RE: Cubiculum | Regeln einer (glücklichen) Ehe
Ich betrat das Zimmer und ließ mich - all die Gedanken, die ich mir gemacht hatte, in meinem Kopf - neben dem Bett nieder. Ich sah, wie meine liebste Domina litt. Ich fragte mich, ob sie wusste, dass ich und ihr Mann... würde sie es als Verrat empfinden? Nie war es als Verrat gedacht, doch erst einmal würde ich es für mich behalten.
Stattdessen machte ich meiner liebsten Domina Komplimente, wobei es von meiner Seite keine Überwindung kostete - denn ja, Orestilla war nymphenschön, nur unendlich betrübt war sie, als würde sie unter den Lebenden durch eine geheimnisvolle Krankheit gezeichnet, langsam dahinschwinden. Ihr zartes Antlitz war bleich und von Schatten gezeichnet, die Augen blickten tränenschwer und ihre entzückende Lebendigkeit schien nur noch wie eine schwache Erinnerung aus vergangenen Tagen, erstickt unter der Schwere ihres Daseins.
"Liebste Domina, selbst der erwachende Frühling verbirgt sein Haupt voller Scham angesichts deiner Schönheit. Der lieblichen Kore, Demeters Tochter, die jungfräulich noch von Hades entführt und hinab geführt wurde ins düstere Totenreich, siehst du gleich. Schöne, traurige Kore. Du kennst doch gewiss die Geschichten um der göttlichen Demeters Tochter, o Domina?"
Ich war mir fast sicher, dass die Herrin Orestilla nachvollziehen konnte, wie sich die entführte Kore fühlte, die jungfräulich ins Haus des von ihr ungeliebten, ja ihr abstoßend erscheinen müssenden Gatten getreten war. Ich hoffte, ihre Neugier zu wecken, wie ich die Geschichte weiter erzählen würde. Und nicht nur mit Worten, auch mit später mit lieben Taten wünschte ich, meine Herrin zu begeistern. Daher fuhr ich fort:
"Schlimmer war ihr Schicksal als das ein jeglicher Sterblichen je gewesen ist. Denn das Haus ihres Gatten war ja das Totenreich, ihr strenger Mann dessen Gebieter und die Mauern, die sie gefangen hielten, bestanden aus der Erde selbst. Kein Sonnenstrahl, kein Vögelein, kein zartes Grün leistete Kore im Totenreich Gesellschaft. Kore, lieblichste Göttin, Kornmädchen, Frühlingsmädchen, ich stelle mir vor, wie sie die Verzweiflung übermannte, wie sie auf ihrem Brautbett saß, wie sie weinte und klagte"
ich streckte die Hand aus, streichelte sanft Norbana Orestillas Hand. Ach, dieser inniger Moment, ich konnte nun nicht widerstehen und küsste ihre zarten Finger:
"Die Dichter erzählen dann , wie die Göttin Demeter nach ihrer Tochter suchte. Aber kaum einer dichtet davon, was die gefangene Kore in dieser Zeit empfand, dachte und zu was sie sich entschloss",endete ich und machte mich bereit, meiner Herrin beide Rollen vorzuspielen. Poesie preschte nie grob auf ihr Ziel los, sondern ließ zu, dass in der menschlichen Seele selbst die Erkenntnis heranreifte wie ein Samenkorn in der Erde heranreifte. Norbana Orestilla, empfindsam und mitfühlend wie sie war, würde in der Geschichte des Mädchens zweifellos die Ähnlichkeiten mit ihrem eigenen Schicksal erkennen. Denn Kore, auch wenn sie hilflos und jungfräulich und ohne Liebe gefangen war, verzweifelte eben nicht...
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