RE: Cubiculum | Regeln einer (glücklichen) Ehe
Leander versuchte, die Einzelheiten des Gespräches vom Morgen sich ins Gedächtnis zu rufen, denn Orestilla erschien mit einem Mal noch nervöser zu werden. Aber er wusste nicht, was das ausgelöst haben sollte. Aber sie hatten am Morgen auch über die letzte Nacht gesprochen und Leander glaubte, dass es darum ging. “In gewisser Weise. Aber bitte, versuche, dich zu entspannen. Ich habe nicht vor, dir Vorwürfe zu machen.“
Glücklicherweise klopfte es in diesem Moment und Leander sagte laut: “Ja?“ Als die Tür sich öffnete, sah er Nicander, der ebenfalls auffällig nervös und obendrein frisch gewaschen war. Offensichtlich rechnete jemand damit, gleich heute in den Genuss des Vollzugs zu kommen – eine Vermutung, die Leander doch mit leichter Sorge erfüllte. Es schien, als wäre mehr zwischen den beiden, als er durchaus aufgrund seiner kurzen Beobachtung selbst erschlossen hatte. Und leider machte das wahrscheinlicher, dass er sich nach einer neuen Ehefrau umsehen musste. Aber gut, dann wäre dem wohl so.
“Ah, Nicander, komm herein und schließ die Tür hinter dir“, forderte Leander den Sklaven auf und wartete, bis alles ausgeführt war und die beiden fast wie zu verurteilende vor dem Richter dastanden und ihn ansahen.
Er wand sich zuerst an Orestilla. “Orestilla… Ich weiß, dass du keinerlei Anziehung mir gegenüber verspürst. Wann immer ich versucht habe, dir näher zu kommen, war deine erste Reaktion Furcht und Ablehnung, auch wenn du sie nie offen zugegeben hast oder mir etwas verwehren würdest, was ich von dir verlange. Und natürlich kennen wir uns erst seit Kurzem und ich bin nicht so dumm, als ob ich nicht wüsste, dass junge Frauen lieber einen ebenfalls jungen Adonis an ihrer Seite erträumen und nicht einen älteren Anwalt.
Nur möchte ich genauso wenig mit einer Frau Geschlechtsverkehr haben, die das nur aus Pflichtgefühl heraus tut. Ich möchte eine Frau, die mich begehrt und die mit mir Geschlechtsverkehr haben will. Das soll kein Vorwurf an dich sein. Ich will nur, dass du vielleicht auch einmal versuchst, zu verstehen, warum die Situation für mich nicht besser ist, als für dich. Und warum ich auch darauf bestanden habe, die letzte Nacht nicht mit dir zu verbringen.“
Leander machte eine kleine Pause, damit dieser Punkt Zeit hatte, bei ihr anzukommen, und fuhr dann gleich fort: “Ich weiß, dass Nicander und du euch sehr zugetan seid. Und ich habe bereits heute Morgen mit ihm darüber gesprochen und möchte jetzt auch in seinem Beisein mit dir darüber sprechen. Ich bin kein eifersüchtiger Mann und ich erkenne die Realitäten dieser Ehe auch an. Und ich bin der Meinung, dass die ersten sexuellen Erfahrungen jedes Menschen idealerweise mit jemandem sein sollten, dem man ernsthaft zugeneigt ist, damit man erfahren kann, welch schöne und erfüllende Erfahrung das ganze sein kann. Keine Pflicht, die es zu erfüllen gilt, sondern Begehren, Leidenschaft, Freude, Verlangen...“
Er blickte von Nicander wieder zurück zu seiner Ehefrau. “Natürlich möchte ich dir nicht sagen, was du tun sollst und was nicht, denn wie gesagt sollte es deine freie Entscheidung sein. Aber sofern du mit deinem Sklaven ein Verhältnis eingehen möchtest, würde ich es unter einigen Bedingungen tolerieren. Die erste und offensichtlichste ist natürlich, dass es absolut diskret und geheim bleiben muss und niemals Anlass zu Gerede geben darf. Das heißt, kein Händchenhalten, keine verstohlenen Blicke oder Küsse irgendwo, wo andere es sehen können. Sollte es zu Gerede kommen, hätte ich keine andere Wahl, als mich von dir unverzüglich scheiden zu lassen und nach den Gesetzen würdest du nicht nur für dein Verhalten infam werden, du würdest auch deine Mitgift verlieren und könntest im schlimmsten Fall verbannt werden. Und damit ich nicht als Mittäter oder Zuhälter gelte, müsste ich es zur Anzeige bringen. Ich möchte das unter allen Umständen vermeiden.“
Dieser Punkt musste Orestilla klar sein. Sie war sehr jung, und junge Menschen taten dumme Dinge. Aber wenn es in der Stadt Gerede gab, dass sie Leander betrog, hatte er keine Wahl. Er konnte nur hoffen, dass dieser Punkt ihr unmissverständlich klar war und sie deshalb nichts Dummes tat.
“Und der zweite Punkt ist natürlich, dass du keinesfalls von ihm schwanger werden darfst. Ihr könnt euch mit Oral-, Anal- und Schenkelverkehr vergnügen, wie es euch Freude bereitet, aber Vaginalverkehr kann ich nicht tolerieren.“
Das war hoffentlich auch selbstverständlich und vermutlich wusste Nicander eher, wovon Leander sprach, als Orestilla, die schon die Frage nach Selbstbefriedigung am letzten Abend völlig überfordert hatte.
Leander atmete noch einmal tief durch. “Meine Hoffnung ist, dass es dir die Freude am Akt an sich näher bringt und du so vielleicht mit der Zeit auch ein Verlangen nach mir zu fühlen imstande sein wirst. Sofern das der Fall sein sollte und du von mir schwanger werden solltest, hätte ich auch keine Einwände dagegen, wenn du die Affäre fortzusetzen gedenkst während dieser Zeit.
Sollte es bei dir aber zu der Erkenntnis führen, dass du keinerlei Verlangen für mich fühlst, bitte ich euch beide, mir dies mitzuteilen, damit sich unser aller Wege zivilisiert wie unter Erwachsenen trennen können und niemand in einer Beziehung gefangen ist, die ihn unglücklich macht.“
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