Endlich die wohlbekannten Schritte auf der Treppe! Stella war es, die in unser Gemach hinein kam; ihren Reisemantel hatte sie schon abgelegt, und ich sah, wie sie die Wärme des Raumes genoss. Sie setzte sich zu mir, ich zog sie an mich, und sie legte ihren Kopf an meine Brust. Ein wenig spielte sie mit meinem Haar und sagte mir, dass sie mich vermisst hatte.
"Ich habe dich auch vermisst, meine Fridila", erwiderte ich leise und küsste ihr Rabenhaar. Dabei kannte ich meine Frau sehr gut; irgend etwas hatte sie während ihres Iscaler Ausfluges aufgebracht. Ich wollte sie schon fragen, ob es mit ihrer Freundin nicht gut gelaufen war, da erzählte sie schon selbst.
Claudia Sabina, die geschieden war, erwartete von ihrem früheren Mann ein Kind. Wenn es ein Junge wurde, wollte der ihn nicht bei der Mutter, sondern woanders erziehen lassen, entnahm ich ihren Worten.
"Kinder gehören ihren Vätern, und es ist sein gutes Recht, über sie zu entscheiden. Er könnte sich ja auch dazu entschließen, das Kind gar nicht anzuerkennen. Da können wir nichts dagegen machen", sagte ich leise und küsste weiter Stellas Haar:
" Die arme Frau! Es ist gut, dass sie dich gefragt hat, ob du ihren Jungen in Pflege nehmen würdest. Wir werden den Kleinen auf jeden Fall aufnehmen, liebe Fridila. Er kann doch nichts für den Zwist zwischen seinen Eltern. Und was geschieht, wenn das Kind ein Mädchen wird?"
Oft durften römische Scheidungskinder noch bis zum siebten Jahr, also bis sie "vernünftig" wurden, bei ihrer Mutter bleiben. Aber ich mochte die Trennung von Kindern und Müttern nicht leiden, obwohl auch bei uns Chatten die Kinder dem Vater gehörten. Unsere Ehen hielten aber vermutlich im Durchschnitt länger als römische, so dass es selten dazu kam, dass man einer Mutter ihr Kind entriss.
Ich küsste Stellas Haar noch einmal und sog den feinen Duft ihrer Locken ein. Wie schön sie war!
"Ich schreibe der Claudia sogleich, dass wir uns geehrt fühlen und uns freuen, damit sie sich keine Sorgen mehr macht. So ein Säugling wird uns nicht das Haar vom Kopf fressen, den bekommen wir schon durchgefüttert", sagte ich gutmütig,
schrieb einen kurzen Text auf eine Tabula, mit der ich gleich Morgen früh Rango nach Iscalis schicken würde, und lehnte mich dann zufrieden zurück, nachdem ich dieses Problem gelöst hatte:
"Rate dreimal, an was ich dachte, bevor du kamst?", wechselte ich das Thema und drückte meine Lippen auf Stellas Scheitel.