RE: Einfach nur weg
Die meisten Männer wollten einen Erben? “Die meisten Männer sind Idioten, die nur an sich selbst denken“, brummte ich und betrachtete weiter die Sterne. “Sie machen sich keine Gedanken darüber, was das beste für ihre Frauen oder ihre Kinder wäre und sehen nur sich selbst und denken nur an den nächsten Fick.“ Ich hatte das schon zu oft erlebt. Sogar meine Brüder, die ich sehr liebte, dachten immer nur an sich selbst und sonst an niemanden. Immer nur daran, wie sie sich fühlten, immer nur daran, welche Wünsche sie selbst hatten, immer nur an ihre eigenen Bedürfnisse. Nie an andere. Selbst wenn sie sagten, dass sie jemanden liebten, dachten sie nie an diese Person, bevor sie etwas machten. Immer nur hinterher, wenn alles den Bach runter ging.
Aber ich war nicht so. Ich dachte immer an die anderen. Mehr als an mich selbst. Und ich wusste, wie gefährlich es für meine Kinder wäre, allein schon zu leben. Dass sie getötet werden könnten, um mich zu treffen. Um Geheimnisse über mich zu erfahren.
Sie bemerkte die Reaktion meines Körpers. Zum Glück war es dunkel, denn wahrscheinlich wurde ich gerade ein wenig rot. Nicht, dass ich mich zu schämen brauchte, Sex war bei uns Kelten zum Glück etwas sehr natürliches und nichts, was man in jedem Fall verstecken musste. Aber ich wollte ja gar keinen von ihr und wollte nicht, dass sie jetzt die falschen Schlüsse zog. “War keine Absicht“, murmelte ich und rückte meine Hüfte etwas anders zurecht, so dass ich sie nicht mehr piekste und sich hoffentlich da unten endlich alles beruhigte.
Auch wenn ich mir nicht sicher war, ob sie nicht eigentlich doch wollte. Dass sie jetzt erwähnte, dass sie weder Jungfrau war, noch auf ihren Freund Rücksicht nehmen musste, obwohl sie eben noch was anderes gesagt hatte, klang schon so, als wollte sie jetzt eigentlich doch, dass wir die Zeit ein wenig anders nutzten. Und nein, das half meinem kleinen Freund gerade gar nicht, der war da nämlich sehr erpicht darauf. Ich hätte vorhin doch besser mal Hand anlegen sollen.
Ich redete also schnell weiter, um vor allen Dingen mich selbst etwas abzulenken, als sie fragte, was passiert war. “Ihr Name war Niamh. Sie war aus Eire geflohen und einem römischen Händler ins Netz gegangen, der sie als Sklavin verkaufen wollte. Und sie bat mich um Hilfe. Also habe ich ihr geholfen und sie befreit. Sie… Ich wollte eigentlich gar nicht mehr, aber sie kam nachts dann zu mir. Als ich ihr am nächsten Morgen aber nochmal sagte, dass ich sie auch jetzt nicht heiraten würde, wurde sie wütend und wollte weg. Also hab ich sie in Sicherheit gebracht, an einen heiligen Ort zu Priesterinnen, damit sie nicht wieder versklavt wird. Ich hab ihr dort ein Haus bereitet und ihr zwei Pferde gegeben, und wollte wieder gehen.“ Im Nachhinein betrachtet war ich wirklich ein riesiger Idiot. Zwei Pferde waren eine stattliche Mitgift, mehr als die meisten Frauen ihr eigen nennen konnten. Aber trotzdem hatte es Niamh nichts bedeutet. Und das tat auch jetzt beim Erzählen noch einmal weh. “Beltane kam, und sie hat es genutzt, um mit meinem Bruder zu schlafen. Ich hab es gesehen, und bin dann wirklich gegangen.“ Auch das tat noch weh, aus vielfältigen Gründen.
“Sie hat es dann irgendwie geschafft, sich von demselben Händler noch einmal fangen zu lassen. Ich… ich hörte davon und hab sie mit meinen Brüdern wieder befreit. Und sie zu einem anderen Dorf gebracht. Ich… fühlte mich irgendwie schuldig, weil ich es beim ersten mal nicht richtig gemacht habe. Und eigentlich dachte ich, dass ich damit dann abgeschlossen hätte. Aber sie kam dann wieder zu mir, entschuldigte sich für alles, was vorgefallen war und sagte, dass sie mich lieben würde und sie nur mich wollte und…“
Ich seufzte und fuhr mir mit der Hand einmal übers Gesicht. Ich hätte damals einfach gehen sollen. Heute wusste ich das. Aber damals, nun damals wollte ich einfach Hoffnung haben, dass es stimmte. “Ich wollte ihr glauben. Ich wollte glauben, dass ich ihr genug war, einfach nur mit mir zusammen zu sein und die Sicherheit, die ich ihr bieten konnte. Ein unauffälliges, einfaches Leben, aber, naja, eben ein Leben. Und ich baute ihr wieder ein Haus und teilte es die meiste Zeit mit ihr, wenn ich nicht fort musste und Arbeit zu tun hatte. Und ich dachte, es wäre alles nun richtig und gut. Und ich wollte so sehr glauben, dass sie mich wirklich liebte. Aber so war es nicht.“
Ich blickte von den Sternen wieder hinunter zu Catia und ihren dunklen Augen. Sie war so nah, und ein Teil von mir wollte sie gerade einfach küssen. Nicht, weil ich sie liebte oder so etwas, sondern um etwas anderes zu fühlen als diese Leere und diesen Schmerz. Ein wenig Trost. Ein wenig Leben. Ich war einfach auch ein selbstsüchtiger Scheißkerl und kein netter Mann, wie sie behauptet hatte.
Bevor ich etwas blödes tat, sah ich beiseite zu den kleinen Flämmchen unseres Feuers. “Bei der erstbesten Gelegenheit hat sie sich rausgeputzt und einem reichen Römer an den Hals geworfen. Sie hat gedacht, ich würde es nicht merken, aber ich hab sie gesehen. Allerdings hat sie sich den falschen Römer ausgesucht, es gab wohl Probleme wegen der Sache mit dem Händler und sie musste mal wieder weg. Nur, weil sie nicht in Sicherheit bleiben wollte. Weil ich ihr nicht genügt hatte. Weil sie sich wieder einem anderen an den Hals geworfen hatte. Und trotzdem hatte sie die Nerven, mich zu bitten, sie wieder zu begleiten, ihr wieder zu helfen. Aber diesmal sagte ich nein, sagte ihr, dass ich nicht mit ihr mitkommen würde und dass das mit uns enden würde.“
Ich atmete tief durch und schluckte den ganzen Berg an Gefühlen herunter, der aufgewühlt worden war, indem ich das alles erzählte. “Du siehst also, dass ich ganz sicher Spott und Hohn verdient habe, wenn ich mich so oft belügen und betrügen lasse. Ich hätte ihr nicht zweimal glauben dürfen. Und ich hätte… ich hätte ihr nicht mein Herz schenken dürfen. Denn es war ihr nichts wert.“
Ein trockenes Lachen ohne jede Freude stieg in meiner Kehle hoch, schaffte es aber nur so gerade eben über meine Lippen. “Es ist jetzt ein halbes Jahr her. Ich wette, sie hat schon wieder einen neuen Idioten gefunden, der ihr ihre kleinen Lügen glaubt und alles für sie tun will. Wahrscheinlich diesmal auch jemand, der ihr Kinder macht, wenn sie das will. Und ich sitz hier und jammere ein hübsches Mädchen damit voll, dass ich sie geliebt habe. Ich bin wirklich ein Idiot.“
Falke
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