01-10-2025, 05:31 PM,
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RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Saturninus verstand nicht alles, aber er verstand wohl, dass man sich über ihn lustig machte. Wäre er gefoltert worden, hätte er vermutlich alles getan, um den Barbaren zu zeigen, wie ein Römer tapfer starb. Aber es konnte der Tapferste kein Heros werden, wenn es den albernen Barbaren nicht gefiel. Und es gefiel ihnen offensichtlich nicht. Den Spott der Männer hätte er ertragen, aber als sich Königin Niamh erhob, und mit lauter, scharfer Stimme spöttische Bemerkungen machte, die offensichtlich witzig waren und den gesamten Hofstaat zu Gelächter hinrissen, war das etwas, was Saturninus die Kehle zuschnürte. Er wollte nicht, dass sie ihn verspottete. Nicht sie! Nicht diese herrliche Frau, die nun hochaufgerichtet mit ihrem Flammenhaar ganz freimütig sprach - etwas, was eine Römerin in einer Versammlung nie oder nur sehr selten gewagt hätten. Ihr Spott tat ihm weh, schnitt ihm ins Herz. Er schaute zur sprachkundigen Hofdame Gwen, und die Frau übersetzte ihm ungefragt der Hibernerherrscherin Worte:
"Kein Wunder, dass er unsere Hosen bewundert! Wahrscheinlich fühlt er sich jetzt wie ein richtiger Mann."
Saturninus legte den Kopf in den Nacken. Aber da hatte ihn der Krieger, der die Königin auch schon auf dem Sklavenmarkt begleitet hatte, auch schon gepackt, knurrte eine Beleidigung und strieß ihn so heftig zu Boden, dass er vor deren Füßen landete. Wie betäubt blieb er liegen, während die Menge vor Lachen brüllte. Wieder sagte Königin Niamh etwas.
"Vielleicht müssen wir ihm noch zeigen, wie ein Mann sich zu benehmen hat", wiederholte Gwen für ihn auf Latein.
Saturninus erhob sich mühesam:
"Richte deiner Herrin aus, dass ich ihr gerne auf ihrem Lager zeigen werde, wie sich ein richtiger Mann benimmt!", entgegnete er voller Wut, und schaute herausfordernd in die Runde. Niamh Ni Conchibar zur Seite lauerten die königlichen Wolfshunde. Sie hatten geknurrt, aber sich nicht erhoben, als die Königin sie mit einer Handbewegung zum Schweigen brachte. Was für herrliche Tiere, rauh wie Wölfe, jedoch gehorsam wie Jagdhunde. Viel zu gut für Hibernia.
Saturninus Grobheit, mit der er trachtete, seine Spötter zu schmähen, ging jedoch unter, als nun ein anderer Mann sich erhob. Er besaß unweigerlich Autorität, aber noch etwas Anderes, etwas Bedrohliches, Dunkles ging von ihm aus, als wären das seine Hunde, die ihn begleiteten wie die Wolfshunde Königin Niamh begleiteten.
Obwohl Saturninus die Gepflogenheiten der hiesigen Stämme nicht kannte, erriet er in dem Bärtigen einen Priester. Dieser äußerte etwas, wies auf ihn, Saturninus, und der Patrizier begriff: Der Priester forderte seine Person für seine barbarischen Götter. Die keltischen Götter lechzten nach Blut und Menschenopfern, je grausiger, desto zufriedener waren sie. Dieser Priester musste einer der gefürchteten Druiden sein. In Britannien waren die Grausamen verboten, aber auf der Nachbarinsel Hibernia hatte es sie immer gegeben, und nun standen sie erneut in Amt und Würden.
Zu Saturninus Überraschung hörte es sich aber nun so an, als würde die Königin um sein Leben? - ihn?... feilschen? Ihm das Leben retten zu wollen? Beschäftigte sie sich in Gedanken genauso sehr mit ihm, wie er mit ihr oder warum tat sie das?
"Es sind sehr herrliche Tiere, Königin", erwiderte er, als ihm schließlichbefohlen wurde, sich um ihre Tiere zu kümmern.
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Saturninus kümmerte sich ab sofort um die königlichen Hunde. Er wusste in etwa, was zu tun war, obwohl er es noch nie zuvor selbst getan hatte, sondern die Hundepflege stets seinen Sklaven überlassen hatte. Jetzt legte er selbst Hand an. Vieles ging schief, und öfter als einmal lag er, die schweren Kübel mit Innereien tragend, inmitten des Drecks, wenn er ausglitt oder einer der Hunde schnappte nach ihm, weil er sich ungeschickt verhalten hatte. Nicht nur Futter und frisches Wasser brauchten sie, auch ihr Fell musste gebürstet werden, Zecken entfernt, ihr Gebiss durchgesehen und ihre Pfoten auf Verletzungen kontrolliert werden. Die Hunde waren jedoch schlau und kannten ihren Pfleger bald. Nachts schlief er dann bei ihnen.
Einige Tage vergingen. Saturninus Wunden verheilten allmählich. Ein wenig verstand er, was die anderen sagten, aber seine Mitsklaven waren dumpfe Kreaturen, fand er. Ein älterer Mann, der auch mit die Hunde versorgte, lehrte ihn dann mehr. Der Mann hieß Alill. Er zeigte ihm auch, wo er Bürsten, Striegel und alles für die Hunde fand, und er lachte, wenn er auf Dinge zeigte und sie benannte, und der ulkige Romanach versuchte, sie nachzusprechen.
Saturninus jedoch hatte viel Zeit nachzudenken, wenn er mit den Händen arbeitete, und er dachte oft an Niamh, die Königin. So langsam verschmolz ihr Antlitz mit dem von Nivis aus der Vergangenheit. Sie war der eine von den zwei Gedanken außerhalb seines beschränkten Wirkungskreises, die in seinem Kopf unaufhörlich kreisten.
Der andere Gedanke galt seiner Flucht. Er musste unbedingt zurück zu den Adlern.
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