(01-24-2025, 12:43 AM)Norbana Orestilla schrieb: "Oh, Nicander …" Meine Stimme brach, während ich sprach. "Du bist mir so lieb. Wäre die Welt nur anders, dann könnte ich dir die Gefühle erwidern, die du für mich empfindest. Doch zu meinem tiefsten Bedauern ist das Leben so grausam!"
Ich blickte ihn an, mit einem Schmerz in der Brust, der mich fast überwältigte. Mein Herz schien zerrissen zwischen der Treue zu meinem Ehemann und der Sehnsucht nach dem, was Nicander mir anbot – einer Liebe, die so viel mehr zu sein schien als ein flüchtiges Verlangen. Doch wie könnte ich den einen lieben, ohne den anderen zu verraten?
Und was geschah darauf hin? Ich gestehe, dass ich floh, nachdem ich meiner liebsten Herrin einen tränenvollen Blick geschenkt hatte. Wie lieblich und traurig zugleich hatte ihre Stimme geklungen. Es schnitt mir ins Herz.
Mit Unruhe hatte ich dann den besagten Abend erwartet, an dessen Morgen der Herr angeordnet hatte, dass ich mit zum Ehegemach kommen sollte. Schon zuvor hatte ich mit vom Maiordomus die Erlaubnis und ein paar Asse für das nächstgelegene Badehaus geben lassen und meine Tunika zum Wechseln angezogen, meine Locken ordentlich gelegt und einen Löffel Honig, wie wir Schauspieler das gerne taten, genascht, um meinen Atem angenehm und meine Stimme wohltönend zu machen.
Meine Präsenz war für die Herrschaft im Prinzip genauso unbedeutend wie die einer Vase oder einer Zimmerpflanze. Viele Römer schliefen mit ihren Frauen, während ein Sklave oder mehrere anwesend waren, die sie bedienten, und da war nichts dabei.
Dennoch ergriff mich plötzlich vor der Tür des Ehegemachs eine fürchterliche Scheu. Ich war aber von Natur aus nicht schüchtern. Also vermutete ich: Das musste Lampenfieber sein.
Ich hob meinen Fingerknöchel und klopfte zaghaft an.