Auf nach Londinium! - Narcissus und Owains Reise
Die Reise nach Londinium zog sich über mehrere Tage, verlief aber besser, als ich erwartet hatte. Das Wetter war gnädig, und die Wege waren trotz der Jahreszeit in passablem Zustand. Ich hatte befürchtet, dass Narcissus die Strapazen des Ritts nicht gut verkraften würde – schließlich war er es gewohnt, bequem in einem Reisewagen zu reisen. Doch zu meiner Überraschung hielt er sich gut. Natürlich ließ er hin und wieder eine Bemerkung über die Härte des Sattels oder die Eintönigkeit der Landschaft fallen, aber es war weit weniger Gejammer, als ich angenommen hatte. Tatsächlich schien er die Reise sogar gelegentlich zu genießen. Vielleicht lag es daran, dass er nach langer Zeit wieder unterwegs war – oder einfach daran, dass er eine angenehme Gesellschaft abgab.
Wir übernachteten in kleinen Herbergen oder, wenn sich keine fand, unter freiem Himmel. Narcissus nahm das mit einer Gelassenheit hin, die mich überraschte. Seine lockeren Bemerkungen halfen mir jedenfalls, meine eigenen Gedanken im Zaum zu halten.
Dennoch, die Tage auf der Straße gaben mir viel zu viel Zeit zum Nachdenken. Ich ritt mit lockeren Zügeln, ließ mein Pferd seinen eigenen Rhythmus finden, während meine Gedanken immer wieder um dasselbe kreisten. Würden wir Aglaia überhaupt finden? Londinium war groß. Vielleicht irrten wir tagelang durch die Stadt, fragten uns durch und fanden am Ende nichts als vage Hinweise und ausweichende Antworten.
Und selbst wenn wir sie fanden – was dann? Ich hatte keine Vorstellung davon, wie sie auf mich reagieren würde. War sie noch wütend auf mich? Würde sie mich überhaupt sehen wollen? Unser letztes Aufeinandertreffen war voller Vorwürfe gewesen, voller Worte, die wir beide nicht mehr zurücknehmen konnten. Vielleicht war ich für sie längst vergessen, ein abgeschlossenes Kapitel, mit dem sie nie wieder etwas zu tun haben wollte.
Doch egal, was sie empfand – ich musste ihr mitteilen, was ich zu sagen hatte. Und ich musste meine Tochter sehen. Ich wusste nicht einmal, welchen Namen Aglaia ihr gegeben hatte oder ob sie ihr je von mir erzählt hatte. War ich für das Kind ein Unbekannter? Ein Schatten aus der Vergangenheit, über den man schwieg?
Ich merkte, wie sich meine Finger unbewusst um die Zügel verkrampften, und zwang mich, sie zu lockern. Es hatte keinen Sinn, sich jetzt in Gedanken zu verlieren. Bald würde ich meine Antworten bekommen – ob sie mir gefielen oder nicht.
Als schließlich Londinium in Sicht kam, wuchs die Unruhe in mir. Hier kannte ich mich nicht aus, hier war Narcissus in seinem Element. Ich würde mich auf ihn verlassen müssen – auf seine Kontakte, auf sein Wissen über die Stadt.
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