig und recht langweilig, weshalb er sich den ersten Tag der Reise vormittags mit Innogen vergnügte, nach dem Pferdewechsel am Mittag mit seiner Frau und Nicander die Kutsche teilte, um sich etwas zu unterhalten.
Den zweiten Tag widmete er gänzlich seiner Ehefrau und verkürzte ihnen beiden die Zeit, indem er ihr zeigte, wie das Holpern der Kutsche sich auch ganz schön anfühlen und in ihrer beider Bewegungen einbauen ließ, wenn sie auf ihm saß. So verkürzte sich zumindest etwas die Zeit.
Da die Straße doch nasser war, als angenommen, und die reise einen Tag länger verschlingen würde, war am dritten Tag wieder hauptsächlich Innogen seine Reisebegleitung, auch wenn das Leanders Laune nicht gänzlich aufhellen konnte.
Den vierten Tag verbrachte er mit Konversation mit seiner Frau und Nicander ganz brav und langweilig, bis gegen Mittag Londinium in Sicht kam und sich somit das Ende der Reise abzeichnete. Sie verzichteten auf einen weiteren Pferdewechsel und kamen so auch am Nachmittag schließlich bei ihrem Ziel an. Leander konnte es kaum erwarten, die miefige, enge Kutsche zu verlassen. Der Kutscher hielt einmal vor dem Haupteingang der wirklich prächtigen und riesigen Villa. Leander versank einen kurzen Augenblick in dem Anblick der hohen Marmorsäulen, die den vorgelagerten Portikus trugen und als Regenschutz für alle Passanten des Hauses fungierten. Doch noch beeindruckender war die gewaltige, beschlagene Eingangstür, die den Wohlstand geradezu herausbrüllte mit ihren schieren Ausmaßen. Und all das war jetzt
sein Leander brauchte einen Moment, um das wirklich zu erfassen, während er seiner Frau eine Hand bot, um ihr aus der Kutsche zu helfen.
Die Tür knarzte, als zwei kräftige Sklaven sie aufschoben. Einer allein hätte den Türflügel nicht bewegen können.
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In der Mitte des Eingangs stand auch schon ein Mann in einem edlen Gewand, dem man wohl nur an dem auf dem rasierten Schädel über dem Ohr eintätowierten Wort
PLAVTIA den Sklavenstand ansehen konnte – eine Kennzeichnung, die seine Freilassung ebenfalls unmöglich machte und ihn auf ewig an dieses Haus band.
Leander schritt die Treppe zu ihm hinauf, da er nicht wie ein Bittsteller von unten mit ihm zu reden gedachte, seine Frau fest an seinem Arm mit sich führend.
“Ich bin Caius Plautius Leander. Dies ist meine Ehefrau Norbana Orestilla“, verkündete ich und wartete auf die Reaktion des Mannes, der seine Gedanken hinter einer ausdruckslosen Miene verborgen hielt, während er sich verneigte.
“Willkommen, Domunus. Willkommen, Domina. Mein Name ist Kapaneos, ich bin der Maiordomus. Ich habe eure Ankunft bereits erwartet. Tretet ein.“
Leander ließ sich ebenfalls nicht anmerken, ob er überrascht war, vom Maiordomus selbst begrüßt zu werden, und betrat den Windfang, der sich zu einem Atrium hin öffnete, das gewaltig genug war, um darin die gesamte Domus Plautia in Iscalis unterzubringen.
Hier wankte einmal ganz kurz seine Fassade, als er den Raum betrat, und er ließ den Arm seiner Frau los, während er auf das gewaltige Regenbecken blickte, die feinen korinthischen Säulen, die das darüber befindliche Stockwerk mit noch mehr solcher Säulen trugen, die reichhaltigen Bodenmosaike mit verschiedensten Vögeln, Fischen, Mustern darin. Allesamt so viel mehr Reichtum, dass einem Menschen schwindelig werden könnte.
Der Maiordomus bemerkte es und räusperte sich kurz. Leander war sich sicher, dass er so ein Lächeln verbarg, und schaute relativ finster in die Richtung des Sklaven. Er konnte Geringschätzung nicht ausstehen, und er war selbst lang genug Maiordomus gewesen, wenn auch nicht in einem so gewaltigen Haus, um zu wissen, dass man nicht zu freigiebig sein durfte, um nicht falsche Nachgiebigkeit zu suggerieren. Er war nicht grausam und hatte nicht vor, es zu sein, aber er konnte durchaus auch hart durchgreifen, wenn es nötig war.
“Wieviele Sklaven gehören zum Haus?“ fragte er einmal bedrohlich ruhig.
“Inklusive der Gärtner, Stallarbeiter, Wachhundeführer, Küchensklaven und sämtlicher Kinder im Moment neununddreißig“ verkündete der Maiordomus.
“Ich habe aus Iscalis meine Cubicularia Innogen und den Secretarius meiner Ehefrau Nicander mitgebracht, ebenso meinen bisherigen Ianitor Hector. Ich erwarte, dass sie adäquat untergebracht werden und mit Respekt behandelt werden. In einigen Wochen werden noch weitere Sklaven aus Iscalis eintreffen, für die dasselbe gilt.“
Kapaneos verneigte sich wieder leicht und schürzte die Lippen.
“Natürlich, Dominus.“
“Achja, Kapaneos?“ entschloss Leander sich, gleich zu Beginn die Machtverhältnisse zu klären.
“Ich habe noch nicht entschieden, wer im Haus welche Stellung hier behalten wird. Und ich habe auch kein Problem damit, mich notfalls von Sklaven zu trennen, die meiner Frau, mir, oder den Sklaven meines vertrauens nicht den nötigen Respekt entgegenbringen.“
Er ließ seinen Blick dabei auf Kapaneos ruhen, so dass dieser den Wink verstand. Was er mit einer tieferen Verbeugung als bislang auch durchaus andeutete.
“Natürlich, Dominus.“
“Gut, dann zeig uns noch den Rest.“