RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Das große Rundhaus, in dem für gewöhnlich der König und seine Familie wohnten, war kurzerhand für die große Siegesfeier umfunktioniert worden. Alle Betten, der Webstuhl der Königin und sonstiges Mobiliar waren entfernt worden. Stattdessen hatte man um das Herdfeuer in der Mitte hölzerne Bänke gestellt, auf denen nun gut zwei Duzend Personen Platz finden konnten – Platz für die Edelsten meiner Krieger. Eine der Bänke war besonders reich mit Schnitzereien verziert. Außerdem war sie mit Wolfs- und Bärenfellen drapiert. Dies war die Bank des Königs.
Nachdenklichen musterte ich meinen neuen Sklaven, während ich entspannt auf meiner Bank saß. Die Flammen in der großen Feuerstelle warfen ein warmes, flackerndes Licht auf die steinernen Wände des Rundhauses, das nun als Königshalle diente. Meine Wolfshunde hoben kurz die Köpfe, als der Römer eintrat, entschieden aber, dass er keiner unmittelbaren Aufmerksamkeit würdig war, und legten sich wieder hin. Die Luft war erfüllt vom leisen Klirren der letzten Vorbereitungen und den ersten zarten Klängen des Barden, der die Saiten seine Harfe stimmte.
Der Mann, der sich nun vor mir aufstellte, war nicht wie die anderen Gefangenen. Sein Gang war trotz der groben Kleidung und des eisernen Halsrings, den er als Zeichen seines Sklavenstandes zu tragen hatte, immer noch stolz, und in seinen dunklen Augen lag eine unverhohlene Mischung aus Trotz und Hochmut, den er öffentlich zur Schau stellte. Als er sprach, konnte ich die Ironie in seiner Stimme hören, obwohl ich die Worte nicht verstand. Ich runzelte die Stirn, als Gwen mir endlich die Worte des Römers übersetzte. Ich verstand zunächst nicht, warum er die Kleidung erwähnte. Doch als Gwen erklärte, dass die Römer tatsächlich Gewänder trugen, wie es Frauen zu tun pflegten und sich in überlange Laken hüllten, war ich zunächst verblüfft.
"Sie tragen Kleider, als wären sie Frauen?" fragte ich ungläubig und sah mich um, als hätte ich Bestätigung gesucht. Einige meiner Krieger grinsten bereits, aber ich schüttelte den Kopf. "Und sie halten sich für die Herren der Welt?"
Dann brach ich in schallendes Gelächter aus, meine Stimme klang klar und unbeschwert und meine Augen funkelten, während ich den Römer ansah. "Kein Wunder, dass er unsere Hosen bewundert! Wahrscheinlich fühlt er sich jetzt wie ein richtiger Mann."
Das Gelächter der Krieger schwoll an, ein dröhnender Chor, der von den Steinmauern widerhallte. Derweil ließ ich den Römer nicht aus den Augen, beobachtete, wie er die Spötteleien mit einer Art sturer Würde ertrug. Und dennoch … da war etwas in seinem Blick, das mich nicht losließ. Etwas, das ich nicht ganz benennen konnte.
Dann bemerkte ich, wie seine Augen für einen Moment auf meinen Lippen verweilten, und etwas wie Hitze stieg in mir auf. Unwillig, diese Regung zu zeigen, hob ich mein Kinn und setzte eine kühle Miene auf. Doch bevor ich etwas sagen konnte, trat plötzlich Suileabhain, denn auch er hatte Suibhnes Blicke registriert. "Dieser räudige Hund starrt dich an wie ein Wolf ein Lamm, Königin Niamh!" knurrte mein erster Krieger, der einst auch mein Verlobter gewesen war. Noch immer empfand er Eifersucht, wenn mich ein anderer Mann so ansah. Er packte meinen Sklaven grob im Nacken und stieß ihn mit brutaler Kraft zu Boden.
Suibhne stolperte und landete hart auf den Knien, direkt vor meinen Füßen. Die Wolfshunde knurrten leise, erhoben sich jedoch nicht, als ich eine beruhigende Hand hob. Die Krieger jedoch brüllten vor Lachen, doch meine Aufmerksamkeit blieb auf dem Römer.
"Vielleicht müssen wir ihm noch zeigen, wie ein Mann sich zu benehmen hat", sagte ich spöttisch, was das Lachen erneut auflodern ließ. Doch in meinem Inneren konnte ich die Faszination nicht ganz abschütteln, die dieser Römer auf mich ausübte. Er war anders als die anderen, und das weckte etwas in mir, das ich nicht leugnen konnte – auch wenn ich es mit Spott zu überspielen versuchte.
Mog Ruith, der Druide, ein älterer Mann mit weißem struppigem Bart und durchdringenden Augen, saß neben mir auf der Bank. Er hatte die Szene schweigend beobachtet, während der Römer vor meinen Füßen auf dem Boden lag. Jetzt lehnte er sich vor und musterte ihn eindringlich.
"Ein Opfer wäre angemessen", murmelte er, seine Stimme tief und voller Ernst. "Die Götter haben dir den Sieg geschenkt, Königin Niamh. Dieser Mann, dieser Römer, wäre ein würdiges Geschenk an die Götter."
Die Worte des Druiden ließen die Stimmung in der Halle augenblicklich kippen. Das Gelächter verstummte, die Krieger sahen sich an, und ein erwartungsvolles Schweigen breitete sich aus. Selbst die Hunde wirkten angespannt, als hätten sie die Bedeutung der Worte verstanden.
Doch ich lehnte sich entspannt zurück, als würde ich die Spannung gar nicht bemerken. Meine Finger spielten mit einem Becher Met, während ich lächelte. "Ein Opfer, sagst du, ehrwürdiger Druide?" entgegnete ich leicht. "Nun, vielleicht sollten wir die Götter fragen, was sie davon halten. Vielleicht bevorzugen sie eher ein tapferes Herz. Oder einen fähigen Krieger." Ich zuckte die Schultern, als wäre der Gedanke belanglos. "Aber was sollen sie mit einem Römer, der Hosen bewundert und Hunde ausführt?"
Einige Krieger brachen wieder in Lachen aus, doch der Druide blieb ernst und ließ seine Augen nicht von Suibhne. "Ein Römer, der hier ist, ist ein Symbol", sagte er nachdrücklich. "Die Götter mögen Symbole."
"Und ich mag es, wenn die Götter zufrieden sind", entgegnete ich mit einem schiefen Lächeln, bevor ich einen Brocken Fleisch von einem der Sklaven entgegennahm und ihn kurz darauf nonchalant zu Boden fallen ließ, direkt vor Suibhne. Die Hunde bewegten sich träge, schnüffelten an dem Fleischstück, doch vielleicht hatte mein Sklave schneller reagiert.
"Suibhne", sagte ich beiläufig, als wäre nichts geschehen. "Du solltest dich gut um meine Hunde kümmern, hörst du? Sie sind wertvoller als du!"
Die Krieger grölten vor Vergnügen, einige klatschten. Ich schmunzelte und meine Augen blitzten. Nun begann auch endlich der Barde zu spielen. Seine Harfe erzeugte eine Melodie, die die Halle füllte. Sein Gesang hob an, preiste den Mut der Krieger und den Sieg, den sie errungen hatten. Derweil wurde noch mehr Essen von den Sklaven hereingetragen, Bier und Met flossen in Strömen, und die Feier nahm ihren Lauf.
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