RE: Tablinum | Visite des neuen Tutor Mulieris
Ein Testament war eine ziemlich große Angelegenheit, und Leander hatte angenommen, dass die Erbfolge schon längst geregelt sei. Aber offenbar war dies nicht der Fall, und ein wenig fragte Leander sich durchaus, was sein Vorgänger eigentlich bislang gemacht hatte. “Für ein Testament sind sieben römische Bürger als Zeugen vonnöten. Aber wir können eine erste Fassung aufsetzen und dann uns um die nötigen Zeugen bemühen. Eine Freilassung deines Lehrers und deiner Amme sollte kein Problem darstellen. Die übrige Erbfolge ist in einem früheren Testament schon geregelt, oder muss alles neu aufgesetzt werden?“ Eine einfache Erweiterung oder Abänderung eines bestehenden Testamentes war wesentlich weniger Arbeit. Und die Freilassung der Amme oder eines Lehrers schon fast so etwas wie ein Standardtextbaustein, weil es so häufig vorkam.
Leander fing also an, sich dem Unterlagenberg zuzuwenden und versuchte, sich eine etwaige Missbilligung größerer Ausgabensummen nicht anmerken zu lassen. Denn er war sich sehr sicher, dass die Menge an Rechnungen von Londiner Modehäusern weniger eine Investition, als vielmehr einfache, weibliche Kaufsucht war. Und dass nur das meiste davon beglichen war, machte die Sache nicht besser. “Nun, dann will ich mir einen Überblick verschaffen, wie alles davon beglichen werden kann“, meinte er möglichst diplomatisch. Dass der zu verkaufende Sklave dabei helfen würde, das Budget auszugleichen, war erfreulich.
Die Sache der Amme aber veranlasste Leander, noch einmal kurz zu stutzen. “Da deinem Ehemann die Fürsorge für euer Kind obliegt und er offensichtlich auch mit einer Amme nach deinem Willen einverstanden ist, ist es seine Verpflichtung, dafür zu bezahlen, nicht deine, werte Claudia. Such dir eine Sklavin aus und lasse sie dir reservieren und schicke ihm zunächst die Rechnung dafür. Selbst wenn ihr Vereinbarungen habt, dass du dich um die erste Versorgung des Nachwuchses kümmerst, entbindet ihn das nicht von seinen Verpflichtungen zur Versorgung des Kindes. Jede Weigerung könnte ihm als Vernachlässigung und Aufgabe der Patria Potestas ausgelegt werden. Nur für den Fall, dass dies für dich relevant sein könnte.“ Auch wenn jeglicher eheliche Nachwuchs dem Ehemann gehörte, hieß das nicht, dass er ihn sich selbst überlassen konnte. Oder nur in Grenzen. Er könnte das Kind nicht anerkennen und aussetzen lassen, das sehr wohl. Soweit er es aber anerkannte, musste er es auch versorgen, oder riskieren, dass Claudia Sabina sich das Recht erklagte, es selbst aufziehen zu dürfen. Und Mütter waren häufig gewillt, für ihren Nachwuchs auch in einen Rechtsstreit zu treten. Sofern sie Rückendeckung ihrer Familie dafür erfuhr, sprach da auch nichts dagegen.
“Was Geschenke und Zuwendungen angeht, möchte ich mir erst einen Überblick über deine Finanzlage machen“, ergänzte er außerdem, als Claudia Sabina die Idee äußerte, seiner Frau ein Geschenk machen zu wollen. Er wollte nicht unbedingt, dass sie von seinem Mündel Geschenke erhielt, zumal die Dauer dieser Ehe wohl nicht allzu lang sein würde und obendrein jegliches Geschenk einer Patrizierin ihre Gabe, den Wert der Dinge anständig zu bemessen, noch weiter verschlechtern würde.
Sie legte sich also hin, und Leander verbrachte die nächsten Stunden damit, sich alles anzusehen. Da es doch im Umfang weit mehr war, als er angenommen hatte, bat er schließlich den Sklaven irgendwann um Schreibutensilien, um sich Notizen machen zu können, wodurch sich alles letztendlich ein wenig erleichterte.
Dennoch war Leander nicht wirklich mit dem Zustand der Finanzen zufrieden. Warum schien es sein Schicksal zu sein, sich mit unbedarften und wirtschaftlich unklug agierenden jungen Damen rumzuschlagen?
Nach einer ganzen Weile also suchte er Claudia Sabina wieder auf und räusperte sich, so dass sie Gelegenheit hatte, sich auf ihn wieder einzustellen.
“Ich habe deine Unterlagen fürs erste gesichtet und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass deine Ausgabenseite nicht unbedingt von Einnahmen gedeckt ist. Ich fürchte, wir werden nicht umhin kommen, über angemessene Budgets einmal zu reden.“[
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