RE: Beim alten Hügelgrab - ein Samhain-Nachttraum
Saturninus verstand aus Gestik und Mimik der Königin, das sie ihm einen Sklavennnamen gab, da sie seinen Namen nicht ausprechen konnte. Wie oft hatte er das schon getan, weil es ihm nicht der Mühe wert schien, einen zu fremdländischen Namen zu lernen. Deirdre hatte er anfangs nach ihrem Volk "Brigantia" gerufen. Nivis hieß eigentlich auch nicht Nivis, sondern Niamh - Niv oder so ähnlich, doch "Schnee" passte zu ihrer hellen Haut. Leon hieß auch nicht Löwe, sondern hatte den Namen wegen seiner sandfarbenen Mähne erhalten. Es war selbstverständlich, dass der Herr den Sklaven nennen konnte, wie es ihm beliebte, doch nun, da das Einzige, was Saturninus noch besaß, sein Name war, empfand er sich als beraubt. So fühlte es sich also an, dass Letzte zu verlieren, das einen noch mit dem alten Leben verband. Doch dann gab er sich einen Ruck. Nie und nimmer würde er auf Suvne hören. Auch wenn er versklavt worden war, ein Sklave war er nicht.
Saturninus wusch sich und bekam Hose und Kittel. Da man ihm nichts zu Trinken gab, trank er vom Waschwasser. Die Hose musste er wohl oder übel anziehen, wollte er nicht mit blankem Hintern zum Amusement der Kelten vor seine Käuferin treten, weil der Kittel recht kurz war. Beides war aber grobes Zeug.
Er hatte durch Gwens Übersetzung verstanden, dass er sich später um die königlichen Hunde kümmern sollte. Saturninus hatte selbst irische Hunde gehabt, zuhause auf seinem Landgut. Dieses Volk war berühmt für seine Hunde. Aber es war doch eine Arbeit, die ihm nicht sehr ehrenvoll schien, da sie mit den Händen erledigt wurde. Er wartete darauf, dass man ihnm die Hunde zeigte, stattdessen führte man ihn jedoch in das Innere eines großen Rundhauses. Die Mauern waren zwar aus Stein, doch das Dach war aus Reet, alles schien dem Römer wild und unfertig und roh, eben barbarisch zu sein.
" Suibhne! Die Herrin will sehen", man gab ihm einen Stoß, der ihm aber eher die Richtung anweisen als ihn ärgern sollte. Man ging offenbar davon aus, dass er nur solche Sprache verstand, da er ja nicht mit den Hibernern sprechen konnte.
Und da war sie wieder, Königin Niamh Ni Conchibar, prächtig und mit leuchtendblauen Augen.
Saturninus verneigte sich nicht. Er wies auf seine Kleidung:
"Ich danke Dir für diese herrlichen Hosen, Königin", sprach er, als sei er lediglich auf einem Freundschaftsbesuch. Ein wenig Ironie legte er in seine Stimme:
" Der Dichter Ovid schrieb, dass man dort, wo man von niemandem verstanden wird, der eigentliche Barbar ist. Also bin ich das wohl. Dennoch Danke"
Er wartete, dass seine Worte übersetzt wurden. Ovid Naso, seine Verse, bald würde man die Dichter ohnehin alle vergessen haben. Aber da war Königin Niamh, und ihre roten Lippen und ihr Haar waren so prachtvoll, dass sie vielleicht schöner war als alle Gedichte der Welt. Saturninus erinnerte sich daran, wie er zuhause seine liebe Nivis das erste Mal geküsst hatte. Er war ihr Herr, auch wenn sie es nicht wusste, und er hatte ein Recht auf sie gehabt.
Saturninus dunkle Augen verweilten auf der Königin feingeschwungenen Lippen. Wie würde es sein, diese zu küssen? Aber das waren Gedanken eines Eroberers und gerade waren die Rollen eindeutig vertauscht. Nun hatte die Königin ein Recht auf ihn.
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