RE: Cubiculum | Regeln einer (glücklichen) Ehe
ihr Götter, ihr Musen, ihr Himmlichen, war ich denn aus Stein? Für was wurde ich aus Fleisch und Blut geschaffen, wenn mich diese Worte ungerührt lassen sollten? Die schönste Blume von Iscalis, meine Liebe, sie saß auf ihrem Ehebett und klagte mir ihr Herzensleid:
"Leander … Der Dominus ist ein guter Mann. Ich sehe, dass er mir nur Gutes will, dass er mir Raum gibt und mich nicht bedrängt. Dafür bin ich ihm auch sehr dankbar. Aber ich kenne ihn doch kaum. Und ich weiß nicht, ob ich jemals so fühlen kann, wie ich fühlen sollte....Er macht es mir aber auch nicht sehr einfach. Warum sagt er nie etwas ... liebevolles zu mir? In seiner sachlichen und nüchternen Art wirkt er manchmal so kühl und ... und unnahbar. Wie soll ich da etwas für ihn empfinden?"
Ach ja, Orestillas Ehemann, der Stoffel. Wären wir gleichen Standes gewesen, ich wäre ihm nachgelaufen und hätte ihm gründlich den Kopf gewaschen. War Dominus Leander nicht selbst einmal jung gewesen? Waren da nicht Unsicherheit, Schüchternheit, die Sehnsucht nach einem Liebeswort? Oder war er schon so nüchtern geboren wie eine Schriftrolle mit einem Gesetzestext?
Das erste Mal, seit ich mich als Scheinsklave ausgegeben hatte, sehnte ich mich wieder danach, frei zu sein, ein freier Mann, der offen um die Liebste warb und seinen Nebenbuhler durch Beredsamkeit in den Schatten stellte...
Doch ich wusste ja, dass mir das auch nichts genützt hätte. Ich war als Straßenschauspieler arm, arm wie eine Tempelmaus. Unmöglich konnte ich meine Orestilla aus ihrem sicheren Leben reißen.
"Liebste Domina, ich verrate dir, dass dein Ehemann nicht so kalt ist wie er scheinen möchte. Wie könnte er, ist er doch griechischer Abstammung, und wir alle, die der hellenischen Kultur entstammen, sind die empfindsamsten, die eifersüchtigsten Lebewesen unter der Sonne!", behauptete ich kühn: "Schau, er hat mich dir praktisch in dein Bett gelegt. Ein anderer Mann wäre hier geblieben und hätte zugeguckt, ob ich mein Werk auch ordentlich verrichte, denn ich bin nur ein Sklave und damit nur ein sprechendes Werkzeug. Aber das bringt der Dominus nicht fertig. Gekränkt war er, förmlich geflohen ist er" Nun geht er zu Innogen, damit er nicht platzt, dachte ich, doch das äußerte ich nicht laut:
"Wenn du deinen Ehemann über alles liebst, o liebste Domina, dann schicke mich fort und zwar so, dass er und das ganze Haus es bemerken.
Denn Du könntest genauso gekränkt sein wie er. Was für eine Zumutung ist es denn, dass er mich zu dir schickt!"
Ich schaute Orestilla voller Ernst an. Noch einmal bot ich ihr den Ausweg an, mich fortzujagen. Ich wusste, dass das intelligent gewesen wäre. Doch auf der anderen Seite wollte ich es gar nicht mehr. Ich wollte diese wunderschöne junge Frau, die meine Herrin war, trösten, sie lieb haben, sie in die Arme nehmen....
und das tat ich. Ich nahm Norbana Orestilla in meine Arme und hätte sterben können vor lauter Seligkeit:
"Verzeih mir, Domina. Aber ich kann nicht anders! Weißt du, wie lange Zeit ich dich schon liebe? Doch ich schwöre, dass ohne das Anliegen deines Ehemanns ich niemals ein Wort über diese Liebe verloren hätte. Ich hätte dich ewig weiter lieben können, ohne es dir je zu gestehen..."
Nun war es draußen, was bisher nur Blicke gebeichtet hatten. Ich liebte Norbana Orestilla.
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