RE: [Londinium] Eine öffentliche Hinrichtung
Die Furca lastete schwer auf seinen Schultern. Sie machte jeden Schritt zu einer Qual. Sein Körper war müde, wund und gezeichnet von den Schlägen der Soldaten, doch sie erwarteten von ihm, dass er weiterging. Dass er nicht fiel. Dass er sein eigenes Schandmal durch die Straßen schleppte, bis zu dem Ort, an dem alles enden würde. Doch immer wieder wollten ihm die Knie einknicken, so dass er stolperte und doch fiel. Rau Hände griffen dann nach ihm und zerrten ihn wieder auf die Beine.
Die Rufe um ihn herum waren laut und schmerzhaft in den Ohren. "Betrüger! Hochstapler!" Fäuste schüttelten sich in die Luft, Dreck und Unrat flogen auf ihn nieder. Der Gestank von fauligem Gemüse, von Schweiß, von der engen Masse an Menschen war erdrückend. Alun schloss für einen Moment die Augen. Er musste das alles ausblenden. Stattdessen erinnerte er sich:
An die letzte Reise in den Norden mit seinen Brüdern, an die letzte Zusammenkunft mit Cathbad. Als er ihn in den Tod geschickt hatte. Er dachte an Louarn, seinen Bruder, der immer alle retten wollte. Doch heute fehlte er. Niemand würde kommen, um ihn zu retten. Wie gerne hätte er noch eine Gelegenheit gehabt, sich mit ihm auszusprechen. Aber diese würde er nie mehr bekommen. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals, aber er schluckte ihn hinunter.
Prisca. Er sah ihr Gesicht vor sich, so warm, so voller Leben. Er erinnerte sich an ihre Stimme, an die Art, wie sie lachte, wie ihre Finger sanft durch sein Haar geglitten waren. Die Erinnerung an ihre Wärme schmerzte, aber sie gab ihm auch Trost. Ein Teil von ihm würde überleben. Ihr gemeinsames Kind. Doch es würde niemals von seinem wahren Vater erfahren. Er würde als Römer aufwachsen.
Ein Tritt in den Rücken ließ ihn plötzlich stolpern. Die Furca riss an seinen Schultern, drohte ihn zu Boden zu ziehen. Seine Knie gaben schließlich nach und er stürzte ein weiteres Mal. Wieder waren es grobe Hände, die ihn packten und ihn hoch rissen. Er keuchte und biss die Zähne zusammen. Sein Herz raste, sein Körper schmerzte, aber seine Gedanken trugen ihn wieder fort.
Zurück zu dem Tag, als er zur Quelle unterwegs gewesen war. Die Sonne hatte golden auf die Wiesen geschienen, der Wind hatte nach feuchter Erde und frischem Gras gerochen. Der Tag, an dem er nach langer Zeit wieder seinen Bruder Louarn wiedergesehen hatte. Er war dort mit seinem Mädchen aus Hibernia.
Plötzlich stoppte der Zug. Alun wurde aus seinen Gedanken gerissen. Eine wohlbekannte Stimme drang an sein Ohr. Er hob den Kopf. Sein Blick traf Furius Saturninus und für einen Moment schien es, als würde die Zeit stillstehen. Das Dröhnen der Menge, das Johlen, die Rufe – alles rückte in den Hintergrund. Seine Worte hallten in seinem Kopf nach: Accius Florus.
Da war es wieder, das Gesicht des Centurios blitzte vor seinem inneren Auge auf, in dem Moment, als er realisiert hatte, dass er sterben würde.
Da war kein Erstaunen, kein Schreck in Aluns Gesicht. Nur ein leises, erschöpftes Lächeln, das über seine rissigen Lippen huschte. Ein Lächeln, das nichts Gutes verhieß. "Accius Florus", wiederholte er leise, beinahe genüsslich. "Er hat bekommen, was er verdient hat!", presste er zwischen trockenen Lippen hervor. Dann setzte er sich wieder in Bewegung.
Als "Lucius Tarutius Corvus"
Falke
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