>>> Nein. Síofra hatte das Angebot der Dame Furiana Nivis nicht vergessen. Doch in der Zwischenzeit war unendlich viel auf die junge Keltin eingeprasselt. Ganz besonders der Tod ihrer Mutter nagte noch immer sehr an Síofra. Auch wenn sie sich unendlich freute das Angebot der Dame Furiana Nivis annehmen zu können. Ihrem Vater hatte sie hiervon nichts erzählt. Oh nein. Der Trunkenbold brauchte darüber nichts erfahren. Auch wenn dies wohl alsbald ohnehin die Runde machen würde, doch von Síofra würde kein Sterbenswörtchen an das Ohr ihres Vaters dringen. So machte sich die junge Keltin nach der endgültigen Verabschiedung von ihrer Mutter auf den Weg nach Iscalis. Die genaue Wegbeschreibung hatte sich Síofra gemerkt und wenn sie den Weg doch nicht finden würde, dann würde sie sich einfach zu Furiana Nivis Weberei durchfragen. Auf den Mund gefallen war die junge Frau nämlich nicht, auch wenn man es ihr nicht unbedingt auf den ersten Blick ansah. Ihre Schafe waren für den Morgen versorgt. Síofra hatte genügend Heu in den Pferch geschüttet, bevor sie das Tor sorgfältig verschloss. Da kamen ihr wieder Louarns Worte in den Sinn, dass sie unbedingt jemanden Bescheid sagen sollte, der ein Auge auf die Schafe haben würde, wenn sich Síofra nicht zu Hause befand. Dieser Gedanke ließ die Braunhaarige kurz ihre Stirn in feine Falten legen. Hm. Vielleicht hatte Louarn doch Recht gehabt und sie hätte zuerst überlegen müssen, was sie mit ihren Schafen machte und dann erst zusagen. Oh man. Was sollte sie denn jetzt tun? Tatsächlich wirkte Síofra nun etwas hilflos und schon stiegen ihr Tränen in die Augen. Welche die junge Frau jedoch resolut beiseite wischte und stattdessen tief durchatmete. Mit einem bangen Gesichtsausdruck pochte Síofra bei einer Nachbarin, die gut befreundet war mit ihrer Mutter und bat deren Sohn auf ihre Schafe aufzupassen. Drohend wackelte Síofra mit ihrem nun erhobenen Zeigefinger vor dem Gesicht des Jungen herum.
“Nur aufpassen. Nichts anderes.“ Der dunkelhaarige Junge nickte artig und setzte sich auf die Bank vor dem Schafspferch. Hoffentlich schlief der Bursche nicht ein oder es langweilte ihn diese Aufgabe dann doch und er verdünnisierte sich. Síofra eilte noch einmal in ihr Elternhaus, zog sich ihren Kapuzenumhang über und überprüfte ob sich in dem Beutel an ihrem Gürtel auch einige Münzen befanden. Münzen die sie vor den gierigen Pranken ihres Vaters beschützt hatte. Es war wahrlich nicht viel. Aber doch viel genug, so dass sich ihr Vater keine weiteren Hurenbesuche und keine weiteren Wirtshausbesuche mehr leisten würde. Außer natürlich… Nein! Darüber wollte und würde sich Síofra keine weiteren Gedanken machen. So wie es Louarn gesagt hatte, sie sollte ihren Vater aus ihren Gedanken streichen. Er war nie für sie da und würde wohl auch niemals für sie da sein.
Einen weiteren Blick warf Síofra durch den Eingangsbereich. Nickte schließlich und trat durch die Türe nach draußen. Eben jene Türe zog sie ins Schloss, so dass der Riegel einrastete. Dann warf sie einen Blick gen des Burschen, der auf der Bank saß und ihre Schafe beobachtete.
“Gut aufpassen.“ Grinste Síofra, zwinkerte dem Burschen zu und machte sich auf den Weg nach Iscalis. Tatsächlich war es gar nicht so warm, so dass Síofra sehr froh war, dass sie sich den Umhang übergezogen hatte. Und dennoch freute sich Síofra auf ihre bevorstehende Tätigkeit als Helferin in Dame Furiana Nivis Weberei. Diesmal kam Síofra sehr viel schneller voran, als noch vor einigen Tagen. Was auch kein Wunder war, immerhin zog sie nun keine störrischen Schafe hinter sich her. Als Síofra durch das Tor die Stadt Iscalis betrat, wirkte sie für einen Moment wie erschlagen. Und drückte sich auch schon gegen einen hölzernen Pfeiler, der wohl eines der Gebäude stützte, als ein Pferdekarren äußerst dicht an ihr vorüber preschte. Nachdem sich Síofra von ihrem ersten Schock erholt hatte, atmete sie tief durch und begann sich dann doch bis zu Dame Furiana Nivis Weberei durchzufragen. Auch im Neubaugebiet blickte sich die junge Frau mit großen Augen um und entdeckte schließlich jene Tabernae, in der sich die Weberei befinden musste. Zögernd und mit hastig pochendem Herzen trat Síofra Schritt für Schritt näher und ließ dann ihre Stimme erklingen.
“Dame Furiana Nivis? Ich bin es Síofra.“ Hoffentlich war die rothaarige Keltin auch anwesend und Síofra hatte nicht den Weg umsonst auf sich genommen?