Alba
Wir waren bereits seit Wochen unterwegs, bis uns das erste wirkliche Unglück ereilte. Eines der Packpferde trat in ein Loch am Wegesrand der im Winter sehr schlechten Strasse und brach sich das Bein dabei. Es war ein hässlicher offener Bruch und es gab nichts, was man für das Tier tun konnte, außer ihm die Gnade eines schnellen Todes statt langsamen Verendens zu gewähren. Es dauerte Stunden bis wir zur Weiterreise bereit waren und das extra Gewicht auf die anderen Packpferde verteilt führte dazu, dass ein weiteres Tier lahmte am Ende des folgenden Tags. Wir brauchten dringend frische Pferde und eine Pause, aber wir mussten die nächste Siedlung erreichen, sonst würden wir alle hier draußen verrecken.
Nachts lagen wir alle zusammen und teilten uns das Lager um das bisschen Körperwärme zu konservieren, die wir noch hatten. Die Temperaturen fielen stetig und als unsere vierte Woche der Reise anbrach begrüßten uns große, dicke Schneeflocken am Morgen. Alba im Winter war eine raue Gegend und erst durch den Schnee konnte ich die dunklen Augen und kleingewachsenen Gestalten sehen, die uns auf Schritt und Tritt mit Abstand folgten. Verwunderlich war dies nicht, denn dies war das Gebiet der Pikten und auch wenn wir verbündet waren, so waren die Pikten doch sehr eigen und hatten andere Bräuche und Gepflogenheiten.
In unserer aktuellen Lage allerdings war mir dies nur recht. Mein Gefährte Irmin rief nach den Spähern, da er den Dialekt der Pikten gut sprach, aber erst am folgenden Tag reagierten sie auf unsere Kommunikationsversuche. Als sie sich im Morgengrauen unserem Nachtlager näherten, taten sie dies nur vorsichtig und zurückhaltend wie Rehe, die bei jedem leisen Geräusch sofort die Flucht ergreifen würden. Es brauchte einiges an Überzeugungskunst durch Irmin bis die piktischen Späher uns als Verbündete anerkannten und uns den Weg zu ihrer Siedlung wiesen. Ich kannte den Weg zwar grob, da ich bereits vor einigen Jahren da gewesen war, aber im Winter war das Land so anders und wir waren tatsächlich ein wenig vom Weg abgekommen.
Als wir in der Siedlung ankamen, die im Dialekt der Briganten Wintertal hieß, wurden wir allerdings herzlicher begrüßt als angenommen. Es sprach sich schnell herum, wer da in der Siedlung war und Artenc war es, der uns begrüßte. Als ich vor Jahren das letzte Mal hiergewesen war im Auftrag meiner Mutter waren wir beide noch Prinzen und keine Könige, aber die Zeiten hatten sich geändert und Artencs älterer Bruder war vor zwei Wintern im Kampf gefallen und meine Mutter mittlerweile verstorben und ich freute mich sehr den Anführer der Pikten erneut zu treffen.