RE: [Iscalis nach Londinium] Der Gefangene des Winters
Ich hatte viele Winter in Britannien erlebt, aber nie einen aus dieser Perspektive: gefangen in einem Käfig, der kaum Schutz bot, auf einem Karren, der bei jeder Bewegung schmerzlich ruckelte. Die Kälte kroch mir in die Knochen, schärfer und erbarmungsloser, als ich es erwartet hatte. Sie kroch durch jede Faser, jede Pore meiner Haut, bis tief in mein Innerstes. Ich zitterte unkontrolliert, meine Zähne schlugen aufeinander, und dennoch spürte ich kaum noch etwas außer diesem schneidenden Frost.
Ich zog die Beine an meinen Körper und schlang die Arme darum, ein verzweifelter Versuch, die Wärme zu halten, die längst verschwunden war. Der Atem kam flach, kleine Wolken, die in der kalten Luft schnell verschwanden. Es war, als hätte selbst mein Körper beschlossen, mich aufzugeben.
Lass mich erfrieren. Der Gedanke kam immer wieder, fast wie ein Gebet. Wenn es ein Ende sein musste, warum dann nicht jetzt? Die Kälte würde mich sanft umhüllen, mich langsam wegtragen, bis nichts mehr blieb.
Das Knarren der Räder und das Trampeln der Ochsen waren die einzigen Geräusche. Selbst die Wachen schwiegen, ihre Gespräche waren verstummt, erstickt von der frostigen Luft. Saturninus ritt wieder näher heran, sein Schatten fiel auf mich. Ich spürte seinen Blick, wusste, dass er mich beobachtete, doch ich konnte nicht aufsehen.
Meine Hände krampften sich um die Knie, ein automatischer Reflex, mehr nicht. Meine Gedanken waren fern, irgendwo in einem wärmeren Ort, an einem Feuer, das nur in meiner Erinnerung existierte.
Warum nicht jetzt? Warum nicht hier?
Ich ließ den Kopf sinken, spürte die raue Kälte des Eisens an meiner Wange. Die Welt verblasste. Alles war nur noch Frost und Dunkelheit.
Furius Saturninus' Stimme drang plötzlich an mein Ohr. Eine weitere Frage, die er mir stellte -glaubte ich zunächst. Doch eigentlch war es eine Frage, die er sich selbst stellte.
Dennoch bewegten sich meine Lippen. Meine Stimme kam brüchig. Sie war kaum mehr als ein Flüstern: "Das Unglück liegt nicht im Namen. Vielleicht in der Nachlässigkeit des Mannes, der ihn mir gegeben hat." Dann schwieg ich wieder, ließ die Worte im Wind verwehen, wie alles andere auch.
Als "Lucius Tarutius Corvus"
Falke
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