Forum

[Licinianus Owain]

Die Sonne fiel sanft durch das bunte Blätterdach der alten Eichen und warf ein goldenes Licht auf den Weg vor uns. Es war, als hätte die Natur selbst beschlossen, diesen Tag zu segnen. Die Luft war klar, erfüllt vom Duft des Waldes, und jeder Atemzug schien neue Energie zu spenden. Endlich hatten wir unser Ziel erreicht. Das Lachen eines spielenden Kindes vor einer der Hütten mischte sich mit dem Zwitschern der Vögel und verstärkte die lebendige Atmosphäre. Dieser Ort fühlte sich an, als wäre er aus einer anderen Welt – heiliger Boden, erfüllt von der Gegenwart der Göttin. Ein Relikt aus einer Zeit, bevor die Römer kamen und so vieles veränderten.

Als wir abstiegen, nahm ich Deirdre vorsichtig aus dem Sattel. Sie wirkte nachdenklich, doch plötzlich richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf das Kind, das mit einem Ball spielte. Es war ein Mädchen, kaum älter als Aidan, und für einen Moment schien Deirdre völlig versunken, als sie dem Kind ein warmes Lächeln schenkte und ihm zuwinkte. Ich folgte ihrem Blick, verstand jedoch nicht gleich, warum sie ihm so viel Aufmerksamkeit schenkte. Doch als ich genauer hinsah, regte sich ein Gedanke in mir, diffus und schwer zu greifen. Ehe ich mehr darüber nachdenken konnte, trat eine Frau aus einer der Hütten.

Ihr Anblick ließ mich innehalten. Sie trug das blaue Gewand einer Priesterin, ihre Haltung war aufrecht und von einer natürlichen Würde erfüllt. Doch was mich wirklich stocken ließ, war ihre Ähnlichkeit zu Deirdre. Es war nicht nur eine flüchtige Ähnlichkeit, sondern eine Spiegelung, so deutlich, dass es fast unheimlich war. Ein Moment der Ehrfurcht durchzog mich, als ich sie betrachtete.

Deirdre ließ meine Hand los und eilte auf die Frau zu. Ohne Zögern fiel sie ihrer Schwester in die Arme, und die beiden hielten sich fest, als könnten sie ein ganzes Leben an verpassten Momenten in dieser einen Umarmung nachholen. Zwillinge! Deirdre und Dierna mussten Zwillinge sein! Das Mädchen, das wohl die Tochter der Priesterin sein musste, stand daneben und schaute den beiden  mit großen, neugierigen Augen zu. Ich blieb an Ort und Stelle, hielt Kubbo am Zügel und versuchte, die Bedeutung dieses Moments vollends zu begreifen. Es war ein privater Augenblick, so kostbar, dass ich das Gefühl hatte, ein stiller Beobachter in einer Geschichte zu sein.

Mein Blick fiel auf die Priesterin – Dierna, wie ich bald erfahren sollte. Ihre Erscheinung war ruhig und doch kraftvoll, ihre Augen voller Wärme, die ich so sehr an Deirdre liebte. Als Deirdre sich endlich von ihr löste und mich zu sich zog, schob sich ein Lächeln auf mein Gesicht. Ich trat vor und neigte leicht den Kopf. "Dierna," sagte ich mit leiser Stimme. "Es ist mir eine Ehre, dich kennenzulernen… erhabene Priesterin." Meine Worte kamen aus tiefstem Herzen, auch wenn meine Gedanken unweigerlich zu dem Mädchen neben ihr abschweiften. Das Kind blickte uns neugierig an, und plötzlich schien sich etwas in meinem Inneren zu fügen.

Deirdre kniete sich zu dem Mädchen hinunter, lächelte und sprach mit sanfter Stimme zu ihr. Das Kind, das sie mit großen Augen ansah, flüsterte ihr schließlich seinen Namen zu: Úna. Ein warmes Lachen löste sich aus Deirdres Kehle, voller Zärtlichkeit und einer Verbundenheit.

Dierna musterte mich erneut, ihr Blick schien direkt in meine Seele zu sehen. Ich erwiderte ihn, nicht trotzig, sondern aus tiefem Respekt. Nach einem Moment des Schweigens lächelte sie, ein wissendes, beruhigendes Lächeln, das mir das Gefühl gab, willkommen zu sein.

Die Luft um uns schien für einen Moment still zu stehen, als ich Dierna schließlich ansprach. "Deirdre und ich... wir möchten heiraten und sind gekommen, um den Segen der Göttin für unsere Ehe zu empfangen," erklärte ich ruhig, auch wenn die Ehrfurcht vor diesem Ort und dieser Frau in mir nachhallte.