Moiras Hütte
Abseits der Wege - von übermannshohen Holunderbüschen auf der einen und hüfthohen Sommerblumen auf der anderen Seite gesäumt - ragte eine Lehmhütte aus der kargen Erde. Menschen fanden selten diesen Ort, Tiere hingegen regelmäßig. Vierbeiner kannten die trockenen Wege über den sumpfigen Boden und nutzten sie als Wildpfad - lange bevor Menschen das Gebiet besiedelten. Die Bewohnerin der Lehmhütte wählte das Moorgebiet als Wohnort, während die meisten Siedler die Plateauflächen und vor tausenden von Jahren die Höhlen als Heimstatt bevorzugten. Wollte Moira zum Markt nutzte sie jene verschlungenen Pfade, die zuweilen über von Menschen angelegten Stege führten. Seit einem knappen Jahrzehnt nannte sie sich Moira und würde wohl zusammenzucken, wenn jemand sie beim richtigen Namen rief. Allerdings würde sie selbst ein Römer kaum erkennen, weil sie eine andere Haarfarbe trug und zudem als hingerichtet galt. Wer auch immer unter Kaiser Galba starb, Locusta nicht. Sie erfreute sich bester Gesundheit - nicht zuletzt wegen ihrem umfangreichen Wissen über die Heilkräfte von Beeren, Wurzeln und Kräutern.
Die gebürtige Gallierin trat vor ihre Hütte. Ihr Heim würde von einem Römer bestenfalls als Kate bezeichnet werden, aber das Bauwerk aus Holz, Lehm und Stroh verschmolz mit der Umgebung, was Moira die Ungestörtheit garantierte. Die Mücken hielten sich zu Beginn des Tages noch zurück, aber auch gegen sie besaß Moira ein Mittel: Zitrus - und Eukalyptusdüfte hüllten die Frau mittleren Alters ein.
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